Capillary Action: Kreativität im Zeichen der Jungfrau
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Mit Capsized konnte die Band Capillary Action (und ihr Kreativkopf Jonathan Pfeffer) das bereits großartige Debütalbum noch einmal übertreffen. Der Sound wurde konsequent weiterentwickelt und steht ziemlich einmalig in der musikalischen Landschaft. Damit war es an der Zeit, ein paar Fragen an Bandgründer, Sänger, Songschreiber und Gitarrist Jonathan Pfeffer zu stellen.
Hallo Jonathan, könntest Du unseren Lesern etwas über Dich und Deine musikalische Laufbahn erzählen, da man „Capillary Action“ in Deutschland kaum kennt?
Ich heiße Jon und mein Sternzeichen ist die Jungfrau. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich mich sehr für Astrologie interessiere, aber man hat mir versichert, dass das so einiges erklären würde. Ich bin in New York geboren und in Philadelphia aufgewachsen. Ich habe das Projekt Capillary Action 2004 gestartet, als ich 17 Jahre alt war und den zweiten Jahrgang des Oberlin College in Ohio besuchte, aber erst 2008 haben wir mit unserer ersten Platte So Embarrassing ein erstes richtiges Statement abgegeben. Ich schreibe die komplette Musik und tendiere dazu, etwas zu methodisch für mein eigenes Wohlergehen zu arbeiten. Unsere zweite CD, Capsized ist in diesem Frühjahr erschienen und ich könnt nicht zufriedener damit sein.
Ich bin das einzig konstante Mitglied von Capillary Action unter einer wechselnden Schar enorm talentierter Musiker, aber im Moment kann ich mich glücklich schätzen, mit Julian Chin am Akkordeon, John DeHaven an der Trompete (beide spielten auch auf Capsized), Michael Harrist am Contrabass und Colin Hacklander am Schlagzeug zu spielen.
Interessierte Leser finden eine detaillierte Biografie von Capillary Action auf unserer Homepage (http://www.capact.com/about).
Ist Musik Dein Beruf? Hast Du Musik studiert, oder Dir alles selbst beigebracht?
Ich habe meinen Job als Multimedia-Koordinator bei einem Übersetzungs-Unternehmen aufgegeben, um dieses Jahr auf Tour gehen zu können. So kann man momentan – ob im guten oder im schlechten - schon sagen, dass Musik mein Beruf ist.
Ich habe mit in klassischer Musik alles selbst beigebracht und bin stur und starrköpfig, wie noch was, in etwa wie: "learn-by-doing-instead-of-swallowing-my-pride-and-asking-someone-who-actually-knows-what's-up-so-it-doesn't-take-5x-as-long"!
Wie sind die bisherigen Reaktionen auf die Veröffentlichung von Capsized (ich denke, es ist eine fantastische Platte)? Bist Du mit den Rückmeldungen zufrieden?
Danke! Ich bin ziemlich ermutigt durch die Reaktionen der Fans und der Leute, die in diesem Jahr schon zu unseren Shows gekommen sind, aber ich bin ehrlich gesagt ziemlich überrascht, dass die Platte die meisen Kritiker ziemlich verwirrt hat, die versuchten, sie zu rezensieren.
Ich kann die elitäre Perspektive nicht unterschreiben, dass man mit welch obskurer Referenz auch immer vertraut sein muss, um die Musik wirklich zu mögen (obwohl ich sagen würde, dass es das Verstehen vertiefen wird und damit auch die Freude daran). Das konnte man nirgends besser sehen als bei einem Workshop, den wir an der Iowa Elemantary School im Jahr 2007 gaben. Dort konnten wir eine Klasse im Kindergarten-Alter erleben, die total ausflippten, als wir spielten, ohne irgendetwas über „die Avantgarde“ zu wissen.
