Crosby, Stills & Nash
CSN 2012
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Das letzte Konzert, das von Crosby, Stills & Nash (CSN) mit ihrem klassischen Material auf Film gebannt wurde, stammt aus dem Jahr 1991 und war ein Akustik-Konzert. (Dazwischen gab es allerdings 2008 den Film „CSNY Déjà Vu“ zusammen mit Neil Young zu ihrer gemeinsamen und sehr politisch ausgerichteten „Freedom Of Speech“-Tour aus dem Jahr 2006.) David Crosby z. B. ist inzwischen 71 und da macht es Sinn, die ureigene Performance von CSN noch mal auf DVD, HD, Blu-Ray und sonst was zu bannen, bevor die Stimmen versagen und der Rollator bereit steht. Doch demonstrativ beginnen sie ihr Konzert aus dem Jahr 2011 im kalifornischen San Louis Obispo mit „Carry On“: Also weitermachen! Schade nur, dass bei so viel Aufwand Neil Young nicht auch dabei war.
Doch letztlich muss man sehen, dass diese Band meist ohne ihn auskam und auch Steve Stills nicht das Zentrum des Trios ist, sondern die wesentlich besser auf das CSN-Repertoire eingespielteren Crosby & Nash. Vielleicht wollte man auch nur in einem Jahr, in dem andere Legenden wie die Stones und die Beach Boys ihre 50 Jahre feierten, mit im Geschäft sein, bevor es nicht mehr geht.
Hat man CSN noch aus ihrer erfolgreichsten Phase in Erinnerung, so fallen mehrere Dinge auf. Die Zeit, als die Band lange intensive Gitarrenimprovisationen wie auf dem „Four Way Street“-Album produzierte, ist vorbei. Eigentlich schade, denn Steve Stills ist derzeit auf der Gitarre in Hochform und auch wenn ihm Neil Young als „Gitarrenduellist“ fehlt, so sind doch mit Bandgitarrist Shane Fontayne Ansätze da, die in die „Jam Session“-Richtung gehen, aber eben nur kürzer geraten sind. Auch komplexe Stücke wie die „Suite: Judy Blue Eyes“ oder „Wooden Ships“ schreibt das Trio längst nicht mehr. CSN sind keine reine Oldieband und bringen etliche neue Songs, diese sind aber vergleichsweise einfach strukturiert und haben alles andere als das Zeug zu neuen Klassikern. Letztlich hat die Band seit den 1980er Jahren allerdings schon keine nennenswerten „progressiven“ Stücke mehr geschrieben und sich mehr auf übliche Songwriter- und Rocksong-Strukturen beschränkt, die ihre inhaltlichen Botschaften vielleicht besser transportieren.
Stimmlich ist ein wenig Faszination des Trios bei diesem Konzert verloren gegangen. Dies mag einerseits an einer nicht optimalen Abmischung liegen, kann man doch mit etwas mehr Hall einige Differenzen ausgleichen, doch haben Crosby & Nash ihren Satzgesang von allen am meisten über die Jahre perfektionieren können, während Stills’ Stimme inzwischen doch sehr angestrengt rüberkommt. Das passt nicht immer so zusammen, wie man es bei einer Band gewohnt ist, die für den Satzgesang Maßstäbe gesetzt hat.
Von den neuen Songs sticht vielleicht „Almost Gone“ hervor, weil es inhaltlich noch am ehesten an die „Freedom Of Speech“-Tour anschließt. Hier geht es um den US-Armee-Angehörigen Bradley E. Manning, der Wikileaks Geheimdokumente zugespielt hatte. Graham Nash macht in seinem Song darauf aufmerksam, dass Bradley unter Bedingungen inhaftiert ist, die man ohne Weiteres als verfassungswidrig und Folter bezeichnen könnte und dass sein geistig-seelischer Zustand inzwischen von seinen Anwälten mit den Worten „His mind is almost gone“ beschrieben wird. Scheinbar geht es auch in Obama-Land ohne weiteres, dass man die Strafe noch vor der Verurteilung ausführt. Auch „In The Name Of God“, eine Aufforderung an den Herrgott aller Menschen, seinen Namen nicht von Kriegstreibern missbrauchen zu lassen, zeigt, dass die drei Rock-Opas wohl immer noch mehr politisches Bewusstsein rüberbringen als man in den Billboard Top 100 der letzten zehn Jahre zusammen finden mag.
