Tomas Bodin
I am
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Ein zweiter Neal Morse steht uns in Tomas Bodin wohl nicht bevor, auch wenn die Parallelen zwischen Testimony und I am nicht zu übersehen sind. Wie Morse erzählt Bodin von einem Mann, der sich in ein Leben verstrickt, dass ihm weder Glück noch Erfüllung bringt. In Bodins Fall handelt sich um einen Mann, der eine erfolgreiche Karriere in einem 9 to 5 Job gemacht hat, um die Erwartungen seiner Mutter zu erfüllen. Er bricht dann aus den Erwartungshaltungen aus, was nicht ohne Schmerzen, späte Konflikte mit der Mutter, Rückschläge und (Selbst)Zweifel abgeht. Wie bei Morse spielt auch in der Geschichte von I am Gott eine Rolle. Gleich der Opener ”The Beginning“ eröffnet wie eine Ouvertüre die transzendente Dimension von Spiritualität und Ewigkeit. Auf sie wird durch das Zitieren einzelner Zeilen immer wieder zurückgegriffen, so dass die Ouvertüre das Gesamtgeschehen zusammenbindet. Anders als bei Morse hat „Gott“ bei Bodin aber einen wesentlich offeneren Charakter. Zwar wird er auch hier personal gedacht. Gebete zu Gott sind also möglich und spielen bei I am auch eine gewisse Rolle. Aber eindeutig christliche Vorstellungen werden nicht transportiert. Auch das Ende ist anders. Während Morse fröhlich mit Hallelujah und Hosianna frohlocken kann, ist Bodins „Held“ in sich zerrissen. Ein Verhältnis zur Mutter war wieder herstellbar, aber als die Mutter stirbt, blickt der Held mit einer Mischung aus Liebe, Schmerz und verpassten Chancen auf sein Leben zurück. I am - eine Synthese aus Testimony und The Wall?
Musikalisch ist I am - sicher nicht sehr überraschend - maßgeblich von den 70ern geprägt. Eine angestrengt klingende Stimme baut bei “The Beginning“ massiv Spannung auf, die sich sofort in rockigen Keyboards im frühen Wakeman-Stil entladen und dann von Kirchenorgeln übernommen werden (”Wheel Spinner“). Im weiteren herrscht im ersten akt, I, ein ruhiger weiterhin von Wakeman-Keyboards geprägter Ton vor. Erst nachdem Bodin in verzweifelter Lage ein Gebet auf den Weg schickt (”They'll fight for me“) begeben sich heftige Gitarren ins Duell mit den Keyboards (“Fighters”). Ein weiteres von kraftvollem Sound untermaltes Gebet endet mit erneuten Kirchenorgeln (”War is over“). Der ruhige Abschluss des ersten Akts schlägt den Bogen textlich mehrfach zurück zu “The Beginning“. Das sehr ruhige, an entsprechende Stellen von The Wall erinnernde ”Aftermath“ geht dann in zwei Trostlieder über. “The Angel of Dreams” könnte fast von Marti Webb gesungen sein
Akt zwei, A, ist dramatischer. Harte Gitarren illustrierten rau und schleppend den bewusst gewagten Weg in die Krise, der bereits am Ende von “Take me home“ durch triumphalistische Kirchenorgeln begleitet wird. Spielerisch geht es weiter. Flöten, Anleihen an alte Genesis, überführen in eine Zukunft, die nach Love and Peace riecht. Der “Path of Decision” scheint sich zu lohnen. Teil I ist ein sehr schönes ruhiges Stück mit Piano und Vibraphon. ”The Prayer” mit ruhigem Gesang (The Wall) deutet eine eine Krise an. Der “Held” verliert die Kontrolle, aber nicht die Hoffnung. Er vertraut sich Gott an. Stimme und Piano werden kraftvoller. Chor und Orgel setzen ein. Der zweite Teil von “The Path of Decision” ist dementsprechend unruhiger und unklarer. Die begleitende E-Gitarre zeigt entfernte Gilmour-Parallelen. Der Chor könnte von der Dark Side … stammen. Vor der Entscheidung wird eine dramatische Soundkulisse aufgebaut. Der „Held“ ruft nach dem Licht – mit einer Stimme, die an Ian Gillan in der Rockoper Jesus Christ Superstar erinnert – dramatisch begleitet nacheinender von Keyboards, Gitarren und Piano.
Der Schlussakt, M, beginnt mit einer bitteren Anklage wohl an die Mutter. Ruhige Musik wird von harschen Gitarren abgelöst. Bereits im Opener “In the Land of Retrospect "Why/ 7 Days at Kingdom's Inn"” wendet sich der Held jetzt selbstbewusster seiner Mutter aber wieder zu. Die spirituelle Hilfe wir mit erneuter Bezugnahme auf “The Beginning“ einbezogen. “Voice macabre” ist ein gequälter Schrei der Selbstbehauptung. Der Text ist teilweise auch mit Textblatt kaum zu verstehen. Der Held weiß jetzt, wer er ist. Aber er kennt auch den Preis, den der Weg bis hierhin gekostet hat. Der “Dance macabre“ beginnt mit einem Synthesizer-Solo. Die eben noch sehr harten Gitarren werden positiver. Die Musik geht zum Licht. Hier sind durchaus Nähen zu dem oft kritisierten Ende von Neal Morses Testimony zu entdecken. Bei Bodin ist das Ende aber noch nicht erreicht. Von der Mutter emanzipiert erklingt der Ruf aus der Einsamkeit, ein Ruf nach Liebe, einem Zuhause, nach Wärme. Sehr ruhig erschient eine gepresste Stimme, die an den Anfang des Albums erinnert. Das abschließende Doppelstück “The Path of Light” beginnt sehr ruhig mit einem an Pink Floyd erinnernden Instrumentalteil. Dann nimmt der Held Abschied von der (verstorbenen?) Mutter. Ruhig steht er da. Sein Kampf mit und um die Mutter hat ihm keinen Triumph, aber Einsichten in den Kreislauf des Lebens gebracht.
Beeindruckend!
Norbert von Fransecky
Trackliste |
I (23:12) 1.1 The Beginning 1.2 Wheel Spinner 1.3 Day by Day 1.4 Mother's Heart 1.5 Speeder 1.6 They'll fight for me 1.7 Fighters 1.8 War is over 1.9 Aftermath 1.10 The Angel of Dreams 1.11 The Awakening
A (21:28) 2.1 Take me home 2.2 The Tree of Knowledge 2.3 The Path of Decision I 2.4 The Prayer 2.5 The Path of Decision II 2.6 Close the Deal 2.7 The Path of Decision III 2.8 The Tube of Reverse
M (18:43) 3.1 In the Land of Retrospect "Why/ 7 Days at Kingdom's Inn" 3.2 Voice macabre 3.3 Dance macabre 3.4 The Halls of Future 3.5 The Path of Light I 3.6 The Path of Light II |
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Besetzung |
Anders Jansson (Voc) Pernilla Bodin (Voc) Helene Schönning (Voc) Tomas Bodin (Keys) Jonas Reingold (B) Marcus Liliequist (Dr) Jocke JJ Marsh (Git)
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