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Reviews
Rossini, G. (López-Cobos)

Le Comte Ory


Info
Musikrichtung: Oper

VÖ: 02.08.2004

Deutsche Grammophon / Universal Classics (2 CD, DDD (AD: 2003, live) / Best. Nr. 022894775020)

Gesamtspielzeit: 130:29

Internet:

Deutsche Grammophon

Le Comte Ory



ROSSINI AUF FRANZÖSISCH

Wohl bei kaum einem anderen Komponisten ist das sprachliche Idiom so sehr mit dem musikalischen verwoben, wie bei Rossini. Das schnelle Plappern, das hysterische Durcheinanderrufen, die melodische Aufgeregtheit - all diese Eigenarten des Italienischen hat Rossini (1792-1868) in seine Opern einfließen lassen. Seine Musik auf einmal mit französischer Sprache zu hören verblüfft und irritiert daher zunächst. Mögen Sprache und Musik im "Comte Ory" dementsprechend auch nicht so ganz zueinander finden, ist dieses selten gespielte Werk dennoch ein typscher Rossini.
Das von Eugène Scribe und Charles-Gaspard Delestre-Poirson stammende Libretto geht zurück auf eine wesentliche ältere Ballade vom Grafen Ory. Dieser stellt um 1200 lieber den Frauen nach, als sich auf den gefährlichen Kreuzzug zu begeben. Als Eremit verkleidet "belagert" er die Burg der Gräfin von Formoutiers, deren Gatte an eben jenem Kreuzzug teilnimmt. Die Gräfin fühlt sich einsam und fragt den Eremiten um Rat. Er empfiehlt ihr, sich neu zu verlieben und glaubt natürlich, sich selbst so ins Spiel bringen zu könne. Das Interesse der Gräfin gilt aber Orys Pagen, Isolier. Zunächst kommen indes beide nicht zum Zuge, da Orys Tarnung durch das Erscheinen seines Erziehers auffliegt.
Im 2. Akt verfolgt er eine andere Strategie: Mit seinem Gefolge hat er sich als Gruppe frommer Pilgerinnen getarnt, die Einlaß in die Burg der Gräfin begehren, um vor den unsittlichen Nachstellungen des Grafen Ory sicher zu sein. Hier nun aber enttarnt Isolier seinen Herrn in letzter Sekunde, bevor dieser sich der Gräfin nähern kann. Doch anders, als der Page hoffte, kommt ihm dies nicht zugute, denn plötzlich kehrt der Hausherr vom Kreuzzug zurück und alle müssen so tun, als würden sie sich über seine Rückkehr freuen. Der Witz ist, dass es keine Schlußpointe gibt. Ory kommt ungestraft (aber auch unbelohnt) davon; wie es mit der Gräfin, ihrem Mann und mit Isolier weitergehen wird, bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen.
Die Verstellungen, dramatischen Zuspitzungen und Pikanterien der Handlung gaben Rossini reichlich Gelegenheit, sein Können auszubreiten. Dabei griff er bei der Vertonung des ersten Aktes im wesentlichen auf die Musik seiner Oper "Il viaggio a Reims" (dazu jüngst hier eine DVD-Besprechung)zurück; selbständiger entwickelte er hingegen den zweiten Akt. Das sog. Parodie-Verfahren schadet dem Effekt der Komposition aber in keinem Augenblick.

Die Aufführung unter Jesús López-Cobos, die beim Rossini Festival 2003 im italienischen Pesaro live mitgeschnitten wurde, verhilft dem lange vernachlässigten Werk durchaus zu seinem Recht. Die Tempi werden straff genommen, die Ensembles sorgfältig und quirlig gestaltet. Allerdings ist das Klangbild recht eng, stumpf und eindimensional, so dass mancher orchestrale Effekt verlorengeht. Ohnehin geht das Orchester des Teatro Communale di Bologna manchmal etwas plump zu Werke. Der Dirigent, erfahren im Umgang mit Rossinis Musik, präsentiert sie hier mit etwas weniger Esprit als sonst, dafür mit viel Schmiß und "Tschingderassa". Damit wird ihr bisweilen die Luft zum Atmen genommen. Insofern reicht die Einspielung nicht an die (Mono-)Referenzaufnahme unter Gui aus dem Jahre 1959 heran, in der das Rauschhafte, Schwindelerregende und Lebendige des Werkes besser zur Geltung kommt, die aber wegen der naturgemäß schlechten Klangqualität keine zeitgemäße Alternative darstellt.
Als Star konnte für die Darstellung der Hauptfigur in Pesaro im letzten Jahr der vielumjubelte Juan Diego Flórez gewonnen werden. Sein junger, kräftiger Tenor paßt gut zum Weiberhelden Ory und sein "Hohes C" ist mittlerweile berühmt, doch führt Flórez seine Stimme mit zuviel selbstverliebter Brillanz und zu wenig Gespür für die Rolle. Besonders störend wirkt dabei sein stetes Forcieren der Spitzentöne. Treffsicher ist er dabei allerdings ganz unbestreitbar.
Neben diesem Star brauchen sich Damen in der Aufnahme nicht zu verstecken: Stefania Bonfadelli meistert die anspruchsvolle Partie der Gräfin mit Bravour, konturiert sie scharf und mit nur wenigen kleinen Unsicherheiten. Marie-Ange Todorovitch vermag als Page Isolier zu gefallen.
Einen gediegenen Bass präsentiert Alastair Miles in der Rolle des Erziehers, während Bruno Praticò als Raimbaud (Kumpan des Grafen Ory) überwiegend atem- und glanzlos, dazu noch mit schlechtem Französisch singt.

Die Aufnahme ist, mag sie auch insgesamt nicht mustergültig geraten sein, wegen des unverbrauchten Charmes des Librettos und der Musik unbedingt eine Bereicherung für jeden Opern- und Rossini-Fan.



Sven Kerkhoff



Trackliste
CD I: 1. Akt
CD II: 2. Akt
Besetzung

Juan Diego Flórez, Tenor - Le Comte Ory
Alastair Miles, Tenor - Le Gouverneur
Marie-Ange Todorovitch, Mezzosopran - Isolier
Bruno Praticò, Bassbariton - Raimbaud
Stefanie Bonfadelli, Sopran - La Comtesse de Formoutiers
Marina de Liso, Alt - Dame Ragonde
Rossella Bevacqua, Sopran - Alice

Prague Chamber Choir
Orchestra del Teatro Comunale di Bologna

Ltg. Jesús López-Cobos


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