Es ist o.k. wenn das, was ich mache, einem nicht zusagt, aber was ich wirklich zum kotzen finde ist, wenn die Kritiker die Qualität meiner Musik in Frage stellen, anstatt zuzugeben, dass sie eigentlich nur verängstigt sind, weil sie die Musik nicht verstehen. Anstatt zu schreiben „das ist nicht mein Ding, aber der Kerl weiß genau, was er will“, bevorzugen sie zu lamentieren, wie ihrer Meinung alle ohne Bezug zueinander, aneinander vorbei spielen.
Ich denke eigentlich, dass es genug auf der Platte gibt, das es sich zu analysieren lohnt, um etwas interessantes darüber zu schreiben. Vielleicht ist das einfach auch zu viel für einen einzelne Person, die noch schnell etwas bis zur Deadline zuammenschreiben soll? Die Musik ist dafür gedacht, dass man sich damit beschäftigt, aber was kann man schließlich tun, wenn der Hörer sich nicht damit beschäftigen will?
Nimm bitte zur Kenntnis, dass ich das ohne eine Spur an Bitterkeit in meinem Herzen schreibe. Ich bleibe dabei, dass es ein Segen ist, wenn jemand das überhaupt anhören will.
Nun, ihr spielt einen komplett akustischen Sound (auch wenn der manchmal ziemlich heavy sein kann). War dieser komplett akustische Ansatz so gewollt oder hat sich das zufällig entwickelt?
Das war Absicht. Mit 21 habe ich entdeckt, dass ich jedes Mal, wenn ich eine elektrische Gitarre in den Verstärker einstöpselte, von Wellen unkontrollierbarer Schuld und Traurigkeit geschüttelt wurde weil mir bewusst wurde, dass ich in keinem kleinen Umfang, zum Untegang unseres Planeten beitrug. Mir wurde klar, es muss auch einen anderen Weg geben.
Werdet ihr auch in Deutschland touren, um Capsized zu promoten?
Wir waren gerade im Mai in Deutschland unterwegs, aber zum Glück für eure Leser, kommen wir im September wieder zurück. Schaut einfach immer wieder auf unserer Homepage nach (http://www.capact.com/tour).
Ist es schwierig, die aufgenommene Musik in die Live-Situation umzusetzen?
Es war weniger schwierig Capsized live zu spielen, als von den Demos zur fertigen Platte zu kommen.
Jonathan, Du scheinst ja der ‚Mann‘ hinter “Capillary Action“ zu sein. Wie wichtig ist der Einfluss der anderen Bandmitglieder? Sind sie nur die Spieler Deiner Musik oder gibt es auch von ihnen einen gewissen Beitrag an Ideen zu den Arrangements und dem Sound von “Capillary Action“, da jeder von ihnen ja selbst ein großartiger Musiker ist?
Meine Jungs sind alle höchst talentierte Musiker und es ist eine absolute Ehre und ein Privileg, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Ich würd sagen, der Einfluss der anderen Bandmitglieder besteht daran, wie die Musik interpretiert wird, weniger, wie sie ersonnen wird. In anderen Worten ist ihr Einfluss eher gefühlsbasiert, als ideenbasiert. Ich bin aber immer offen für Vorschläge der anderen, wenn es an die Arrangements geht, aber am Ende bin ich derjenige, der das letzte Wort hat.
Wie komponierst Du? Hast Du komplett ausgeschriebene Arrangments und Partituren oder jammt ihr auch?
Der Kompositionsprozess hat sich über die Jahre entwickelt… Ich habe früher die gesamte Musik an der Gitarre oder am Klavier geschrieben und habe dann den Bandmitgliedern ein grobes Modell ihres Parts geschickt. Für Capsized habe ich die gesamte Platte mit Garageband geschrieben. Dafür habe ich ein QWERTY Keyboard verwendet. Dann erarbeiteten wir die Songs von den Garageband Demos. Meine Hoffnung war, mitch vom fühlbaren Prozess des Komponierens abzutrennen und mich in eine Position zu bringen, bei der ich mich nicht auf meine getesteten und mir bekannten musikschreibenden Methoden verlassen konnte. Ich denke, es kamen dabei einige wirklich überraschende Ideen heraus. So in der Art wie Mike Dirnt den Basslauf für ‚Longview‘ geschreiben hat, während er auf einem LSD-Trip unterwegs war.
