Hochglanz ohne Substanz - Sarah-Louise James portraitiert Adele
Vor einiger Zeit hatte ich ein Promo-Exemplar der Biographie des Anthrax-Gitarristen Scott Ian angefordert, und ein eifriger Mitarbeiter des Verlags hat sich wohl gedacht: „Da ist jemand, der sich für Acts interessiert, die mit A anfangen, also lege ich ihm mal gleich die Adele-Biographie mit in den Umschlag.“ Ich hatte den Namen Adele schon mal gehört – mehr nicht. So ging ich völlig unvorbelastet an die 176 großzügig, oft ganzseitig bebilderten Seiten heran, die das Buch fast zu so etwas wie einem sehr ausführlich kommentierten Bilderbuch machen. Sarah-Louise James beschreibt Adele Adkins zu Beginn des Buches als einen „völlig durchschnittlichen Teenager“, 14 Jahre alt (Seite 6). Das belegen die Fotos. Adele begegnet uns als nicht unattraktives, etwas pummeliges Mädchen mit rundem Gesicht und leichter Tendenz zum Doppelkinn, das offenkundig noch keine Stilberatung über sich ergehen lassen musste, und im lockerem Schlabberlook etwas selbstgestrickt durch die Welt rennt. Sympathisch! Aber dann kommt das außergewöhnliche, einzigartige Talent von Adele, von dem sich Sarah-Louise James auf praktisch jeder Seite völlig begeistert zeigt – ein Talent, das so unwiderstehlich ist, dass Adele praktisch ohne jedes eigene Zutun zum Star wird. Jedenfalls lässt Sarah-Louise James das so erscheinen. Dass sich Adele selber irgendwann einmal Gedanken darüber gemacht hat, wie sie ihre Karriere voran bringt, dass es da Manager und Plattenfirmen gegeben haben könnte, die Marketing-Strategien und Promotion-Kampagnen entwickelt haben, davon scheint Frau James nichts zu ahnen. Die immer unaufhaltsamere Karriere von Adele erscheint wie ein Naturereignis, das sich einfach so aus sich selbst ereignet. Am Ende des Buches ist Adele zur jungen Frau gereift, die sicher nicht den Idealen gertenschlanker Models entspricht, aber mit längeren Haaren, Make up und entsprechender Garderobe eine attraktive Erscheinung geworden ist, wie ein Foto an der Seite von Sir Paul McCartney (Seite 168) deutlich zeigt. Was Sarah-Louise James hier abliefert ist ein 90-seitiger Promotext, der mit Bildern auf Buchlänge gebracht wurde. Als Biographie völlig unglaubhaft. Dadurch wird alles, was sie an Fakten liefert, zweifelhaft. Solle Adele mehr sein als ein designtes Kommerzprodukt, hat man ihr mit diesem Buch keinen Gefallen getan. Es taugt eigentlich nur als erweiterte Bravo Homestory für 14-jährige „völlig durchschnittlichen Teenager“. Norbert von Fransecky |
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