From The Sky
Antarktika
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Anderthalb Jahre nach dem Erstling Rex bringen From The Sky den Zweitling Antarktika heraus, oberflächlich betrachtet in ähnlicher Struktur wie damals, nämlich mit vier Vorabsingles. Aber das neue Album hat noch auf andere Weise Verbreitung gefunden: Es lag der Februarausgabe 2023 des ungarischen Hammerworld Magazine als Promo bei, was der Band in ihrem Heimatland natürlich einen weiteren Popularitätsschub beschert haben dürfte. Der Terminus „Band“ ist mittlerweile auch etwas gerechtfertigter als zu Debützeiten: Zwar hält Multiinstrumentalist Szabolcs Tari die kreativen Fäden immer noch fest in der Hand, aber es gibt auch eine Quintettbesetzung, die mehr oder weniger stabilen Charakter zu haben scheint und die sich live durch Hinzunahme des Keyboarders Tamás Juhász (im Studio spielt Tari die Keyboards selbst) zum Sextett erweitert, wobei keiner dieser neuen Musiker an der Einspielung des Debüts beteiligt gewesen war. Dafür wirkt von damals Tamás Süle nach wie vor im Studio mit, als Drummer, Gitarrist und Sänger übrigens, während in der Livesituation die neue Rhythmusgruppe, also Bassist Péter Gilián und Drummer Árpád Halász Illés, neben dem Chef selbst die Vocals übernimmt. Die beiden neuen Gitarristen László Kiss und Márton Kertész hingegen haben im Studio die Leads eingespielt, während Süle und Tari für die Rhythmusgitarren verantwortlich zeichneten.
Vom Rex-Team ist allerdings noch jemand übriggeblieben, nämlich Zoltán Cserfalvi als Co-Produzent sowie Verantwortlicher für Mix und Mastering. Von daher verwundert es, dass Antarktika ungewöhnlich leise aus den Boxen schallt – an der Anlage des Rezensenten muß eine ganze Stufe höher aufgedreht werden, um die gleiche Lautstärke zu erzeugen wie bei Rex. Allerdings geht diese Art von Zurückhaltung auch mit einer musikalischen Entwicklung einher. Die alles überrennende Frische des Debüts ist einer kontrollierteren Herangehensweise gewichen, obwohl sich an den musikalischen Mitteln selbst nicht viel geändert hat und schon der Opener „Deus Incarnatus“ nach seinem orchestralen Intro gleich mit wilden Blastspeeds ins Haus fällt und zudem mit Gekreisch, Klargesang und deathmetallischem Growling auch gleich die ganze Palette des Gesanges aufgefahren wird. Dazu kommt hier sogar noch eine neue Zutat in Gestalt orientalisch anmutender Skalen, die sich gut ins Gesamtbild einpaßt. Danach flacht das Geschehen mit dem Titeltrack aber schon etwas ab, dem man irgendwie das Bemühen anhört, einen Modern-Gothic-Rock-Hit schreiben zu wollen, und sowas geht auf Kommando gern mal schief. Das Grundproblem besteht nun darin, dass es von dieser Kategorie Songs gleich eine ganze Herde auf Antarktika gibt, die dann letztlich alle ganz nett, aber eben nicht überragend klingen. Da war auf dem Debüt mehr Biß drin.
Natürlich hat Tari nicht von heute auf morgen das Füllhorn der Ideen verschüttet. Das classicmetallische Eingangsriff von „Lethe“ etwa besitzt Charme, und auch die Solobeiträge der beiden Neu-Gitarristen versprechen für die Zukunft einiges. Nur ist dann eben auch nicht jede Idee brandneu. Die Kreischpassagen in „Salus“ etwa werden mit markanten Keyboard-Streicherflächen unterlegt, und zwar in einer Weise, die Tristania schon vor einem Vierteljahrhundert auf ihrem Debüt Widow’s Weeds eingesetzt haben, dort allerdings deutlich wirkungsvoller. „Gemini“ wiederum mutet über weite Strecken wie reiner melodischer Black Metal an – den allerdings gab es ebenfalls schon vor einem Vierteljahrhundert in reizvollerer Form, wenngleich man zugeben muß, dass die leicht entrückt wirkenden Keyboards damals noch nicht en vogue gewesen wären und dem Song tatsächlich einen gewissen Schub in die richtige Richtung geben. Eine reine Akustikballade gibt es diesmal übrigens nicht – „Luna“ wandelt sich nach der halben Spielzeit in harten Rock, auch „Caeli“ holt alsbald nervös wirkende Drums hervor und wird im hinteren Teil dann noch zur Meloblack-Hymne. Schade ist allerdings die Wegrationalisierung von Geiger Támas Suha, der auf dem Debüt drei Songs einen besonderen Pfiff verliehen hat und dessen Verlust in den neuen Songs nichts Adäquates an neuen Ideen entgegengesetzt werden kann. Gute Ansätze sind freilich wie bereits erwähnt nicht zu verkennen, etwa die skandinavischen Anklänge in „Aureus“ oder besonders der Cleangesang in „Invictus (We Are From The Sky)“. Das Booklet gibt leider keine Information preis, wen wir hier hören, aber der Mann besitzt eine classicmetalkompatible, leicht angerauhte Stimme, die von der Färbung her ein wenig an Tobias Sammet erinnert und in „Caeli“ offenkundig gleich nochmal eingesetzt wird.
Mit „Caeli“ endet die Normaledition des Albums, der dem Rezensenten vorliegende Digipack enthält zwei Bonustracks, nämlich das nur zweiminütige „In Paradisum“, mit dem die Gattung „Akustikballade“ dann doch noch bedient wird und wo man sich vorzustellen versucht, wie die Nummer mit Geige anstelle des dahinterliegenden Keyboardteppichs klänge, und eine „Symphonic Edition“ von „Lethe“, was in diesem Fall „Keyboards plus Piano plus cleaner Gesang“ bedeutet – zwei gute, wenngleich nicht weltbewegende Zugaben. Bis auf „Invictus (We Are From The Sky)“ sind erneut trotz der lateinischen Songtitel alle Texte in Ungarisch verfaßt, und im Booklet gibt es jeweils nur einen Vierzeiler als Ausschnitt. Antarktika, das bei den ersten Hördurchläufen noch durchzurauschen droht, wächst mit der Zeit, kann wie erwähnt in puncto Frische aber nicht mit Rex konkurrieren und erreicht dessen Qualitätslevel nicht, wenngleich Tari natürlich immer noch weiß, was er tut. Vielleicht ist die neu gewonnene Besetzung dann auch für einen richtig starken Drittling gut.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Deus Incarnatus | 6:21 |
2 | Antarktika | 3:42 |
3 | Nocturno | 4:53 |
4 | Lethe | 3:34 |
5 | Salus | 3:50 |
6 | Anima | 3:33 |
7 | Gemini | 4:45 |
8 | Luna | 3:48 |
9 | Aureus | 3:56 |
10 | Invictus (We Are From The Sky) | 4:10 |
11 | Caeli | 4:33 |
12 | In Paradisum | 2:16 |
13 | Lethe (Symphonic Edition) | 3:29 |
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Besetzung |
Szabolcs Tari (Voc, Git, Keys, B)
László Kiss (Git)
Márton Kertész (Git)
Péter Gilián (Voc, B)
Árpád Halász Illés (Voc, Dr)
Tamás Süle (Voc, Git, Dr)
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