Optisch unspektakulär, Perfomance magisch: Jeff Beck live in München
Seine letzte Deutschland-Tournee liegt drei Jahre zurück. Jetzt kehrt der inzwischen 73-jährige Jeff Beck für einige Konzerte nach Deutschland zurück, darunter eines im Circus Krone in München. Jeff Beck hat als Gitarrist einen ausgezeichneten Ruf. Bei der DVD Still On The Run, die ich vor kurzem hier besprochen habe, verneigen sich Weltklasse-Gitarristen wie Joe Perry (Aerosmith) oder Eric Clapton ehrfürchtig vor Jeff Beck, was schon einem gewaltigen Ritterschlag gleichkommt. Altersmäßig drücke ich den Schnitt heute Abend, die meisten sind zwischen 50 und 60 Jahre alt, manche auch deutlich drüber. Bei bestem Biergartenwetter füllt sich der altehrwürdige Circus Krone erst langsam, etliche kommen kurz vor knapp zu ihren Plätzen, was bei manchen doch für Verwirrung und Ärger sorgt. Wie immer beim Circus Krone geht das Konzert auch heute um 20 Uhr pünktlich los. Ohne Schnörkel, Intro oder sonstigen Schnickschnack betreten die Musiker nacheinander die Bühne. Das relativ rüde „Pull it“ wird von dem furios aufspielenden Quartett sehr zackig präsentiert. Man merkt, dass die Musiker perfekt aufeinander eingespielt sind und bereits nach diesem Song auf Betriebstemperatur sind. Die meisten Stücke des Abends sind reine Instrumental-Stücke, bei denen man jedoch kaum Gesang vermisst. Jeff Beck wird vom Publikum mit offenen Armen empfangen und genießt diesen Zuspruch sichtlich. Eitel ist der Gitarrenheld keineswegs, er setzt sehr häufig seine Mitspieler in Szene. Jeff Beck spielt schon sehr außergewöhnlich, allerdings sieht bei ihm alles so erschreckend einfach aus. Tatsächlich zieht dieser Mann wahre Register seines Könnens, die einem so schnell keiner nachmacht. Er beherrscht von Rock, Blues, Jazz bis Fusion sämtliche Spielarten und fühlt sich in allen Genres pudelwohl. Wie 73 kommt der zurückhaltende Brite keineswegs rüber, er macht einen sehr agilen Eindruck. Die Musiker seiner Band beflügeln ihn sichtlich und spornen ihn selbst zu Höchstleistungen an. Wer mich von Beginn an fasziniert ist der geniale Schlagzeuger Vinnie Colaiuta. Die Liste der Musiker, mit denen er bereits gespielt hat, ist mehr als beeindruckend. Darunter befinden sich musikalische Hochkaräter wie Sting, Frank Zappa, Nick Kershaw, Tori Amos, Duran Duran, The Temptations und viele andere. Schaut euch mal ein Video von ihm auf Youtube an, das lohnt sich wirklich. Was der für eine Power und für einen Groove verbreitet, ist schlichtweg sensationell. Die Präzision und das Timing muss ihm erstmal einer nachmachen! Zusammen mit der herausragenden Bassistin Rhonda Smith bildet er ein Rhythmusgespann, das in diesem Bereich wohl zu dem besten gehört, was derzeit live unterwegs ist. Rhonda Smith zieht mal locker ein Solo runter, dass einem Hören und Sehen vergeht. Dabei verzieht sie keine Miene und auch bei ihr hat man dieses Gefühl, als wäre das Solo das Einfachste von der Welt. Smith ist in Musikerkreisen keine Unbekannte, sie war jahrelang als Bassistin von Superstar Prince mit dabei. Bei „Morning Dew“ kommt ein Sänger auf der Bühne, der sich bislang ziemlich unspektakulär am Bühnenrand aufgehalten hat. Er heißt Jimmy Hall und hat erstmals 1985 mit Jeff Beck auf dessen Album Flash zusammengearbeitet. Als Sänger der Southernrock-Band Wet Willie hat er sich seine ersten Sporen verdient. Die Band war in den 70er Jahren aktiv und ist mittlerweile nicht mehr existent. Jimmy Hall hat eine Hammer-Stimme, die mich ein bisschen an Graham Bonnet erinnert. Er ist auf der Bühne sehr viel unterwegs und versucht, das Publikum währenddessen zum Mitklatschen zu animieren. Nach ein paar gesungenen Stücken geht es wieder mit Instrumental-Songs weiter. Mit dabei ist bei dieser Tour erstmals Vanessa Freebairn-Smith. Die Cellospielerin, die hin und wieder auch zur E-Gitarre greift entlockt ihrem Instrument recht untypische Töne, die jedoch perfekt zu den Songs passen. „Little Wing“ von Jimi Hendrix gerät für mich zum Highlight des Abends. Hier hätte ich stundenlang zuhören können, Jeff Beck spielt eine geradezu ergreifende Gitarre. Ansagen macht er so gut wie keine. Das heißt: Hin und wieder spricht er in sein Mikro, ich verstehe ihn jedoch aufgrund der undeutlichen Aussprache überhaupt nicht. Selbst bei der Vorstellung der Musiker verstehe ich keinen einzigen Namen richtig. „Superstition“ vom Beck Bogert & Appice-Album wird in einer geradezu gewaltigen Version präsentiert. Hier merkt man, dass Jeff Beck großen Gefallen daran findet, seine weiße Stratocaster nach allen Regeln der Kunst röhren zu lassen. Die Stimmung im Circus kann man als magisch beschreiben, das Publikum inklusive mir ist regelrecht von den Socken. Das Instrumental „A Day In The Life“ von den Beatles haut mich dann zum Ende des regulären Sets noch völlig aus den Latschen, besser kann man diesen Koloss von Song nicht vertonen. Bei den Zugaben hätte ein gewisser Rod Stewart sicher seine Freude gehabt. „You Shook Me“ und das anschließende „Going Down“ geraten zum perfekten Abschluss eines Mega-Konzerts. Jeff Beck und seine Band verneigen sich vor dem begeisterten Publikum, das an diesem Abend für eine magische Stimmung gesorgt hat. Nach 100 gehaltvollen und äußerst kurzweiligen Minuten ist dann Schluss. Ich hätte – entgegen meinen Erwartungen bei so manchen Gitarristen – hier noch stundenlang zuhören können. Am meisten hat mich beeindruckt, wie unspektakulär Jeff Beck auf der Bühne agiert und wie er mehr oder weniger nebenbei wahre Kabinettsstückchen auf der Gitarre abzieht. Kann man ohne Einschränkung wärmstens empfehlen! Setlist ca.: Pull It Stratus Nadia You Know You Know Morning Dew I Have to Laugh Star Cycle Lonnie on the Move Mná na h-Éireann Just for fun Little Wing A Change Is Gonna Come Big Block Cause We've Ended As Lovers You Never Know Brush with the Blues Blue Wind Superstition A Day in the Life --- You Shook Me Going Down Stefan Graßl |
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