Porpora, N. A. (Petrou)

Polifemo


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 08.09.2023

(Parnassus / Note 1 / 3 CD / 2021-22 / Artikelnr. PARARTS003)

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Produktionsseite Polifemo



RIESIG

Nicola Porporas (1686-1768) Musik haftet unserer Tage noch immer das Verdikt an, rein auf den oberflächlichen Vokaleffekt zugeschnittene Opernartistik zu sein. Dass in seinen Werken weit mehr steckt und sein Triumphzug durch ganz Europa kein Zufall war, beweist diese Aufnahme der 1735 uraufgeführten Oper "Polifemo". Bei wem es nicht sofort klingelt: Es ist das Werk mit jener nicht zuletzt durch Corbieaus Farinelli-Film (1994) berühmt gewordenen Arie "Alto giove".

Zu entdecken gibt es darin aber - neben sehr reizvoll originellen Ensembles - weit mehr: Einen vokal in absurden Intervallen springenden, gewalttätigen, aber auch mit einer grotesk niedlichen Schlummerarie versehenen Riesen, stimmlich in schwärzestem Schwarz und mit körperreicher Agilität vorgestellt durch Pavel Kudinov. Einen diesem Riesen zum Opfer fallenden und als Gott wiederauferstehenden Aci, den der Countertenor Yuriy Mynenko in Farinellis Fußstapfen mit großem Volumen und bruchlosen Registerwechseln gibt, so dass jenes "Alto giove" vielleicht nicht die maximale Süße, dafür aber die aberwitzige Triumpharie "Senti il fato" eine großartige Strahlkraft erreicht, wenngleich diese gelegentlich ihren Tribut in Form von Metall und Vibrato fordert ("Lusingato dalla speme"). Die von ihm geliebte Nymphe Galatea gibt Julia Lezhneva mit staunenswerter Koloraturkunst bei gleichzeitig zauberhaft leichtem Tonansatz, jedoch in ihrer großen Trauerarie auch mit der nötigen Gravitas. Der künstlerische Spiritus Rector der u.a. in Wien, Salzburg und Bayreuth sehr erfolgreichen Produktion, Counter Max Emanuel Cencic, hat sich klug für die Rolle des secondo uomo Ulisse entschieden, dem er einen kernig-heldenhaften Stimmcharakter verleiht. Auch Sonja Runje (Calipso) und Narea Son (Nerea) überzeugen in ihren Rollen durchweg.

Dramatische Zugkraft entfaltet das Ganze durch das engagierte, zupackende Dirigat von George Petrou, der mit der auf historischen Instrumenten musizierenden Armonia Atenea fast mehr an Farbigkeit herausholt, als in Porporas oft vergleichsweise wenig komplexem, wenngleich instrumental vielfältigem Orchestersatz eigentlich steckt. Hier ist an den Details lange gefeilt worden und bis ins Continuo hinein werden immer wieder kleine Überraschungsmomente eingestreut, die dem Orchesterklang Lebendigkeit verleihen und das Bühnengeschehen geschickt kommentieren oder doppeln. Auch die drei (!) Cembali tragen dazu quecksilbrig das ihre bei.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Julia Lezhneva, Narea Son: Sopran
Max Emanuel Cencic, Yuriy Mynenko: Countertenor
Pavel Kudinov: Bass
Sonja Runje: Alt

Armonia Atenea
George Petrou: Ltg.


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