Bach, J. S. (Cuarteto Casals)

Die Kunst der Fuge


Info
Musikrichtung: Barock / Kammermusik

VÖ: 09.06.2023

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2022 / HMM 902717)

Gesamtspielzeit: 68:26



HARMONIA MUNDI

Die Kirche des spanischen Cardona-Klosters ist mit ihrer natürlichen Raumakustik wirklich der passende Ort für diese Einspielung von J. S. Bachs „Kunst der Fuge“: Resonanz und Klarheit befinden sich in schöner Balance; der warme, volle und singende Klang des Cuarteto Casals deckt den strukturellen Reichtum der Musik nicht zu, sondern bringt diesen sehr verbindlich, mit menschlicher Emphase, zur Geltung. Trotz des vibratoarmen Angangs gewinnt jeder Ton eine geradezu körperliche Präsenz.

Da das Streichquartett um das 1740 in der heutigen Form noch nicht existierte und die Stimmführung von Bach sich eher an den Möglichkeiten eines Tasteninstruments orientiert, waren kleinere Retuschen nötig, um dieses kanonische Werk mit der schlechthin klassischen instrumentalen Formation aufführen zu können: So erlebt man gleichsam einen „aufgeklärten Barock“, wobei die vier Musiker:innen die Musik sich unaufgeregt und unforciert entfalten lassen. Dabei folgt das Ensembele weder ausschließlich einer dezidiert barocken "Klangrede" noch ist es einem durchweg klassisch-romantischen Klangideal verpflichtet. Dies unterstreicht den gleichsam zeitlosen Charakter des Werks.

Wenn „Die Kunst der Fuge“ Bachs transzendentalste Komposition ist, dann gelingt es dem Cuarteto Casals, diese Transzendenz auf ihrem interpretatorischen „goldenen Mittelweg“ in den Resonanzraum der menschliche Seele hineinzuprojizieren: als Wiederschein jener Harmonia Mundi, an die der Komponist noch geglaubt hat.

Wohl auch darum gönnt das Cuarteto Casals den Hörer:innen eine vervollständigte Fassung der finalen Tripelfuge, die nicht da abricht, wo Bach, aus welchen Gründen auch immer, die Feder niedergelegt hat. Statt dessen mündet das Stück nach Einsatz und kurzer Durchführung des letzten Themas in einen warm leuchtenden D-Dur-Akkord. So wirkt denn auch der finale Choral „Vor deinen Thron tret ich hiermit“, der bei der posthumen Veröffentlichung des unvollendeten Zyklus gleichsam als „letztes Wort“ Bachs mitgegeben wurde, wie der konsequente Fluchtpunkt dieses Fugenkosmos: Der endliche Mensch vor Gott, voll Vertrauen und getröstet.



Georg Henkel



Besetzung

Cuarteto Casalls
Abel Tomàs Realp & Vera Martínez Mehner, Violine
Jonathan Brown, Viola
Arnau Tomàs Realp, Cello


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