Bach, J. S. (Pichon)
Motetten
DER PERFEKTE RAHMEN
Gerne werden die sechs großen Motetten von Johann Sebastian Bach als Fortführung und Höhepunkt der musikalischen Geisteswelt der Bach-Familie verstanden. Dass der Rahmen, in den sie zu stellen und innerhalb dessen sie zu verstehen sind, größer ausfallen muss, zeigt nun Raphael Pichon mit seinem Ensemble Pygmalion. Er hat das Florilegium portense durchforstet, eine Sammlung von 365 lateinischen Motetten aus der Feder von nicht weniger als 58 Komponisten. Das Buch war seit 1618 in Leipzig im liturgischen Gebrauch und fand noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Verwendung. Auch Bach dürfte seine Thomaner daraus regelmäßig sonntags haben singen lassen. Und so zeigt sich, dass es eben keine rein protestantische und schon gar keine rein deutsche Traditionslinie gab, aus der Bach schöpfte, sondern dass er sehr bewusst und gezielt (auch) an die Vorbilder italienischer Mehrchörigkeit anknüpfte. Die wunderbar fein gearbeiteten Juwelen zeigen es: Bertolis sanftes „Osculetur“, Gallus´ andachtsvoll strenges „Ecce quomodo“ und Gabrielis schwebendes „Jubilate Deo“.
Pichon vertieft das Verständnis der Bach-Motetten, die hier ungeachtet dessen im Mittelpunkt stehen, aber nicht nur aus diesem Bezug, sondern auch aus einem sehr präzisen Nachvollzug des Sprachduktus. Der Vortrag des Chores ist daher stark rhythmisch und rhetorisch geprägt ohne zu skandieren, verbindet sich dabei aber ideal mit einem mal tänzerischen Schwung, mal kantatenhaft-dramatischen Farbwechseln. Wohl selten ist es in jüngerer Zeit gelungen, mit dieser Musik so vitale Emotionen zu evozieren und ihr so viel jugendliche Frische beizugeben, sich also nicht im Wohlklang zu ergehen, sondern die Werke wirklich zum Sprechen zu bringen. Die musikalische und sängerische Präzision und Detailarbeit an jeder einzelnen Passage führt dabei zu einem durchweg überzeugenden Ergebnis. Pichon selbst bringt es im Booklettext auf den Punkt: „Jeder Abschnitt ist wie ein lebendes Bild, dessen wechselnde Personenkonstellationen und spirituellen Gedankengänge über unterschiedliche Zusammenklänge und eindringliche Kontraste vermittelt werden sollen. (…) Damit wird ein Gipfel erreicht, auf dem es keine Zugeständnisse mehr gibt. (…) Sechs Motetten, eine unerschöpfliche Quelle des Jubels, ein Geschenk für Leib und Seele.“
Und in diesem Sinne darf sich jede und jeder auch mit dieser großartigen Aufnahme reich beschenkt fühlen.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
J.S. Bach: Motetten 225-230
G. Gabrieli: Jubilate Deo a 8
Gallus: Ecce, quomodo moritur justus a 7
Bertolusi: Osculetur me osculo oris sui
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Besetzung |
Ensemble Pygmalion
Raphaël Pichon: Ltg.
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