Rose Tattoo räumen ab und geben ihrer Vorband reichlich Raum
Wer am 19. Juni zwischen 18.30 und 20 Uhr in Neuruppin am Rheinsberger Tor aus dem Bus oder der Bahn gestiegen ist, befand sich plötzlich inmitten einer Kutten tragenden Menge wieder. Vor dem Kulturhaus und um den Dönerladen auf der gegenüberliegenden Straßenseite herum befand sich ein erwartungsfroh friedlich Bier trinkendes Völkchen. Die Logos von AC/DC, Black Sabbath, Ten Years after, Lemmy oder Motörhead und natürlich Rose Tattoo gaben dabei den Ton an. Die Truppe um den sympathischen Giftzwerg Angry Anderson hatte das australische Outback vorübergehend gegen die märkischen Provinz eingetauscht und der Fontane-Stadt einen heftigen Besuch abgestattet. Norbert von Fransecky (mit Rainbow-Shirt) mischte sich unter die Menge. Kurz nach 21 Uhr war die Bühne bereit für Rose Tattoo. Es war ein Vergnügen für sich, von der Empore aus zu beobachten mit welcher Disziplin, Koordination und völlig unhektischen Geschwindigkeit die Vorband ihr Equipment abbaute, so dass die Tatts-Roadies schon während des Abbaus mit dem Aufbau für den Haupt-Act anfangen konnten. Nun standen auf der im vorderen Teil leeren Bühne vier ordentlich ausgerichtete Mikrofonständer – der eine, in der Mitte links, geschätzte 40 cm niedriger als die anderen. Punkt 21.15 Uhr, genauso pünktlich wie der Opening Act, erschien Angry Anderson mit einer Flasche Hochprozentigem in der Hand (aus der er während des Konzertes eher zurückhaltend nippte) an eben jenem Mikro und sprach erst einmal ein paar Worte, bevor die Tatts mit „One of the Boys“ vom Debüt-Album in ihren Set einstiegen. Die ersten vier Stücke stellten sozusagen die vier Alben vor, die in den anderthalb Stunden Berücksichtigung finden sollten. Nach dem Debüt (insgesamt 7 Stücke) folgte „Juice on the Loose“ von Scared for Life (4 Stücke), „Mad about Town“ vom gerade wiederveröffentlichten noch aktuellem(!) Album Bloodbrothers (5 Stücke) und „Assault and Battery“ vom gleichnamigen, sträflich unterrepräsentierten Album (nur 2 Stücke), das das erste Highlight des Konzertes darstellte.
Klug folgte dann ein Triple vom Debütalbum, das die bereits auf Betriebstemperatur gebrachte Menge weiter forderte – vor allem natürlich mit dem in der Mitte platzierten Klassiker „Rock‘n‘Roll Outlaw“. Dann gab man dem Publikum etwas Leine und präsentierte Songs vom aktuellen Bloodbrothers - solides Kraftfutter, das mit der Fama der alten Legenden aber nicht mithalten konnte. Dann wurde wieder Trumpf gespielt. Der zweite Assault and Battery-Titel krönte den Rock‘n‘Roll und leitete die Schlussphase des Konzertes ein, die vor allem aus Stücken des Debüts bestand. Warum der etwas blasse Scared for Life-Track „We can‘t be beaten“ zum vorläufigen Showstopper erkoren worden war, ist mir etwas schleierhaft. Vehemente Rufe nach einer Zugabe hat er aber natürlich nicht verhindert. Die kam mit einem weiteren Song vom Debüt – dem Image-Song der Band sozusagen: „Nice Boys don‘t play Rock’n’Roll“. Offenbar waren das also keine lieben Jungs da auf der Bühne. Und da wollten sich ein paar schwergewichtige Fans wohl nicht lumpen lassen. Vor der Bühne ging plötzlich ein Moshpit mit reichlich Körpereinsatz und einem Crowdsurfer-Versuch ab. Der Veranstalter regierte sofort. Bislang bestand die Security vor der Bühne lediglich aus einer zierlichen, recht hübschen jungen Dame, allerdings mit streng zurückgekämmter Frisur und eben solcher Miene (zurückgekämmt?; Red.). Nun standen plötzlich zwei Herren von etwa doppelter Körpermasse neben ihr – und alles blieb schön. Exakt 90 Minuten hatte der reguläre Set gedauert. Die „Nice Boys“ hatten das ganze bis fast genau 23 Uhr verlängert. Präzisionsarbeit! Setlist Rose Tattoo One of the Boys (I) Juice on the Loose (SfL) Mad about Town (Blb) Assault and Battery (A&B) Tramp (I) Rock’n’Roll Outlaw (I) The Butcher and fast Eddie (I) Standover Man (Blb) Branded (SfL) Black eyed Bruiser (Blb) Once in a Lifetime (Blb) 1854 (Blb) Rock’n’Roll is King (A&B) Scared for Life (SfL) Bad Boy for Love (I) Astral Wally (I) We can’t be beaten (SfL) Zugabe: Nice Boys (I) I = Rose Tattoo (1978) A&B = Assault & Battery (1981) SfL = Scarred for Life (1980/82) Blb = Bloodbrothers (2007) Präzisionsarbeit von Anfang an. Ebenso präzise, wie das Konzertende war der Beginn. Das Intro zu dem Auftritt von The Wild! erklingt pünktlich wie die Tagesschau um 20 Uhr. Und der Auftritt der Kanadier endet ebenso präzise um 21.45 Uhr. Die Bedingungen für die Band war für eine Vorband optimal. Sogar ein eigenes Backdrop war ihnen zugestanden worden. Sänger Dylan Villain bestätigte mir im Interview, dass sie von Rose Tattoo hervorragend behandelt wurden. Und die vier Kanadier konnten ihre Chance nutzen. Vorband einer Legende, wie Rose Tattoo zu sein, ist oft eine undankbare Aufgabe. Die Fans sind dann so auf „ihre“ Band ausgerichtet, dass der opening act keine Chance hat. Oft wird er geradezu von der Bühne gebuht. Ganz anders in Neuruppin. TheWild! kamen mit ihrem AC/DC lastigen Hard Rock bei der Menge prima an. Das Quartett machte von der ersten Sekunde an mächtig Dampf. Frontmann Dylan Villain ist ein echter Entertainer, der aus der Rose Tattoo Crowd für eine Dreiviertelstunde sein Publikum machte. Seiner Einschätzung, dass „The Wild! die weltweit einzig mögliche Vorband für diese Tour“ seien (s. Interview), kann man nur zustimmen. Wäre man nach den 45 Minuten gegangen, hätte man ganz sicher nicht das Gefühl gehabt, umsonst in das Konzert gegangen zu sein. Der Publikumszuspruch war enorm. Wenn man gegen Ende des Auftritts von der Empore aus beobachtete, wie das komplette Publikum bis in die hinterste Reihe hinein die Band abfeierte, hatte man nicht den Eindruck eine Vorband zu sehen. Wer das verpasst hat, hat im Herbst noch einmal die Chance The Wild! live als Headliner in einigen ausgewählten Clubs zu erleben. Norbert von Fransecky |
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