Musik an sich


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Rameau, J.-Ph. (Gaigg)

Zaïs & Hippolythe et Aricie (Orchestersuiten)


Info
Musikrichtung: Barock Orchester

VÖ: 01.05.2011

(Crystal Classics / Delta Music / CD / DDD / 2010/ Best. Nr. N 68 063)

Gesamtspielzeit: 62:08



KLANG- UND KÖRPERBETONT

Eine Rameau-Kreation mit deutsch-italienischem Zungenschlag! Das österreichische L’Orfeo Barockorchester hat unter der Leitung seiner ersten Violinistin Michi Gaigg eine rhythmische pointierte und kraftvoll artikulierte Einspielung zweier Opernsuiten vorgelegt. Tänze aus Zaïs & Hippolythe et Aricie zeigen, dass Rameau einer der originellsten Komponisten nicht nur im 18. Jahrhundert gewesen ist. Von Rameau werden selbst auf kleinem Raum – viele der Stücke dauern weniger als ein oder höchstens zwei Minuten - nicht nur mit sicherem Strich die Bewegungstypen plastisch herausgearbeitet, sondern richtige Charakterminiaturen entworfen. Zusammen mit einigen pittoresken ‚Symphonies‘ ergeben diese Suiten so ein klingendes Bilderbuch von rasch wechselnden Stimmungen und Szenen.
Im Zuge der Wiederentdeckung Rameaus in den letzten Jahre sind nicht umsonst zahlreiche Bühnenwerke auf CD veröffentlicht worden. Deutlich wurde dabei auch, wie Rameau sein musikalisches Vokabular variierte, einzelne Tanz-Muster durch Bearbeitungen oder Rekombination vorhandenen Materials neu ausgestaltet hat.

Vor allem der packende Zugriff der kräftig besetzten, virtuos aufspielenden Streicher verleiht den Sätzen Energie und Schwung; auch in den langsamen Stücken spürt man die Spannung. Typisch französisch: Ober- und Unterstimmen dominieren. Der brillante, körperhafte Ansatz des Ensembles betont diese Gewichtung noch, ohne dass es aufdringlich wirken würde. Trotz der rokokohaften Verfeinerung vor allem im Zaïs-Ballett betont Gaigg mit ihren Leuten die rustikale Note der Musik; dadurch unterscheidet sich der Stil von der quecksilbrigen Eleganz à la Christie ebenso wie von dem kraftvollen Strich Marc Minkowskis oder der vor-romantischen Opulenz, die diese Musik bei Frans Brüggen gewinnt. Mag darüber auch die oft hintergründige, doch tiefe Melancholie von Rameaus Musik etwas in den Hintergrund treten, so überzeugt diese Herzhaftigkeit dennoch. Gegenüber der Vorgängerproduktion mit Rebels Elements und einer Suite aus Rameaus Oper Castor et Pollux spürt man zudem eine gewachsene Vertrautheit mit der Biegsamkeit und Eleganz des französischen Stils. Ich bin gespannt, in welche Richtung sich das Ensemble auf diesem Terrain weiter entwickelt.



Georg Henkel



Trackliste
01-19 Suite aus Zaïs
20-38 Suite aus Hippolythe et Aricie
Besetzung

L’Orfeo Barockorchester

Michi Gaigg: Violine & Leitung


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