Masha Art & LRK Trio
Anesthesia
|
|
|
Masha Art, das ist eigentlich ein Künstlername. Dahinter versteckt sich die aus St. Petersburg stammende Saxofonistin Maria Artemenko. Schon früh spielte sie in verschiedenen Formationen und komponierte eigene Musik. Zwischenzeitlich war sie nach Moskau umgezogen und wurde Teil der dortigen Jazzszene. Dort schloss sie sich mit dem LRK Trio zusammen und gemeinsam legt man nun die Platte Anesthesia vor, Masha’s dritte Veröffentlichung.
“Flow“, der erste Song, besticht bereits durch seine „Erzählweise“. Die ausgestrahlte Atmosphäre besitzt ganz viel von jener Art Jazz, wie ich sie aus dem Norden kenne, aus Norwegen, Schweden oder Finnland. Insofern ist auf diese Weise ein Ausdruck dessen entstanden, was man mit der Heimat der Musik assoziieren kann, in diesem Falle vielleicht jener Stimmung, wie sie in St. Petersburg herrschen mag, die vielleicht typische Atmosphäre jener Gegend. Diese Stimmung wird noch eindrucksvoll unterstützt durch die Beteiligung der Harfenistin Maria Kulakova auf fünf Stücken. Dieses Instrument erinnere sie, so Masha Art, an ihre Heimatstadt, einer Stadt, die oft in einem Zusammenhang mit den Farben grau und blau genannt wird, des Wetters wegen, und so mag die Harfe mitunter doch tatsächlich das Geräusch von Regentropfen auszudrücken.
In den Liner Notes erklärt die Musikerin, dass für sie “Feeling blue and a bit melancholic“ ein ganz normales Gefühl sei. Dann fühle sie sich lebendig. Die Musik auf dem Album strahle jedoch nicht nur Traurigkeit aus, sondern behandele alle Reflektionen des täglichen Lebens, inklusive verschiedener Stimmungen. Und diese Absicht ist dieses Erachtens voll umfänglich umgesetzt worden.
Das Saxofonspiel der Protagonistin stellt sich nicht reißerisch zur Schau, vielmehr ist es eher malerisch prägend eingesetzt, mit recht weichem Ton. Auch das erinnert mich an Kollegen aus Skandinavien. So lebt die Musik von der Gemeinsamkeit der Spieler, man kommuniziert miteinander, man entwickelt die Stimmungen gemeinsam, es wird deutlich, wie die Musiker aufeinander zugehen, sich gegenseitig unterstützen, miteinander verflechten zu diesem dichten Sound, der wie ein Ganzes sehr ausdrucksstark die Seele berührt. Da gibt es Momente, in denen sich alle Beteiligten zurücknehmen, einem leisen Pianovortrag Platz schaffen, Momente, in denen rasant vorgeprescht wird. Das ist kein Jazz in üblichem Sinne, hier finden ebenfalls Fusions-Elemente ihren Platz, stark ausgeprägt zum Beispiel bei “8th Of November“. Die Ausrichtung ist auch eher im europäischen Sinne der Auslegung von Jazz angelehnt als an die amerikanische Urform.
Neben dem Einsatz der Harfe sorgt ebenfalls das Metalophone für einen besonderen Effekt, beispielhaft benenne ich hier “Trees Speech“. Oft wohnt der Ausstrahlung der Musik eine große Dramatik inne, “Painless“ ist ein solches Stück, mit Bass, Piano und Schlagzeug beginnend, und mit dem dann dazu stoßendem Saxofon wird ein kraftvolles Bild gemalt, ständig ist man einem Spannungsbogen ausgeliefert, und ganz feinfühlig und subtil arbeitet sich die Band durch das Thema, mit reichlichen Nuancen aufwartend, da improvisiert der Schlagzeuger mitten im Fluss des Songs, die ständige ruhig angelegte Spannung wirkt sehr anziehend, wie durch einen Sog kann man sich hineinziehen lassen in dieses Meer, sofern man bereit ist.
Der letzte Song scheint ein Gedenken an die verstorbene Schwester Anya zu sein, nun wird es unglaublich bewegend. Hier kann uns die Atmosphäre in eine Traum- oder Geisterwelt führen, das Gedenken und die Erinnerung sind vortrefflich und nachvollziehbar umgesetzt, man muss sich einer Gänsehaut erwehren, auch hier ist es die Harfe, die diese Stimmung unterstützt. Ein großartiger und bewegender Abschluss einer der großartigsten neuen Produktion des europäischen Jazz, dieses Mal aus St. Petersburg. Das Abschlusswort überlasse ich Masha Art: “Listening to the album might help you to find a yet undiscovered part of yourself.”
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Flow (6:44)
2 Lavanda´s Dream (dedicated to my dog) (4:12)
3 8th. Of November (4:27)
4 Trees Speech (4:08)
5 Painless (5:06)
6 Take Him (4:21)
7 Into The Sea (RIP my sister Anya) (7:02)
|
|
|
|
|
Besetzung |
Masha Art (saxophone)
Maria Kulakova (harp - #1, 2, 5, 6, 7)
Evgeny Lebedev (piano, keyboards, metallophone)
Anton Revnyuk (bass, dbass)
Ignat Kravtsov (drums, metalophone)
|
|
|
|