Höhepunkte sind immer noch die alten Meisterwerke, einerseits Stücke wie das gesanglich Gänsehaut hervorrufende „Guinnevre“, bei dem Crosby und Nash glänzen, andererseits „Wooden Ships“, bei dem Steve Stills dann endlich doch mit Organist Todd Caldwell eine rasante Kommunikation auf den Instrumenten aufbaut. Dass das Trio auch mal gut covern kann, zeigt es in Bob Dylans „Girl From The North Country“. Und Steve Stills trägt auch einiges fast Vergessenes aus seiner Karriere bei wie „Bluebird“, ein Buffalo Springfield-Stück, oder „For What It’s Worth“.
Auch das Drumherum an dieser DVD stimmt soweit. Das Bühnenbild ist unspektakulär, lenkt nicht von der Musik ab. Die Interviews mit CSN in den Extras zeigen die Entwicklung ihres politischen Bewusstseins, es hätten aber in den Extras gerade für diesen seltenen Moment wesentlich mehr Informationen und Bilder etc. zur Bandgeschichte aufgenommen werden können, vielleicht mal solche, die nicht in Wikipedia stehen. Extras nach dem Motto „Wir sind ja alle so toll!“ sind eigentlich verzichtbar. Die DVD-Box beinhaltet allerdings noch den Konzertmitschnitt auf zwei CDs. Die Begleitband bringt das, was man bei dieser Musik braucht: Sensibilität in den ruhigen Stücken, sie kann aber auch gut abrocken und improvisieren, wenn es darum geht, in Erinnerung zu rufen, dass CSN eher Rock- als Folkgeschichte geschrieben haben.
Vor 20 Jahren waren im Fan-Haushalt Konzertmitschnitte (auf VHS oft) noch nicht so gängig. Inzwischen wird sich mancher CSN-Fan so etwas gewünscht haben und auch der letzte Live-Mitschnitt des klassischen Repertoires auf CD beinhaltet Aufnahmen aus den frühen 1980ern. Insofern muss der CSN-Fan hier zuschlagen und der zu spät Geborene bekommt hier einen qualitativ gehobenen Einblick ins Schaffen der drei Legenden.
Hans-Jürgen Lenhart
Trackliste |
1 | "Carry On/Questions," |
2 |
"Marrakesh Express," |
3 |
"Long Time Gone," |
4 |
"Military Madness," |
5 |
"Southern Cross," |
6 |
"Lay Me Down," |
7 |
"Almost Gone," |
8 |
"Wasted On The Way," |
9 |
"Radio," "Bluebird," "Deja Vu," |
10 |
"Wooden Ships," |
11 |
"Helplessly Hoping," |
12 |
"In Your Name," |
13 |
"Girl From The North Country," |
14 |
"As I Come of Age," |
15 |
"Guinevere," |
16 |
"Johnny's Garden," |
17 |
"Learn to Live (So Begins the Task)," |
18 |
"Cathedral," |
19 |
"Our House," |
20 |
"Love the One You're With," |
21 |
"For What It's Worth," |
22 |
"Teach Your Children" |
23 |
"Suite: Judy Blue Eyes" |
24 |
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Besetzung |
David Crosby (vocal, guitar)
Steve Stills (vocal, guitar)
Graham Nash (vocal, guitar)
Todd Caldwell (organ)
Shayne Fontayne (guitar)
Steve DiStanislao (drums)
Kevin McCormick (bass)
James Raymond (keyboards).
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