Johnny Bob
Carnival of the Brahma Sox / Fjodor the Watergiant
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Das war eine der schwierigsten Reviews der letzten Jahre. Beide Johnny Bob-Alben, die hier gemeinsam veröffentlicht werden, sind sicher jeweils über 20 Mal in meiner Rotation gelaufen. Ein klares Urteil habe ich immer noch nicht. Aber das kann ja auch ein positiver Hinweis auf die Eigenständigkeit dieser Band sein.
Carnival of the Brahma Sox / Fjodor the Watergiant ist eine Doppelveröffentlichung der ersten beiden Alben des norddeutschen Prog-Duos Jörg Purfürst und Carsten Díaz. Ob das zweite Album Fjodor the Watergiant überhaupt separat erschienen ist, weiß ich nicht. Hier kommen jedenfalls beide Alben gleichberechtigt miteinander im Gatefold-Cover, bei dem man praktisch nicht entscheiden kann, welches der beiden Alben nun das eigentliche und welches der Bonus ist.
Jörg Purfürst und Carsten Díaz bezeichnen sich auf der Johnny Bob Homepage selbst als Duo – nur um im folgenden Absatz fünf Musiker aufzulisten, die „das Projekt“ komplettieren. Bei denen geben sie auch an, was sie musikalisch beitragen. Im Blick auf ihre eigenen Personen schweigen sie sich an dieser Stelle aus.
Was wir hören ist eine überwiegend ruhige Prog- oder Art-Rock-Band, die auf wilde Instrumental-Exzesse völlig verzichtet. Es kann mal etwas rockiger werden („Firebirds“). Auch poppige Elemente werden nicht grundsätzlich gemieden („Channel Knight“). Aber an beiden Stellen wäre noch Luft nach oben.
Immer wieder begeistern mich einzelne Elemente – der folkige Ansatz des Openers „Beyond the Lines“, der zwar durchaus an Genesis erinnert, aber nichts mit dem fast gleichnamigen Song der Briten aus der späteren Geschichte der Briten zu tun hat, sondern auf deren Frühphase verweist; die epischen Gitarren, mit denen „The electric Elf“ einsetzt; der Orgeleinstieg von „See yourself“; oder der klare Refrain von „Emerald Lynx“.
Die größte Anfechtung für mich ist der Gesang, der oft recht dünn rüber kommt und den ich fast durchgehend (bevor ich mir die Besetzungsliste von der Homepage zusammengesammelt hatte) für weiblich gehalten habe. Er ist selbst bei ruhigeren Stücken, wie „See yourself“, ein Negativum. Bei „The electric Elf“ rollen sich mir gar die Fußnägel auf. Nur selten fügt die Stimme sich so harmonisch ein, wie bei dem sehr melodisch angesetzten „Daniel the Peacock“.
Highlights sind für mich
- das bereits erwähnte „Beyond the Lines“, eine folkige Variante der frühen Genesis, das stellenweise etwas stärker abrockt
- „Daniel the Peacock“ mit seinem melodischen Grundansatz und den scharf gesetzten Riffs
- „Emerald Lynx“ - eher melodic Rock, als Prog
- und vor allem „Tom Bombadil“, der Longtrack des zweiten Albums.
Letzterer sorgt dafür, dass Fjodor the Watergiant deutlich disparater wirkt, als Carnival of the Brahma Sox. Denn er ragt qualitativ deutlich über den Rest des Albums hinaus, der auch im Vergleich mit dem Debüt blasser wirkt. Man hat ein wenig den Eindruck, als habe die Band alle Ideen in den Longtrack gesteckt, der dadurch sehr verspielt ist und teilweise eher wie ein Hörspiel, als wie ein durchgehender Song wirkt. Wie auf dem Debüt beginnt er das Album folkig, kann dann aber plötzlich auch regelrecht wavig losrocken, oder sich in die Sphären melodischer Krautrocker, wie Eloy, Hoelderlin oder Triumvirat vorschieben. Allein dieser Track lohnt den Erwerb des (Doppel)Albums. Ich will ihn nicht gleich zum „Musical Box“ Johnny Bobs hochstilisieren – denn das kommt hoffentlich noch.
Fazit: Ein erfreulicher Neuzugang in der (deutschen) Prog-Szene – und man braucht gar nicht zu hoffen, dass da noch was kommt, denn das dritte Album ist bereits für den September angekündigt.
Norbert von Fransecky
Trackliste |
Carnival of the Brahma Sox (2017)
1 Beyond the Lines (7:41)
2 The electric Elf (3:48)
3 See yourself (3:05)
4 Daniel the Peacock (5:53)
5 Channel Knight (8:25)
6 Emerald Lynx (3:43)
7 Secret Möbilat (4:49)
8 The Scream of the Butterfly (10:49)
Fjodor the Watergiant (2018)
1 Tom Bombadil (20:15)
2 Firebirds (5:40)
3 Dawn Acrobats (4:03)
4 Fjodor the Watergiant (7:54) |
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Besetzung |
Jörg Purfürst
Carsten Díaz
Peter Piek (Voc)
Matthias Willer (Git)
Tom Steinbrecher (Git)
Arne Röstermundt (Keys)
Philip Mestwerdt (Dr)
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