Starborn
Savage Peace
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Starborn haben ihr Hauptquartier zwar im nordenglischen Newcastle-upon-Tyne aufgeschlagen, aber das hört man ihnen musikalisch nur bedingt an. Zunächst läßt das doch recht zackige Bandlogo deutlich heftigere Klangeruptionen vermuten als die, welche in den acht Songs auf Savage Peace dann letztlich zu hören sind – und ebendiese würde man bei einem Blindtest eher in den USA verorten als in England, denn das Quintett spielt denjenigen Substil des traditionellen Metal, den man gemeiniglich als US-Metal zu bezeichnen pflegte und womit man meinte, dass diese Bands zwar fast alle von Iron Maiden beeinflußt wurden, aber sich speziell deren progressiv angehauchten Schaffensteil als Vorbild genommen haben, will heißen etwas komplexer agierten, melodisch durchaus weniger zugänglich waren und oftmals einen sehr hohen Leadgesang darüberlegten. Bruce Turnbull, der bei Starborn am Mikrofon steht, gehört da keineswegs zu den extremsten Vertretern seiner Zunft, aber er beherrscht sein Handwerk natürlich trotzdem aus dem sprichwörtlichen Effeff, was auch nicht weiter verwundert, wenn man in seiner Danksagung im Booklet seine „friends and colleagues at the choir at St. Augustine’s“ entdeckt – er ist also entweder Profisänger oder zumindest gründlich sängerisch ausgebildet und weiß somit, wie er mit seiner Stimme umzugehen hat, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Vor diesem Hintergrund handelt es sich also offenbar um Absicht, wenn Gitarrist/Hauptkomponist Christopher A. Foley die Gesangsmelodien so anlegt, dass sie sich bisweilen nicht auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Hördurchlauf symbiotisch dem instrumentalen Unterbau anschmiegen, sondern auch mal kratzbürstige Harmoniestrukturen auffahren. Dass Foley durchaus anders kann, wenn er will, zeigt er etwa mit dem hymnischen Refrain von „Beneath An Iron Sky“, den man schon bei der ersten Wiederkehr problemlos mitsingen kann, ohne Überraschungen befürchten zu müssen, während andere Gesangspassagen in diesem Song eindrucksvoll Turnbulls technisches Können unter Beweis stellen, wenn der Vokalist eine Oktave nach ganz oben gleitet, ohne dass ihn das offenbar irgendwelche Anstrengung kostet. Der Refrain von „I Am The Clay“ wiederum zählt zu jenen, deren Erschließung deutlich mehr Zeit kostet, weil Turnbull erst im allerletzten Moment auf den in der klassischen Harmonielehre angestrebten Ton wechselt oder das eben gar nicht tut. Wer freilich mit Fates Warning zu No Exit-Zeiten zurechtgekommen ist, der wird mit Starborn vermutlich auch kein Problem haben.
