Ganna
Dykyi Lys
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Und munter geht es weiter, daher: Vorhang auf für Vol. 84 der von der Zeitschrift JazzThing mitinitierten Serie "JazzThing Next Generation". Bei Ganna handelt es sich um eine Berliner Jazzband, aber Ganna ist auch der Vorname der Sängerin, Ganna Gryniva. Von ihr stammen die neun Kompositionen der Platte Dykyi Lys, das ist Ukrainisch und bedeutet übersetzt "Wilder Fuchs". Selbst äußert sich die Dame wie folgt hierzu: Als sie 2013 nach Berlin gekommen sei, war das ein Schock für sie, die aus einem Dorf mit 375 Einwohnern aus der Nähe von Kiew stammt. So war dieser Wechsel „eine Herausforderung für jemanden wie mich, der Stille mag. Nach und nach fand ich die stillen Orte in Berlin und sehe die Stadt jetzt ganz anders. Ich habe mich angepasst. Das haben die Füchse, die immer wieder durch Berlin streunen, auch. Sie schaffen es, hier zu leben. Dennoch sind sie wilde Tiere und werden es immer bleiben.“
Inhalt der Musik ist eine gelungene Fusion der Melancholie ukrainischer Folklore, Jazz, klassischer und experimenteller Musik. Neben reinen Eigenkompositionen finden wir also auch solche, die sich auf Inspirationen durch ukrainische Folk-Songs berufen, und so werden dann auch einige Songs in dieser Sprache gesungen. Insofern stoßen wir nicht unbedingt auf reinen Jazz-Gesang, sondern stets auf eine Ausprägung hin zur Folklore. Die hinter Ganna stehende Band ist allerdings überwiegend im Jazz-Modus unterwegs. Dabei bedient man sich vorwiegend der Tradition des Genres.
Als besonders schön empfinde ich jene Songs, die als Ballade vorgetragen werden. Gleich der zweite Titel, "Rika", der sich auf ein Gedicht aus dem Ukrainischen beruft, schwebt, eingeleitet durch das sensible Saxofonspiel, luftig und leicht dahin, und hier gelingt es, eine herrliche Übereinstimmung der Tonfolgen im Einklang von Stimme und Piano vorzutragen. Ganna verfügt über eine ganz klare Stimme, mit der sie wunderbar zwischen Hoch und Tief jongliert. Mitunter beinhaltet ihr Ausdruck viel von Sängerinnen aus dem Bereich der nordischen Folklore, gelegentlich scheint da auch Mari Boine ein wenig durch. Bei "Rika" ist es Musina Ebobissé, der mit seinem Solo ein Zeichen setzt durch sein wirklich leidenschaftliches Spiel auf dem Tenorsaxofon. Ja, "Rika" ist schon jetzt mein Lieblingssong.
"Daydreams", der erste Song in englischer Sprache, könnte "Rika" jedoch bereits vom Thron stoßen, denn diese intime und Gänsehaut erzeugende Stimmung berührt zutiefst. Es ist wirklich überzeugend, wie hier eine Stimme geboten wird, die zwischen Jazz und Folk eine sehr individuelle Stellung einnimmt, ich halte Ganna für eine sehr wichtige Entdeckung. Und "Daydreams" ist darüber hinaus ein Song, der in etwa jene Ästhetik verbreitet, wie man sie von vielen Produktionen des Münchener Labels ECM kennt. Hier könnten tatsächlich plötzlich Musiker wie Jan Garbarek, Bobo Stenson, Arild Andersen und Jon Christensen mitgewirkt haben, atmosphärisch würde das passen.
Doch das heisst nun nicht, dass Ganna keinen eigenen Charakter hätte. Denn die vier Begleitmusiker von Ganna Gryniva zeigen genügend Eigenständigkeit im Ausdruck, dass ich sie keinesfalls mit Obigen vergleichen möchte, dergestalt, sie zu ersetzen. Vielmehr bewirken sie auf ihre Weise, dass meine Gedanken hinsichtlich der Ausprägung ihrer Spielweise in Richtung Skandinavien wandern. Und zusammen sind sie alle wirklich umwerfend und für mich unglaublich frisch und leidenschaftlich in ihrer Musik, die einfach nur strahlt zwischen den Elementen Ruhe, Aufbruch, Dahingleiten und Zufriedenheit. Ja, diese Dichte des gemeinschaftlichen Auftretens ist faszinierend und wohltuend. Ach ja, und auf einen wirklichen Lieblingssong habe ich mich nicht wirklich festlegen können, kaum ist ein Song vorbei, begeistert mich bereits der nächste...
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Na Volyu [05:27]
2 Rika [08:18]
3 Daydreams [05:13]
4 Sometimes [05:28]
5 Changes [07:24]
6 Lebidonka [04:37]
7 Witer [06:40]
8 Song For Mons [05:09]
9 Waiting [03:02]
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Besetzung |
Ganna Gryniva (compositions, arrangements, voice)
Musina Ebobissé (tenor saxophone)
Povel Widestrand (piano)
Tom Berkmann (upright bass)
Mathias Ruppnig (drums
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