Musik an sich


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Bach, J. S. (Junghänel)

Lutherische Messen BWV 233-236


Info
Musikrichtung: Barock Messe

VÖ: 11.05.2007

harmonia mundi / harmonia mundi
2 CD (AD DDD 2006) / Best. Nr. HMC 901939.40


Gesamtspielzeit: 110:00



VORBILDLICHER ENSEMBLEGEIST

Man hört dieser Einspielung von J. S. Bachs aus vorhandenen Kantatensätzen geformten Lutherischen Messen an, dass in ihr die Erfahrungen von 20 Jahren intensiver Ensemblearbeit stecken. Konrad Junghänel und die Solisten von Cantus Cölln musizieren mit einer ruhigen, konzentrierten Natürlichkeit, über die andere Gruppen nicht so selbstverständlich gebieten. Da sind die Tutti-Abschnitte von wunderbarer Homogenität, während sich die Soli durch ansprechende Individualität auszeichnen.
Die Besetzung mit vier Concertisten für die Arien und Chorsoli sowie vier Ripienisten für die Verstärkung der Chorsätze trägt den inzwischen 25 Jahre alten Erkenntnissen Joshua Rifkins Rechnung, dass zu Bachs Zeit von einem vielstimmigen Chor im modernen Sinne noch keine Rede sein kann. Andrew Parrott hat vor einigen Jahren eine umfangreiche Untersuchung vorgelegt, die diese Einsicht vertieft und weiter differenziert hat. Die einstimmige Besetzung sei das Maß der Dinge gewesen, bei den Chören habe es sich sozusagen um Solistenquartette gehandelt, die mit den ebenfalls geringzahligen Instrumenten ein konzertierendes Ensemble gebildet hätten. Nur gelegentlich sei die Zahl der Sänger verdoppelt worden, vor allem bei den Passionen.

Eine Reihe von Einspielungen hat die Praxistauglichkeit dieses Ansatzes inzwischen unter Beweis gestellt. Auch Bachs kurze, nur aus lateinischem Kyrie und Gloria bestehende Messen für die Hochfeste des lutherischen Kirchenjahres wurden bereits einmal so dargeboten. Das um einige Musiker erweiterte Purcell Quartett hat dabei sogar mit nur vier Sänger/innen eine sehr vitale Fassung vorgelegt, die in ihrer Ausgewogenheit und unangestrengten Virtuosität gewiss zu den gelungendsten 1:1-Interpretationen gehören dürfte (Chandos).
Im Vergleich mit dieser strikten Solobesetzung nimmt sich Junghänels Version fast schon wieder üppig aus – bereits zwei Stimmen pro Part lassen ein richtiges „Chorgefühl“ aufkommen, zumal das Klangbild weicher ist als auf der Vergleichseinspielung. Davon abgesehen besticht diese jüngste Interpretation durch eine subtile, detailgenaue Gestaltung, Transparenz und federnde Musikalität. Den Ausführenden gelingt es vorbildlich, Ausdruckswillen und eine nach innen gekehrte, kontemplative Musizierhaltung auszubalancieren. Das verleiht der Einspielung ihre Integrität und Überzeugungskraft.



Georg Henkel



Besetzung

Cantus Cölln

Sabine Goetz, Gabriele Hierdeis – Sopran
Elisabeth Popien, Alexander Schneider – Alt
Wilfried Jochens, Hans Jörg Mammel – Tenor
Wolf Matthias Friedrich, Sebastian Noack – Bass

Ltg. Konrad Junghänel


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