Kira Linn's Linntett

Illusion


Info
Musikrichtung: Fusion

VÖ: 21.04.2023

(Whirlwind Records)

Gesamtspielzeit: 46:08

Internet:

https://www.kiralinn.com/
https://www.whirlwindrecordings.com/
https://uk-promotion.net/


Wut und Ohnmacht, aber auch Kraft, Diversität und Freiheit sind Kernbegriffe, die sich durch diese Platte ziehen. So liest man auf dem Deckblatt der Presseinformation, Worte von Kira Linn, der aus Wiesbaden stammenden Baritonsaxofonistin, Sängerin und Komponistin. Nach zwei Alben 2017 und 2020 hat sie nun ihr drittes Werk, Illusion, veröffentlicht.

Neben einem Engagement im Bundesjazzorchester spielte die Protagonistin bereits mit dem Sunday Night Orchestra und dem Swiss Jazz Orchestra, ihre eigene Band leitet sie seit 2016. Nicht nur diese Erfahrungen, sondern auch persönliche Zuneigung hat sie musikalisch in das neue Werk investiert, wie sie selbst ausführt: Während der vergangenen zwei Jahre habe ich bemerkt, dass ich gar nicht mehr so viel Jazz höre. Stattdessen entdeckte ich Pop, Indie, Electro, Neo-Soul und R&B für mich – Billie Eilish, Bon Iver oder Laura Mvula beispielsweise. Dementsprechend sind diese Einflüsse auch in meinen neuen Kompositionen zu hören.

Im Rahmen der elf Songs setzt sich die Protagonistin mit Themen wie Diversity, Klimaschutz und der Corona-Pandemie auseinander, und hat das Ganze in ein stark individuell geprägtes musikalisches Kleid verpackt. Das dahin schwebende "Hello" ist nur eine kurze, einminütige Einleitung, die sanft übergleitet in das Instrumental "Rage". Bereits hier offenbart man diese Mixtur verschiedener Stile, geführt wird der Song vom Sound der Keyboards, bis er sich nach fast eineinhalb Minuten löst und in einen leichten und lockeren, mehr vom Jazz bestimmten Modus, übergeht. Dennoch verfließen die verschiedenen Stimmungen dann auch immer wieder und fusionieren zu einem coolen und modernen Groove, das relativ frei aufspielende Baritonsaxofon nimmt eine wichtige Rolle ein und lockert auf.

"That Thing" ist der erste Gesangstitel, die Musik erinnert mich anfänglich ein wenig an Songs von Robert Wyatt aus den Siebzigern, ein wenig verquer klingt es durchaus, der Gesang setzt meiner Meinung nach keine klaren Akzente, sondern verschwimmt im Sog der Gesamtstimmung als Element, mitunter treffen wir auch auf lediglich gesprochene Passagen. Mit über acht Minuten ist der Titelsong der längste der Platte, mit einem einer Kirchenorgel ähnelnden Sound startet er, bevor der, wie fast auf jedem Song, erneut vertrackte und stolpernde Rhythmus eintritt. Und immer wieder öffnen sich Passagen, die an typischen Jazz Rock der Siebziger, vor Allem britischer Prägung erinnern, Ian Carr, Soft Machine und ähnliche Acts meine ich, und zusammen lauert stets ein erneuter Wandel in den Songs, läßt die Abwechslung bunt blühen, läßt die Stimmung anheben zum Tanz, sie frei und schwerelos durch den Raum fliegen, Arrangements öffnen sich, lassen sich treiben, formieren sich neu..., manchmal taucht die Musik der ersten Platte von Weather Report bei mir in Gedanken auf, also aus 1970.

So ist Musik entstanden, die wirklich recht außergewöhnlich ist, die fordernd ist und nach Zuhören verlangt, sicher nichts für Jazz-Puristen, auch nicht unbedingt etwas für solche Hörer*innen, die sich der Variante Jazz-Rock-Fusion verschrieben haben, und für Rocker eigentlich gar nicht. Das ist insofern Musik für Alle, die sich öffnen können für diese neuen Klänge, die zwar grundsätzlich nicht neu sein mögen, aber in dieser Kombination dennoch so erscheinen, gelegentlich dann auch in geheimnisvoll wirkende Gefilde eintauchend.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Hello
2 Rage
3 That Thing
4 Numb_ers
5 Illusion
6 Zoom I
7 Zoom II
8 Under Water
9 Dumb_ness
10 Women To Sky
Bonus Track:
11 Solitude
Besetzung

Kira Linn (baritone saxophone, bass clarinet, voice)
Nino Wenger (alto saxophone, flute, alto flute)
Christopher Kunz (tenor saxophone, soprano saxophone)
Lukas Keller (electric bass)
Johannes Koch (drums)
Lukas Großmann (synthesizer, piano, Rhodes)



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