Sibiir
Ropes
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Info |
Musikrichtung:
Post Metal
VÖ: 04.10.2019
(Fysisk Format)
Gesamtspielzeit: 41:21
Internet:
http://www.sibiir.com
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Bei 35 Grad Außentemperatur eine CD von einer Band namens Sibiir zu rezensieren mutet nur im ersten Moment merkwürdig an, bis einem einfällt, dass das kontinental geprägte Klima Sibiriens zwar für immens tiefe Winter-, aber auch für durchaus hohe Sommertemperaturen sorgt, nicht nur in Rekordjahren wie 2021, wo dann auch gleich mal auf vielen Quadratkilometern die Taiga in Brand gerät. Sibiir wiederum stammen nicht aus Sibirien, nicht mal aus Rußland, sondern sind Norweger und damit golfstrombegünstigt, auch wenn sie nicht an der Außenküste, sondern in Oslo siedeln.
Auch auf die Musik hat dieser Umstand vielleicht abgefärbt: Ropes, der Sibiir-Zweitling, bietet keinen klirrend-kalten Black Metal, obwohl der extrem heisere Gesang von Jimmy Nymoen auch in einer solchen Combo nicht deplaziert wäre. Statt dessen lassen sich die reichlich 41 Minuten in den Post Metal einsortieren, vielleicht auch mit Ansätzen gen Postcore, wofür allerdings wiederum der Gesang verantwortlich ist, den man sich auch in einer schlecht gelaunten Hardcoreformation vorstellen könnte. Gitarrist Tobias Gausemel Backe kontrapunktiert das herbe Gehuste in manchen Refrains, etwa „A Trail Of Faded Attempts“, aber mit einer Klarstimme, die freilich auch nichts von metalcoriger Zweitstimmenlieblichkeit hat, sondern ebenfalls einen melancholischen Gestus atmet, damit allerdings den hymnischen Charakter wirkungsvoll erhöht, wofür schon der Opener „Leeches“ ein gutes Beispiel abgegeben hat: Drummer Eivind Kjølstad zählt ein, wonach sich flottes Gepolter entwickelt, das allerdings durch den erwähnten Refrain aufgelockert wird und außerdem vor allem in der Gitarrenarbeit so manchen Einfluß des traditionellen Metals verrät. Im Einweben solcher das Gesamtbild wirkungsvoll bereichernden Elemente sind Sibiir richtig gut – man höre mal das Sepultura-Gedächtnisriff am Beginn von „For The Few“ oder das eröffnende Instrumentalthema von „Transparent Lives“, das auch Nevermore zu Dead Heart In A Dead World-Zeiten hätten erdenken können, wie überhaupt dieser Song wie eine Übersetzung von Nevermore in Post Metal anmutet, hier eine andersfarbige Kreischstimme als Gegenpol einsetzend und außerdem einen Prügelpart aus der schwedischen Melodie-Black-Metal-Schule einflechtend, was allerdings dem Gesamtbild durchaus nützt.
An einige seltsame Einfälle muß man sich beim Hören durchaus erst gewöhnen, etwa wenn der Drummer in den schnellen Parts von „The Silent Repent“ einen ganz anderen Rhythmus vorgibt als den, dem die Bediener der Saiteninstrumente und der Sänger folgen – und doch paßt das irgendwie zusammen, nicht erst beim abgebremsten refrainartigen Part, wo alle die gleiche Rhythmik pflegen. Hier bauen Sibiir dann zudem noch einen äußerst eindringlichen Doompart ein, der sich in eine drückendere Version des refrainartigen Parts entwickelt, aber dann nicht nochmal das progressive Gepolter auffährt – weil den fünf Norwegern der Doom so gut gefallen hat, hängen sie attacca gleich noch „Blurred Flickering Pictures“ an, einen ganzen Song in diesem Tempo, mit knapp über sechs Minuten auch der längste des Albums, während die Nummern sonst eher kompakt gestrickt sind und es „For The Few“ mit seinen knackigen Metalcoreanleihen nur knapp über die Dreiminutengrenze schafft. Aber Sibiir schaffen ein doppeltes Kunststück: Sie setzen einige Nummern aus verschiedenen Parts zusammen, ohne dass sie der Metalcore-Krankheit erliegen, in jeden Song alle Stilelemente packen zu müssen und keiner Idee Raum zum Atmen zu geben – sie schaffen aber beispielsweise in „Blurred Flickering Pictures“ auch das Kunststück, dem ganz alten Songwritingprinzip zu huldigen, indem sie eine (in Zahlen: 1) Songidee auch in einen (in Zahlen: 1) Song umsetzen, ohne dass es dem Hörer langweilig wird. Dass sie nach hinten heraus allerdings das Tempo immer mehr herausnehmen und mit Ausnahme des Closers „Old Patters“ die Songs mit flotterem Gepolter in den vorderen zwei Dritteln konzentriert sind, fällt dann doch etwas auf, denn nach der zweiten Hälfte von „The Silent Repent“ und „Blurred Flickering Pictures“ bahnt sich auch „Monoton“ den Weg in eher niedrigen Schlagzahlen und ist dabei so vielschichtig arrangiert, dass der Titel nur ironisch gemeint sein kann. Hier soll auch Produzent Øyvind Røsrud Gundersen mitsingen, sagen die Credits auf dem Digipack, aber deutlich wahrnehmen kann man eine markant andere Stimme im voluminösen Geflecht, zu dem auch einige Synthieelemente treten, die auf der Scheibe entweder von Tobias oder von Øyvind beigesteuert werden, hier nicht. „Old Patterns“ schließt dann den stilistischen Kreis zu den vorderen zwei Albumdritteln, klingt bisweilen wie eine Übersetzung von Old Man’s Child in Post Metal, baut gegenüber etwa „Leeches“ den epischen Faktor auch markant aus – und hier singt im Hintergrund tatsächlich eine noch verzweifelter klingende Stimme mit. Das könnten also entweder Tobias oder Øyvind sein, die hier den Ausklang einläuten – kein Grande Finale, sondern ein erschöpftes „Ich habe genug“. Für die Freunde suizidalen Black Metals sind Sibiir natürlich bei weitem nicht nihilistisch genug, zumal auch die titelgebenden Seile nicht genutzt werden, um sich irgendwo aufzuhängen, und das Artwork statt dessen Wurzel- oder Astgeflecht abbildet.
So bleibt unterm Strich eine nicht uninteressante Scheibe, die ganz im Gegensatz zum streng schwarz-weißen Artwork einige musikalische Farbtupfer in den Post Metal einbringt, die dort (noch) keine ubiquitäre Verbreitung erlangt haben. Genrefreunde machen mit dem Hineinhören in Sibiirs Zweitling (das selbstbetitelte Debüt sowie die zuvor erschienenen Shortplayer sind dem Rezensenten bisher unbekannt, so dass er nicht ergründen kann, wie die Combo zu ihrem Stil auf Ropes gekommen ist) also definitiv nichts falsch.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Leeches | 4:54 |
2 | Worlds Apart | 4:02 |
3 | For The Few | 3:06 |
4 | A Trail Of Failed Attempts | 4:44 |
5 | Transparent Lives | 4:03 |
6 | The Silent Repent | 4:11 |
7 | Blurred Flickering Picture | 6:02 |
8 | Monoton | 4:40 |
9 | Old Patterns | 5:34 |
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Besetzung |
Jimmy Nymoen (Voc)
Tobias Gausemel Backe (Git)
Steffen Grønneberg (Git)
Kent Nordli (B)
Eivind Kjølstad (Dr)
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