Jenobi
Irregularity
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Durch das Konzert im Dezember, bei dem einige neue Titel vorgestellt wurden, bin ich von einer anderen, positiveren Grundstimmung auf Jenobis zweitem Album ausgegangen. Meine Verwunderung, auch Verwirrung darüber, dass dem nun nicht so ist, dürfte vor allem auf die bei der Live-Aufführung verwendeten Gitarren zurückzuführen sein. Bei der Performance mit Band hatte mich das tanzbare und erstaunlich fröhliche „Little Sweet“ bereits nach wenigen Tönen in seinen Bann gezogen und bei mir den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen. Daher hätte ich es zu gerne „offiziell“ in voller Instrumentierung gehört, doch für Irregularity hat die in Göteborg geborene und seit vielen Jahren in Hamburg lebende Jenny Apelmo Mattsson das Stück lieber in ihrem individuellen (und das bedeutet in ihrem Fall vor allem eigenwilligen), oft und gerne auf das Nötigste reduzierten Stil aufgenommen.
Das ist einerseits schade, zeigt aber mustergültig auf, dass Jenobi hiermit ein Tanzflächen-Feger erster Güte gelungen ist. Die Nummer funktioniert in jeder Form der Interpretation, man kann mit und aus ihr eine Menge machen; eine Erkenntnis, die meine anfängliche Enttäuschung deutlich mindert!
Vollauf begeistert bin ich immer wieder von Jennys Bassspiel! Die Musikerin setzt ihr Herzensinstrument für meinen Geschmack fast zu sparsam, aber umso gezielter ein und sorgt damit für ein relaxtes, leicht jazziges Feeling. Jedes Mal wieder ein Genuss, z.B. beim großartigen, unruhig von einem Fuß auf den anderen tretenden „Overthink“!
Man kann den Albumtitel Irregularity auch so interpretieren, dass hier böse-bittere Texte über patriarchalische und sexistische Strukturen („The Producer“) und vermeintlich leicht und fragil anmutende Musik aufeinanderprallen. Dieser harsche Kontrast verleiht den facettenreichen 43 Minuten eine unterschwellige, ständig leicht vibrierende Spannung, der man sich nicht entziehen kann. Das will man aber auch gar nicht!
Blendet man den sanften, leicht brüchig klingenden Gesang aus und konzentriert sich allein auf die Musik, fällt auf, dass die Arrangements der Stücke den Zuhörer gerne an die Hand nehmen. Ehe man sich versieht, findet man sich auf einem emotionalen Spaziergang durch weitläufige, karge Landschaften von seltsamer Schönheit wieder. Und die längeren Passagen, wie z.B. die Schlusssequenz von „The Perfectionist“, das häusliche Gewalt thematisiert, würden auf einem Soundtrack eine prima Figur machen!
In einem Interview bezeichnete Jenobi Irregularity als einen „Jam mit mir selber“. Ihr Zweitwerk, dessen Titel ihre Non-Konformität und Individualität ausdrückt, hat die vielseitig begabte Künstlerin in ihrem eigenen Heimstudio aufgenommen. Das Klangbild, das sie dort gemalt hat, ist noch stärker computerisiert als das Debüt Patterns. Es verstärkt die Kühle – nicht Kälte! - ihrer Musik, was wiederum ihrer erzählenden Art zu singen mit viel Sprechgesang entgegenkommt und die Melancholie in ihrer sanften, brüchig-starken Stimme intensiviert. So ausdrucksstark kann leise sein! Selbst ohnmächtige Wut auf die nach wie vor von Männern dominierte Musikwelt kann in einem Flüstern wie Donnerhall dröhnen!
Auch auf ihrem zweiten Album bleibt ihre Verletzlichkeit Jenobis größte Stärke. Manchmal hat man sogar der Eindruck, als würde sie ihre Sensibilität regelrecht zelebrieren!
Michael Schübeler
Trackliste |
1 | The Perfectionist | 4:24 |
2 | Still Waiting For My Name In The Credits | 3:14 |
3 | My Baby | 4:00 |
4 | Queen Of The Night | 4:14 |
5 | Little Sweet | 3:10 |
6 | Syster | 4:29 |
7 | Overthink | 3:26 |
8 | Makeup | 4:15 |
9 | Sunday Morning | 2:56 |
10 | The Producer | 4:49 |
11 | A Song That Never Ends | 3:43 |
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Besetzung |
Jenobi (Vocals, all Instruments)
Felix Roll (Drums)
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