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25 Years after - Mein Leben mit der CD; Folge 54: Gianna Nannini - Tutto live
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Klar, die Musik, die ich höre, ist alte Musik. Und zwar praktisch alle Musik, die ich höre - zumindest wenn ich mit meinen Schülern spreche. Aber für die ist ja alles, was keine 2010 vor dem Komma stehen hat, alte Musik. Meine Frau liebt allerdings tatsächlich Alte Musik. Und die Schnittmengen zwischen unsern Musikgeschmäckern sind recht klein. Einige Flower Power Sachen gibt es da – überraschender Weise auch Black Sabbaths „Paranoid“ und - wie ich kürzlich bemerkt habe, als ich eine relativ neu erschienene Live-CD beim Abwaschen hörte – „Gamma Ray“ von den Kraut-Hard Rockern Birth Control. Und dann gibt es da noch eine Dame aus Italien. Und da ich mir deren Live-CD vor 25 Jahren im Geburtstagsmonat meiner Frau gekauft habe, scheint mir das Grund genug zu sein, Tutto live zum 54. Album zu machen, das in dieser Kolumne besprochen wird.
Ich erinnere mich noch gut, wie Anfang der 80er eine neue, ungewöhnlich aggressive Frauenstimme rau ihr „America“ ins Radio und in die Rock-Discos röhrte. Super geil! Und ambivalent! Denn die born 50s and later mussten gerade mit ihrem Verhältnis zum großen Bruder jenseits des großen Teichs klar kommen.
Auf der einen Seite war man kulturell total von Amerika geprägt. Musik, Mode, Filme. Da war Amerika angesagt. Man kannte die Straßen von San Francisco und Kojaks Manhattan besser als Düsseldorf oder Frankfurt. Und während ich natürlich wusste in welchem Bundesstaat Dallas lag, hätte ich Schwierigkeiten gehabt zu sagen, welche der drei Städte Königsberg, Danzig oder Görlitz zurzeit zufällig gerade mal zu „dem anderen“ Deutschland gehörte.
Selbst politisch war man von den USA geprägt. Da gab es Joan Baez und Martin Luther King, den Neu New Yorker John Lennon, die Gebrüder Berrigan, Hair und und und … im christlichen Bereich Jim Wallis und Ronald J. Sider. Aber natürlich war es auch die Zeit, in der die USA sich mit der atomaren Überrüstung der Reagan Administration zum Feindbild Nummer 1 aller politisch noch halbwegs klar denkenden Menschen gemacht hatten
Lange nachgedacht hat man aber nicht darüber, was Frau Nannini nun wohl über „America“ und „California“ auf Italienisch zu sagen hatte. Denn die Musik war einfach zu geil. Und wer der Freiheitsstatue auf dem Plattencover statt der Fackel einen Vibrator in die Hand drückte, konnte ja so falsch nicht sein.
Mit den Alben California und Latin Lover hatte sich Gianna Nannini schnell als feste Größe in der deutschen Rock-Szene etabliert. Tutto live feiert genau diesen Zeitpunkt ab. Gut so, denn bald verabschiedete sich die Sängerin aus dem (Hard) Rock Kontext und wimpte im Italo-Pop aus. Das kann man mögen oder nicht, mit ihren Großtaten hatte es jedenfalls immer weniger zu tun.
Norbert von Fransecky
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