Johnny Bob
Creatures of Light and Darkness
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Drei Longtracks, das ist bei Prog-Bands nicht ungewöhnlich. Allerdings verzichten die Hamburger darauf die 10-Minuten-Marke auch nur anzupeilen. Vor allem aber verzichtet das Trio um die Brüder Jörg Purfürst, der für die Musik und Carsten Diaz, der für die Texte verantwortlich zeichnet, auf den massiven Einsatz von Keyboards. Das hebt Johnny Bob aus dem Heer der Neo-Prog-Bands heraus. Ob man das gut oder enttäuschend findet, dürfte, wie so oft, Geschmacksache sein.
Und noch eine Entscheidung fällt aus dem Rahmen. Creatures of Light and Darkness wird es weder als CD noch in digitalen Formaten geben. Wer das Doppelalbum genießen möchte, muss auf den guten alten Schallplattenspieler zurückgreifen. Vinyl only ist angesagt.
Hätte die Band sich nicht schon im Info das Neo-Prog-Etikett an die Stirn geklebt, würde man frühestens beim ersten Long Track davon sprechen. Der „Erlkönig“ eröffnet das Album sehr reduziert mit sparsamem Gesang zu akustischen Gitarrenakkorden und kocht nur zur Mitte hin leicht auf. „Tokyo“ kommt dann dramatisch, würde für sich genommen aber eher in der Elektro-Pop-Abteilung landen, was in diesem Fall alles andere als negativ gemeint ist. Es folgt eine softe Ballade, die angenehm ins Ohr geht, aber bereits wieder vergessen ist, wenn der letzte Ton verklingt.
Dan folgt der eindeutige Höhepunkt des Albums und mit 9:14 der zweitlängste Track, der das, was den Neo-Prog ausmacht, so richtig auskostet. Nach einem sehr lebendigen Auftakt folgt eine intensive Gitarrenphase. Nach einem totalen Break hat man den Eindruck in einem völlig neuen Stück zu sein. Die ruhige akustische Gitarre dominiert erst einmal. Nach einem Vocal-Part übernimmt dann sehr sanft Ole Schützler mit dem Synthesizer, aber so, dass der Sound sehr natürlich bleibt und nichts artifiziell Steriles bekommt.
Natürlichkeit ist übrigens ein wichtiges Stichwort bei den Hanseaten, die nicht nur gelegentlich fast wie ein Songwriter Act klingen, sondern immer wieder auch an die Grenze des Folks gehen; z.B. wenn bei „White Bear Lake“ Flötentöne erklingen, die – wenn die Besetzungsliste, die mir vorliegt, vollständig ist – wieder aus Schützlers Maschinenpark stammt.
„White Bear Lake“ schließt übrigens einen Drei-Song-Zyklus ab, in dem sich Johnny Bob nahezu als Brit-Popper generieren. Das tolle „A Song to the Seasons“ könnte auch auf einem Album der Housemartins stehen.
Kurz vor Schluss wird noch mal auf die Pauke gehauen. „Empire“ hat mächtig Drive und bildet zusammen mit dem bereits erwähnten Longtrack „Zen Comic Show“ und „A Song to the Seasons“ das Top-Dreigestirn von Creatures of Light and Darkness - eine Single-fähige Nummer!
Dazwischen und drumherum hat sich aber auch einiges an blassem und Füllmaterial eingeschlichen, so dass man sich fragt, ob der Eindruck nicht prägnanter gewesen wäre, wenn Johnny Bob sich auf ein einfaches Album beschränkt hätten, statt – trotz Vinyl only Edition - praktisch die volle Länge einer CD auszunutzen.
Norbert von Fransecky
Trackliste |
1 | Erlkönig | 2:17 |
2 | Tokyo | 5:10 |
3 | Fading Suns | 3:41 |
4 | Zen Comic Show | 9:14 |
5 | God Machine | 4:58 |
6 | I am Ocean | 3:29 |
7 | September | 8:19 |
8 | Brand new Day | 4:41 |
9 | A Song to the Seasons | 3:20 |
10 | White Bear Lake | 9:33 |
11 | Mohawk | 3:39 |
12 | Empire | 2:41 |
13 | Nocturne | 6:51 |
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Besetzung |
Carsten Díaz (Voc, Git)
Jörg Purfürst (B, Git)
Philip Mestwerdt (Dr)
Gäste:
Ole Schützler (Keys)
Jürgen Ufer (Git)
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