Musik an sich


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Konzert-des-Jahres-Alarm in München: Armored Saint beim Free & Easy Festival




Info
Künstler: Armored Saint

Zeit: 02.08.2015

Ort: München - Backstage Halle

Internet:
http://armoredsaint.com
https://www.facebook.com/thearmoredsaint

Die Kult-Metaltruppe Armored Saint um den Ausnahmesänger John Bush ist hierzulande außer auf Festivalauftritten selten zu sehen. Eine Tour würde sich für die leider vom kommerziellen Erfolg sträflich vernachlässigte Metalband kaum lohnen. Umso interessanter ist dann schon ein Auftritt, der im Rahmen des Münchner „Free And Easy“-Festivals stattfindet, der nichts kostet und bei dem sogar eine Live-DVD mitgeschnitten wird! Drei Vorbands sind natürlich nichts für schwache Nerven. Auf der anderen Seiten bietet das die Chance, Nachwuchsbands oder unbekannte Combos kennen zu lernen.

Die erste Band SKULLWINX ist eine Nachwuchsband, die sich dem Metal der 80er-Jahre verschrieben hat. Die noch vergleichsweise junge Truppe rockt sich amtlich durch ihr 30-minütiges Set. Ihr Debütalbum Mission Of Heracles wurde vor kurzem veröffentlicht. Ihren Stil beschreibt die Band als „Epic Speed Metal“. Dabei bleiben sie stets nah an den klassischen Bands dieser Dekade. Ihr eigenes Songmaterial zelebrieren sie stilecht und authentisch. Das vorletzte Lied ist eine Coverversion von den Pretty Maids: „Back To Back“. Dieser Brecher ist zu viel für einen der beiden Gitarristen, dessen Instrument fällt hier leider aus. Trotzdem schaffen es die Jungs, den Song zu Ende zu spielen und danach noch einen letzten Song aus der eigenen Feder zu präsentieren. Sänger Johannes Haller ist Ronnie Atkins nicht unähnlich und bringt seine Stimme sehr gut zur Geltung. Insgesamt ein solider Auftritt mit Luft nach oben.

Nach einer kurzen Umbaupause kommt MIDRIFF auf die Bühne. Das Trio aus Österreich spielt ein Gebräu aus Stoner- und Hardrock. In der Mitte der Bühne ist das Schlagzeug postiert. Schlagzeuger Paul verdrischt sein Instrument mit Wucht und singt auch noch sehr gut dazu! Man merkt nicht, dass hier „nur“ drei Musiker auf der Bühne sind. Die drei versprühen eine Intensität, als wären sie zu fünft. Der Bass-Sound hier ist der Oberhammer. Hier treibt das Instrument den Gesamtsound brachial nach vorne. Zuhause würde ich mir diese Art von Musik niemals reinziehen, aber live geht die Post ab und es macht sehr viel Spaß, dem spielfreudigen Trio zu lauschen. Der Enthusiasmus der Band überträgt sich in Windeseile auf das Publikum, die Stimmung ist super.Als Bassist Jele noch einen Karton voller kleiner Jägermeisterfläschchen ins Publikum gibt, ist das Eis vollends gebrochen und der triumphale Auftritt geht unter dem riesigen Jubel der Fans zu Ende. Fazit: Midriff haben ihre Chance mehr als genutzt. Eine bessere Eigenwerbung kann man hier nicht machen. Interessant ist auch das Merchandise-Material der Truppe. Eine derartige T-Shirt-Variationsdichte habe ich so noch nicht erlebt. Man könnte fast sagen, die Band hat sich das Motto „Jedem Fan sein eigenes T-Shirt“ auf ihre Fahnen geschrieben.

Als dritte Vorband fungieren MYSTIC PROPHECY, die mittlerweile schon so einige CDs veröffentlicht haben. Der wuchtige Power Metal des Quartetts geht amtlich nach vorne und peitscht das Songmaterial unters Metal-Volk. Sänger Roberto Dimitri Liapakis hat eine tolle Röhre, die gut zu dem Songmaterial passt. Er hat Allgäuer Wurzeln, einen entsprechenden Dialekt und macht hier den einen oder anderen Witz darüber. Das nervt im Gegensatz zu manch anderen Sängern (z. B. Tobias Sammet, Claus Lessmann) jedoch nicht, sondern ist gut ausgewogen. Das Songmaterial der Band ist teilweise sehr brachial, manche Songs sind wieder im Midtempo-Bereich angesiedelt. Power-Metal ist generell nicht so mein Ding, die ruhigeren Songs gefallen mir jedoch ganz gut. Textlich peinlich wird’s bei „We Kill, You Die“. Aber wer Manowar kennt, kann mit so was umgehen. Bassist Connie Andreszka ist aus mir unbekannten Gründen nicht mit von der Partie, wird aber auch nicht vermisst. Die beiden Gitarristen Markus Pohl und Laki Ragazas spielen sich förmlich um Kopf und Kragen und zeigen ein amtliches 80er-Jahre-Posing, das man so nicht mehr so häufig findet. Black Sabbaths „Paranoid“ sorgt für die Zugabe und fügt sich gut ins eigene Songmaterial ein. Insgesamt ein brettharter, musikalisch einwandfreier Gig, der mir jedoch ein paar Songs zu lange gedauert hat.

