Musik an sich


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Mit Milch und Französischstunde auf Tournee




Info
Autor: Jon Collins

Titel: Die Chemie von Rush

Verlag: I.P. Verlag, Berlin

ISBN: 978-3-931624-39-2

Preis: € 23,90

352 Seiten

Internet:
http://www.rushchemistry.com

Groupies und offene Hosen, Reihenweise Koksstraßen und Bierkisten, arrogante Stars und schleimende Gefolgschaft – so stellt man sich den Backstagebereich bei Rockkonzerten vor. Bei Rush sieht es anders aus.
Sie stellen sich als Fotomodelle für eine Milch(!)-Werbung zur Verfügung. Und es kann schon mal vorkommen, dass ein Zettel mit der Aufschrift „Bitte Ruhe! Unterricht!“ um Rücksicht bittet, weil die Musiker sich entschlossen haben, während einer Tour zur persönlichen Fortbildung Französisch zu büffeln. Von arroganter Überheblichkeit den einfachen Mitarbeitern gegenüber ist ebenfalls nichts zu hören.
Dem entspricht der Anhang, den Jon Collins seinem Buch beigefügt hat. Auf 70 Seiten werden in alphabetischer Reihenfolge 166(!) Personen vorgestellt, die in den letzten gut 30 Jahren an Rush-Produktionen Anteil hatten. Das reicht von der kurzen Bemerkung, „David (Scace) war Gitarrentechniker auf der ersten Rush-Tour.“, bis zum dreiseitigen Artikel über den Fotografen Andrew MacNaughtan.

Auch wenn Rush nicht dem Klischee einer Hard Rock Band entsprechen, so ist Die Chemie von Rush doch in seiner Grundstruktur eine klassische Bandbiographie. Album für Album wird die Karriere einer Band abgearbeitet, die es geschafft hat zur global agierenden Legende zu avancieren ohne den Status des Underground Acts je ganz abzulegen.
Familienleben und politisches Umfeld werden nur insoweit thematisiert, wie es für das Verständnis einzelner Alben notwendig ist - beispielsweise die Auseinandersetzung mit politischer Macht auf Power Windows oder die Verarbeitung des Todes seiner Frau und seiner Tochter, die Neil Peart auf Vapor Trail betreibt.
Themen, die immer wieder auftauchen, sind auf musikalischer Seite der Streit drüber, wie viel Keyboards auf einem Album enthalten sein dürfen. Inhaltlich wird verschiedentlich das für Rockbands seltene, klare Bekenntnis zur kapitalistischen Leistungsgesellschaft beleuchtet, in der der Tüchtige seinen Lohn ernten wird.

Zugaben zum reinen Fließtext sind außer dem bereits oben erwähnten Personenanhang eine ausführliche Discographie (mit allen Titeln, Spielzeiten, Line up und Produzentenangabe), eine recht lange Literaturliste, sowie Kurzbeschreibungen jedes einzelnen Albums.
Die Bebilderung ist schwarz-weiß. Cover Pics fehlen völlig, was schade und bei der oft sehr ausführlichen Beschreibung der Cover und ihrer Entstehung letztlich auch unverständlich ist.

Die Chemie von Rush ist im Original 2005 unter dem Titel The Chemistry of Rush erschienen. Naturgemäß behandelt es daher das in der vorletzten MAS-Ausgabe besprochene aktuelle Rush-Album Snakes & Arrows noch nicht.


Norbert von Fransecky



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