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Poulenc, F. (Van Immerseel)
Konzert für Zwei Klaviere und Orchester u. a.
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Info |
Musikrichtung:
Klassische Moderne Konzert
VÖ: 01.06.2011
(Zig Zag Territoires / Note 1 / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. ZZT 110403)
Gesamtspielzeit: 72:00
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NEOKLASSIZISTISCHE FASSADENMALEREI
Wieso die Werke von Francis Poulenc weitgehend aus dem Konzertleben verschwunden sind, mochte Jos van Immerseel nicht einleuchten. In einer Konzertserie in Brügge setzte er sich mit seinem Anima Eterna Orchester historisch informiert für den Neoklassizisten ein - und demonstriert auf allerhöchstem Niveau, was dieser Komponist zu bieten hat.
Das Konzert für zwei Klaviere und Orchester von 1932 ist eine Art Lido-Revue der Klassik. Von Bach bis Chopin, auch ein wenig Gershwin und indonesisches Gamelan reichen sich bei dieser Show die modern eingefärbten Anspielungen die Hand. Live macht dieses Potpourri gewiss viel Vergnügen. Man kann es nonchalant oder geistreich finden: Ein lässiges Spiel mit dem Guten, Schönen und Wahren der Tradition. Jos van Immerseel lobt diese formale Entgrenzung und Großzügigkeit als innovativ.
Man kann diese Musik wegen ihres Einfallsreichtums auch schlicht ermüdend finden. Es ist eben irgendwie alles interessant hier. Doch im Ganzen ergibt das üppig verzierte und doch kühle Oberflächen. Angesichts der famosen Orchesterleistung und des außerordentlichen Klangreichtums sehnt man sich nach Gustav Mahler, bei dem die Ironie wenigstens echt ist. Auch die Respighi-Welt der Suite Français (1935) konnte mich trotz der köstlichen Bläserfarben und Stravinsky-Nähe nicht wirklich überzeugen; die Übertragung der Renaissance-Tänze gefällt sich wie schon das Doppelkonzert in einem ständigen Augenzwinkern, das auf Dauer ähnlich penetrant wirkt wie das dynamische Feuerwerk, das Poulenc in seinen Konzerten zündet.
Am ehesten gelingt die Synthese von altem und neuem Stil noch im Concert Champêtre, beim dem sich Jos van Immerseel für den Einsatz eines Cembalos nach historischem Vorbild statt einer originalen Pleyel-Hybride Anno 1900 entschieden hat – für die Musik ist das sicher ein Glücksfall. Der tote Pleyelklang hätte der Musik wohl viel von ihren malerischen Effekten genommen. Die filmmusikalischen Assoziationen, die diese Musik weckt, werden durch eine konsequentere Durchformung des Materials ausbalanciert.
György Ligeti sprach im Zusammenhang mit Stravinskys neoklassischen Werken einmal von Leichenfledderei. Ein hartes Wort, das dennoch seine Berechtigung hat. Ohne Zweifel sind auch Poulencs ‚Leichen‘ hübsch herausgeputzt. Es gibt überwiegend Stilfassaden zu hören, an denen alles nur noch Reminiszenz und Geste zu sein scheint. Ein anything goes, das sich schnell verbraucht. Auch darum wird Stravinsky noch immer gespielt (wenngleich eher der frühe, vorklassizistische), während Poulencs Zeit wohl doch vorbei ist.
Angesichts der vorzüglichen Einspielung und des hörbar leidenschaftlichen Einsatzes aller Beteiligten ist es schade, dass diese Musik schon nach kurzer Zeit ihre Faszination einbüßt.
Georg Henkel
Trackliste |
01-03 Concerto pour 2 pianos et orchestre
04-10 Suite Français
11-13 Concert Champêtre |
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Besetzung |
Claire Chevallier: Klavier
Katerina Chroboková: Cembalo
Jos van Immerseel: Klavier & Leitung
Anima Eterna Brugge
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