Die Spannung steigt im Backstage, das mittlerweile sehr gut gefüllt ist. Um 22.30 Uhr kommt der Judas-Priest-Song „Delivering The Goods“. Danach geht der Vorhang auf und ab geht die Post! ARMORED SAINT starten mit „Win Hands Down“, dem Titeltrack des neuen Albums. Das äußerst textsichere Publikum, das zuvor auf die Aufnahme einer Live-DVD aufmerksam gemacht wurde, geht von Beginn an steil und feiert die seltenen Gäste wie verlorene Söhne. Sänger John Bush, der fantastisch bei Stimme ist und die sprichwörtlichen Hummeln im Hintern hat gibt während der 90 Minuten alles und schont sich zu keiner Sekunde. „March Of The Saint“ wird geradezu von den Fans zelebriert, viel zu selten hört man solche Metal-Granaten in unseren Breitengraden live.

Die Band ist musikalisch eine wahre Ausnahmeerscheinung. Bassist Joey Vera, den ich schon immer mal live sehen wollte, hat einen riesigen Aktionsradius auf der Bühne. An seinem Bass ist eine Kamera installiert, die auf seine Finger gerichtet ist. Das kann man sicher später auf der DVD bestaunen. Und sein Bassspiel ist einmalig! Er spielt alles mit den Fingern und pumpt dabei die Band auf hohem Niveau durch das komplette Set! Dabei übernimmt er große Teile des Background-Gesangs und peitscht das Publikum immer wieder nach vorne. Rhythmisch unterstützt wird er dabei vom kantigen Gonzo Sandoval. Dieser Großmeister der Präzision lässt der Band keine Atempause und treibt seine Vorderleute stets nach vorne. Sein Bruder Phil Sandoval und Jeff Duncan bilden ein Gitarrengespann, das seinesgleichen sucht. Mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit spielen sie sich die Solo-Passagen zu. Bei ihnen wirkt das ganze lässig und leicht, als wäre es das einfachste von der Welt. Jeff Duncan singt dabei noch tolle Backing-Vocals und ist der „Mr. Cool“ der Truppe. Dies zeigt sich bei der Zugabe, die er mit Kippe im Mund spielt.

John Bush hat das Publikum stets im Griff. Seine Ansagen sind kurz und knackig, manchmal macht auch er einen Witz, den man sogar versteht. Pausen zwischen den Songs gibt es so gut wie keine. Nach dem für mich besten Song des Abends - „Aftermath“ - geht es fast ohne eine Pause weiter mit dem fulminanten „Reign Of Fire“, dem ersten Song der Kult-Scheibe Symbol Of Salvation. Erfreulicherweise werden von diesem hervorragenden Album die besten Songs gespielt. Nach „Can You Deliver“ geht das Quintett von der Bühne. So einfach geht’s natürlich nicht. Das Münchener Publikum fordert die sympathischen Amis vehement zurück auf die Bühne. Die lassen sich nicht lange bitten und hauen mit „Chemical Euphoria“, „Long Before I Die“ und dem finalen Nackenbrecher „Madhouse“ noch drei Songs vom Stapel, die dem Publikum sprichwörtlich den Rest geben. Der Jubel ist nach den gebotenen 90 Minuten groß. Fans und Publikum applaudieren sich gegenseitig zu, die Stimmung war während des kompletten Gigs phantastisch. Äußerst gut war auch der Sound. Einzig die Gitarren hätte man noch ein bisschen lauter drehen können, aber das ist Erbsenzählerei. Sympathisch finde ich auch, dass alle Vorbands diesen Sound genießen durften. Das ist mehr als fair und leider keine Selbstverständlichkeit bei Konzerten.

Fazit: Ein gelungener Konzertabend, der in dieser Form nicht allzu häufig bestaunt werden kann. Umso mehr ist es wichtig, dass Bands dieser Größenordnung vom Publikum unterstützt werden. Also: Arsch hoch, raus aus dem Fernsehsessel und ab zum Konzert!


Setlist Armored Saint:
Win Hands Down
March of the Saint
Nervous Man
Pay Dirt
Last Train Home
An Exercise in Debauchery
Raising Fear
Dropping Like Flies
Mess
Left Hook From Right Field
Aftermath
Reign of Fire
Can U Deliver
---
Chemical Euphoria
Long Before I Die
Mad House



Stefan Graßl



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