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BR-KLASSIK - neu am Markt
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Der Trend im Klassik-Bereich, dass Orchester und Ensemble eigene Labels gründen, um ihre Produktionen zu vermarkten und selbst über die programmatische Ausgestaltung zu bestimmen, setzt sich fort: Seit kurzem sind nun auch die drei renommierten Klangkörper des Bayerischen Rundfunks - das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Münchner Rundfunkorchester und der Chor des Bayerischen Rundfunks - mit ihrem Label BR-KLASSIK auf dem Markt. Außerdem werden unter der Bezeichnung BR-KLASSIK ARCHIVE Einspielungen aus der Historie des Senders wieder zugänglich gemacht. Hinzu kommt die Reihe BR-KLASSIK WISSEN, die mit Wort-/Musiksendungen einen erklärenden Zugang zu Schlüsselwerken der klassischen Musik ermöglicht.
Konzertmitschnitten von besonders spektakulären Orten trägt BR-KLASSIK durch eine Veröffentlichung als DVD Rechnung. Die Neuerscheinungen von BR-KLASSIK werden im Highprice-Segment veröffentlicht, die CDs der ARCHIVE- und WISSEN-Reihe erscheinen im Midprice-Segment.
Um im umkämpften internationalen Markt Fuß fassen und bestehen zu können, hat sich BR-KLASSIK dafür entschieden, den Vertrieb der Tonträger in die Hände von NAXOS zu legen. Damit dürfte eine umfassende Präsenz auf allen internationalen Märkten und auch beim digitalen Vertrieb gesichert sein.
Die ersten acht Tonträger sowie eine DVD wurden nun am 18. September 2009 veröffentlicht. Der Premierenkatalog reicht von der Wiener Klassik (Haydn: Harmoniemesse und Symphonie Nr. 88, Ltg. Mariss Jansons; Klavierkonzert Nr. 1 von Beethoven und Nr. 18 von Mozart mit Martha Argerich), über das bewährte Symphonieorchesterrepertoire (jeweils die siebenten Symphonien von Bruckner und Mahler, ebenfalls unter der Leitung von Mariss Jansons) bis hin zur Musik des 20. Jahrhunderts, wobei hier für Leonard Bernsteins "Trouble in Tahiti" und Karls Amadeus Hartmanns "Des Simplicius Simplicissimus Jugend" Ulf Schirmer am Pult des Münchner Rundfunkorchesters verantwortlich zeichnet.
In der Reihe BR-KLASSIK WISSEN erscheint auf 2 CDs als erstes eine Werkeinführung von Wieland Schmid in Bachs Matthäuspassion.
Mariss Jansons gerät die Haydn-Produktion, möglicherweise bedingt durch die akustischen Verhältnisse des Aufnahmeorts, recht altbacken und behäbig. Sein Bruckner ist zwar klangsinnlich lukullisch gefasst, bleibt dabei aber an der Oberfläche, ohne die Abgründe und Klüfte der siebten Symphonie bis ins Letzte auszuloten. Stimmiger ist da die Einspielung von Mahlers 7. Symphonie; sie verdient Aufmerksamkeit nicht zuletzt deshalb, weil hier erstmals die Neue kritische Ausgabe des Notenmaterials der Internationalen Gustav Mahler-Gesellschaft zugrunde gelegt wurde.
Ein Fest für die Sinne aber, wie der Werbeslogan des Labels ankündigt, sind vor allem die Produktionen mit dem eher randständigen Repertoire. So kommen Bernsteins "Trouble in Tahiti" und die Symphonischen Tänze aus seiner West Side Story unter Ulf Schirmers Stabführung betont jazzig und spritzig daher, die Tänze entfalten trotzdem erstaunliche Suggestivkraft.
Karl Amadeus' Hartmanns ebenso launige wie grimmige Simplicissimus-Oper von 1936 kann in der klanglich mitunter etwas schroffen, musikalisch aber sehr lebendigen Live-Einspielung unter Ulf Schirmer nicht nur als antifaschistisches Musikmanifest überzeugen. Die Annäherung an die Urfassung verzichtet auf opernhafte Opulenz zugunsten eines expressiven, knackig-differenzierten Orchesterspiels mit ungewöhlichen, arachisierenden Klangfarben. Eindringliche solistische Leistungen lassen dieses antiromantische Werk ausgesprochen frisch daher kommen.
Eher seltenes Chorrepertoire präsentiert der Chor des Bayerischen Rundfunks mit Frank Martins Messe für zwei Chöre, Zoltán Kodálys Missa Brevis und der Lauretanischen Litanei von Francis Poulenc. Die ausdrucksstarke, ja inbrünstige Darstellung dieser oft dunkel-ätherischen Musik durch den in allen Lagen klangvollen Chor hat in den etwas blumig agierenden Solisten (Kodály) leider nicht die adäquatesten Partner.
Auf zwei CDs bieten Chor und Symphonieorchester des BR sowie den Regensburger Domspatzen unter Peter Dijkstra eine kommentierte Werkeinführung in Bachs Matthäuspassion. Die traditionell eher große Oratorienbesetzung bedingt trotz recht zügigier Tempi ein entsprechend volles und warmes, aber nicht aufgeweichtes Klangbild. Der Mehrwert liegt vor allem in einer systematischen (und nicht werkchronologischen) Erschließung durch die musikhistorischen und exegetischen Kommentare, welche die Dramaturgie und historischen Hintergründe des Werkes beleuchten.
Dokumentarischen Charakter und dabei hohes künstlerisches Niveau zeichnet schließlich auch die CD mit Aufnahmen der noch jungen Martha Argerich aus.
Ein höchst abwechslungsreicher Katalogauftakt also, der auf die Fortsetzungen gespannt sein lässt.
Sven Kerkhoff
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