Die Arrangements waren für die meisten Teile vorhanden, aber ich muss gestehen, dass ich noch keine wirklichen geschriebenen Partituren habe.
Jammen ist bei bei Capillary Action nicht erlaubt.
Wie würdest Du selbst die Musik beschreiben? Für mich ist es eine Art progressiver, experimenteller Zappa-like Musik.
Unser Schlagzeuger Colin mag die Beschreibung, die ich für den Pressetext geschrieben habe: „komplett akustischer Avant-Pop der Ives und Bartók, brasilianische Arbeiterlieder und bulgarische Chormusik, UK Grime und Philly Soul in sich aufsaugt.“
Ich habe nichts gegen Zappa oder gegen progressive Musik, aber ich bin, wenn ich ehrlich bin, kein Fan von all dem. Natürlich, „We’re Only In It For The Money“ ist ziemlich cool, aber ich würde nicht sagen, dass das meine Arbeiten irgendwie beeinflusst hat.
Welches sind Deine Haupteinflüsse (es sollte da eine Menge geben ;-) )?
Egon Schiele, Raekwon's „Only Built 4 Cuban Linx“ und der Ausdruck, „Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann mach Limonade daraus“.
Verwendest Du verschiedene Gitarren oder hast Du ein Hauptinstrumenr? Welche Amps und welche Effekte verwendest Du? Hast Du die Konzertgitarre nur mit einem Mikrofon aufgenommen, oder sind dabei Amps oder Effekte zum Einsatz gekommen?
Ich habe auf Capsized nur meine Tamakine und ein Paar SM81-Mikrofone verwendet. Kein Amp, keine Effekte. Alledings benutze ich bei drei Songs einen Capo.
Der Sound von Capsized ist sehr klar und knackig. Wie wichtig war die Hilfe von Sound-Engineer Rober Cheek?
Robert war sehr entscheidend für den Sound von Capsized. Neben dem kompletten Steuern der mehr fachlichen und technischen Aspekte des Aufnahmeprozesses war es für mich fast ein Traum mit jemandem zusammen arbeiten zu können, dessen Ethos und aufrichtige Leidenschaft für das Projekt mit meiner Einstellung übereinstimmte. Ich kann gar nicht genügend Positives über ihn sagen.
Ist es nicht ein Risiko, solch eine ‚nicht-kommerzielle‘ Platte heutzutage zu veröffentlichen?
Meinst Du das Risiko, extreme persönliche Erfahrungen mit einem Publikum zu teilen? Das Risiko so komplizierte Musik zu spielen, dass wir es nicht durchziehen könnten? Das Risiko Musik für ein Publikum zu spielen, das dafür nicht empfänglich ist? Das Risiko ein Album zu veröffentlich mit echt herausfordernder Musik in der ‚Chillwave‘ (c) Ära? Das Risiko, ein weiteres physisches Produkt zu veröffentlichen im Zeitalter der digitalen Downloads?
Eine interessante Frage, die Du da in den Raum stellst und eine, die verschiedene Interpretationen zulässt.
Eine der wichtigsten Lektionen die ich von meinem Studium an der Universität gelernt habe war, dass es drei Zutaten für große Kunst gibt: die ursprüngliche Idee, wie gut die Idee ausgeführt wird und wie viel persönliches Risiko der Künstler trägt. Vielleicht ist es das, weshalb ich das Gefühl habe, dass Risiko in jeder kreativen Arbeit die ich mache, beinhaltet sein muss. Letzten Endes ist es wichtig, dass diese Musik zu meiner persönlichen Freude (und meiner Gesundheit) existiert. Ich denke, dass ich den Zwang befriedigen muss alles zu unternehmen, damit ich es letzendlich durchschaue.
Gibt es noch etwas, das Du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Bespater Peter!
Ingo Andruschkewitsch
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