Günter Baby Sommer
Baby’s Party, Guest: Till Brönner
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Günter Baby Sommer und Till Brönner - wie soll das passen, bitteschön? Der Generationsunterschied wird mit Sicherheit keinen Anlass zu solchen Zweifeln geben, Sommer ist Jahrgang 1943, geboren in Dresden und Brönner wurde 1971 geboren.
Der Schlagzeuger Sommer ist in der Regel in Verbindung zu bringen mit freiem Jazz, mit Free Jazz, mit avantgardistischen Klängen, doch zuvor auch als Begleiter in Tanzkapellen und Beat Bands. Auch aktiv war er in der ehemaligen DDR als Mitglied der Klaus Lenz Big Band. Einigen mag er auch bekannt sein als Mitbegründer des berühmten Ensembles Zentralquartett, der wohl wichtigsten Formation in der Free Jazz-Bewegung der DDR. Im Übrigen eine Band, in der Jazz nicht ohne Humor gespielt wurde. Und den Humor scheint sich der Schlagzeuger erhalten zu haben. Ach ja, warum eigentlich Baby Sommer ? Dieses war ein Hinweis auf einen wichtigen Drummer aus New Orleans, Warren “Baby“ Dodds, der einst auch in Diensten von Louis Armstrong stand. Auf Baby’s Party gibt es auch Humor und auch zwei alte Songs neben den Eigenkompositionen, einmal die heimliche irische Hymne “Danny Boy“ und dann ein Stück von Duke Ellington – “In A Sentimental Mood“.
Zu seinem 75.Geburtstag hatte Sommer nun eine Party veranstaltet, zumindest das Erscheinungsdatum der CD betreffend, denn aufgenommen wurde bereits am 5. und 6. Dezember 2017 in Winterthur in der Schweiz. Allerdings hat es sich nicht um eine große Party mit vielen Gästen gehandelt, denn als einzigen Gast hatte sich Sommer den Trompeter Till Brönner eingeladen. Dabei hätte er mit Sicherheit jede Menge Musiker, die im Laufe seines Lebens mit ihm musizierten, einladen können. Warum also nur Brönner? Gerade er, der aus einen völlig anderen musikalischen Umfeld innerhalb des Jazz kommt, einer, der sich mehr den Pop-Charts näherte als der reinen Lehre des Jazz, geschweige denn des Free Jazz.
In einem Beitrag für „mdr Kultur“ äußerte sich der Schlagzeuger entsprechend dazu:
Zitat: Günter "Baby" Sommer reizte es, Till Brönner, auf die Abenteuerspielplätze des freien Improvisierens zu locken und die Jazz-Puristen zu verstören: "Wo, sagen wir mal die 'Jazzpolizei', sehr verwundert, überrascht, schockiert ist und überhaupt die Welt nicht mehr versteht. Allen, die sich da wundern, kann ich nur sagen: Till Brönner ist ein Trompeter, der so breit aufgestellt ist, dass er sich wie ein Fisch in der Jazztradition zu bewegen weiß, und zum anderen sämtliche oder fast alle das ABC des neuen Improvisierens beherrscht."
Und so ist es auf jeden Fall Sommers Verdienst, den Trompeter aus der Reserve zu locken, und ihm den Platz frei zu halten und Wege zu ebnen für die Möglichkeiten, sich auszutoben und sich vollends auf dem Terrain des improvisierten Jazz‘ zu bewegen, ohne Grenzen, aber ohne, dass der Jazz zu frei wurde. Und so scheinen sich beide in ihrem Dialog angenähert zu haben, schöpfen aus ihrem jeweiligen Fundus und spielten sich bei den Aufnahmen gegenseitig Bälle zu, um diese tanzen zu lassen, Sommer auf seinen Drumfellen und Brönner beim Wegblasen der Bälle in den Raum. Das gelang manchmal sehr gut, manchmal gut und manchmal auch weniger gut.
“Apéro con brio“, gespielt mit einer Holzschlitztrommel, verbreitet eine afrikanische Stimmung, und über diesem federnden Rhythmus gibt es für den Trompeter die Gelegenheit für Ausdrucksmöglichkeiten, hier zeigt er, dass er auch anders kann, nicht nur mit reiner Technik, sondern auch mit Emotionen gespickt spielen. Auf “First Shot“, wo die gestopfte Trompete natürlich sogleich an Miles Davis erinnert, klimpert im Hintergrund allerhand Perkussion, hier ist die Atmosphäre des Gemeinsamen für mich nicht unbedingt stimmig geraten. Das gelingt dann besser auf “Danny Boy“, wobei die wehmütige Komposition in der Interpretation der Beiden einen recht einfühlsamen Charakter erhält, wobei Sommerallerdings wesentlich agiler und quirliger agiert, aber hier passen die gegensätzlichen Auffassungen von Jazz gut zusammen. Ein Ausnahmestück ist auch “Flinke Besen“, hier geht es in der Tat sehr flink und rasant zu, und das ist der Titel, bei dem ich sagen kann, dass hier die beste Vereinigung beider Individuen stattfindet. Sommer treibt Brönner regelrecht an, und scheint ihm Tritte in den Allerwertesten zu verpassen.
Mit der Maultrommel und gestopfter Trompete wird auf “Second Shot“ eine mystische Atmosphäre geschaffen, düster klingt das mit dumpfen Glocken-und Gong-Klängen eingeleitete “A Soft Drink In Between“, ein auch sehr interessanter Song, bei dem die Trompete fast wie ein Alphorn klingt. Und so geben sich diverse Stimmungen die Klinke in die Hand, humoristisch wird es, wenn auf “Inside-Outside-Trip“ lustige Sprachfetzen hineingeworfen werden, die klingen, als wären sie irgendwelchen Gesängen nordamerikanischer Ureinwohner entnommen worden zu sein, ganz fantastisch ist bei diesem Titel der herrlich vertrackte Rhythmus, der ganz sanft zum Tanz verleiten könnte.
Und so haben sich zwei Musiker zusammengerauft, die trotz ihrer großen Unterschiedlichkeit oft einen gemeinsamen Nenner fanden auf dieser sehr unterhaltenden Platte. Meistens haben sie wirklich miteinander harmoniert, bei einigen Stücken hatte ich dieses Gefühl nicht. Aber auf jeden Fall ist dieses ein Anfang, der hoffentlich weitergeführt wird, vielleicht spielt Brönner ja auch einmal mit dem Zentralquartett zusammen.
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Apéro con brio (6:01)
2 First Shot (3:43)
3 Special Guest No.1 – Danny Boy (5:52)
4 Flinke Besen (4:37)
5 Second Shot (3:00)
6 A Soft Drink in Between (6:49)
7 Inside-Outside-Trip (5:44)
8 Third Shot (2:06)
9 A Little Nap in Between (6:53)
10 Special Guest No.2 – Der alte Spinner (6:34)
11 Party Over – In a Sentimental Mood (4:38)
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Besetzung |
Günter Baby Sommer (drums, percussion)
Till Brönner (trumpet, flugelhorn)
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