Fates Warning sind überhaupt ein gutes Stichwort, denn an eine etwas stärker powermetallisch ausgerichtete Version jener Combo in der zweiten Hälfte der Achtziger fühlt man sich bei dem einen oder anderen Arrangement Foleys durchaus erinnert, ohne die extremen Höhen in den Vocals freilich und auch ohne die düsteren und/oder alternativen Anstriche, die Jim Matheos ab Perfect Symmetry verstärkt einzubasteln begann. Foley setzt im Zweifel eher auf den Zusatz klassischer Power-, Speed- oder Epic-Metal-Elemente, wobei die Geschwindigkeit allerdings zumeist unter der Speedgrenze liegt und selbst flott anhebende Nummern wie „Lunar Labyrinth“ oder „Darkness Divine“ bald vielschichtige Tempi auffahren, Drummer James Charlton aber auch weiterhin zumindest ab und zu Gelegenheit zu schnellen Stakkati offerierend. Die Rhythmusgruppe haben sich Turnbull, Foley und der zweite Gitarrist Sean Atkinson übrigens von den Kollegen Spartan Warrior „geliehen“, wobei Charlton und Bassist Dan Rochester (beide mit Sonnenbrille und Glatze fast identisch aussehend) allerdings nicht zur klassischen Achtziger-Spät-NWoBHM-Besetzung gehörten, sondern erst nach der Reunion dazustießen, als die in selbige anfangs noch involvierte originale Rhythmusgruppe ausschied. Klassische NWoBHM-Anklänge gibt es in der Musik von Starborn denn auch eher begrenzt, wobei man allerdings generell festhalten muß, dass Foley zwar interessant strukturierte Songs zu schreiben in der Lage ist, aber an der einen oder anderen Stelle im Bemühen um Abwechslungsreichtum und Progressivität übers Ziel hinausschießt, wenngleich sich nach etlichen Durchläufen die eine oder andere Idee langsam doch noch zu erschließen beginnt, z.B. der anfangs noch wie angeklebt wirkende Doompart am Ende des Openers „Existence Under Oath“, während Charltons kurzer Blastspeed-Ausflug in „Unwelcome“ titelgemäß unwillkommen daherkommt und man den Akustikpart, der in „Inked In Blood“ unter dem ersten Gesangseinsatz liegt, aber kaum weiterentwickelt wird, irgendwie für unter Wert geschlagen zu halten geneigt ist. Freilich geht so etwas wie letztgenanntes durchaus als Luxusproblem durch, und Foley weiß durchaus, wann er mit griffigen Riffs wieder Ordnung zu schaffen hat, und tappt nicht in die Falle vieler neuzeitlicher Progmetalbands oder gar der Mathcorefraktion, wo Dutzende Songideen einfach so aneinandergereiht werden, das Ergebnis dann aber austauschbar, identitätslos und überambitioniert wirkt. Diesen Fallstrick wissen Starborn gekonnt zu umgehen, auch in längeren Songs, von denen Savage Peace gleich vier enthält, je einen Sechs-, Sieben-, Acht- und Neunminüter, während sich auch die anderen vier Songs zwischen 4:56 und 5:37 einpendeln, also durchaus nicht gar zu kompakt arrangiert sind. Der Neunminüter ist der Titeltrack, der das Album abschließt und derjenige ist, der die meisten Querverweise zum klassischen Epic Metal mit sich herumträgt. Foley und Atkinson zeigen nochmal ihr ganzes Können als Gitarristen (das Booklet vermerkt übrigens in klassischer Manier, wer welches Solo spielt, auch wenn nicht jedes Solo genannt wird und beispielsweise das eröffnende im Opener „Existence Under Oath“ gleich mal fehlt), und so gelingt ein gutklassiger Abschluß eines auch in seiner Gesamtheit gutklassigen Debütalbums (2015 gab es schon eine EP namens The Dreaming City, die dem Rezensenten allerdings unbekannt ist), dem für ein richtiges Highlight zwar auch nach etlichen Durchläufen noch die richtigen Höhepunkte fehlen, das aber die intensivere Beschäftigung durchaus lohnen kann, wenn man dem geschilderten Stil grundsätzlich nicht abhold ist. Beim nächsten Mal dürfte dann allerdings gern auch ein etwas besseres Coverartwork herumkommen als die hier zu sehende, eher unbeholfen wirkende Hexenverbrennungsszene, die zwar nicht ganz die Abgründe von Fates Warnings Night On Bröcken erreicht, aber nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt ist.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Existence Under Oath | 7:26 |
2 | Unwelcome | 5:28 |
3 | Beneath An Iron Sky | 5:38 |
4 | I Am The Clay | 8:07 |
5 | Lunar Labyrinth | 4:56 |
6 | Darkness Divine | 5:09 |
7 | Inked In Blood | 6:41 |
8 | Savage Peace | 9:35 |
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Besetzung |
Bruce Turnbull (Voc)
Christopher A. Foley (Git)
Sean Atkinson (Git)
Dan Rochester (B)
James Charlton (Dr)
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