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STERN ÜBER KÖLN




Info
Künstler: Edita Gruberova

Zeit: 07.06.2010

Ort: Kölner Philharmonie

Besucher: ca. 1.500

Fotograf: Georg Sagmeister

Internet:
Edita Gruberova

Am Ende war es, als wollte das Publikum den hellsten Stern am Belcanto-Himmel am liebsten gar nicht mehr aus der Kölner Philharmonie fortlassen: 20 Minuten lang gab es stehenden Applaus und Bravo-Rufe, wurden Blumen überreicht und Fanplakate entrollt. Es war der Triumph der Grande Dame des Belcanto, es war der Abend der Edita Gruberova. Die Titelrolle in Donizettis Oper „Lucrezia Borgia“ hatte sie bereits 2009 an der Münchner Oper verkörpert, die DVD wurde hier vor einigen Monaten vorgestellt: MAS-Review
Zwar musste man sich in Köln mit einer konzertanten Aufführung begnügen, aber angesichts des eher minimalistischen Konzepts der Münchner Inszenierung fiel der Verzicht nicht allzu schwer. Die Primadonna jedenfalls war einmal mehr in Bestform, bewies, dass man das weite Rund der Philharmonie auch mit leisen Tönen bezwingend füllen kann, und dass sich die Kunst des Belcanto nicht allein im schönen Gesang erschöpft, sondern darin besteht, den Koloraturen Ausdruck und Gewicht zu verleihen. Jeden Ton formte Gruberova mit größtem Gespür für den Text und Ausdrucksgehalt, aller Schmerz der Welt, aber auch der tiefste Hass und die größte Verzweifelung schienen sich so in der Figur der Lucrezia zu vereinen, die ihre einzige echte Liebe, ihre Mutterliebe, verraten und verlacht wähnt und in ihrem blinden Zorn dabei letztlich sogar den geliebten Sohn zu Tode bringt. Sobald die Sopranistin ansetzte, legte sich – der Heuschnupfen-Saison zum Trotz – eine schier atemlose Spannung und Stille über das Publikum, die sich erst im stets frenetischen Szenenapplaus entlud. Donizetti hatte seinen Librettisten gebeten, besonders starke Szenen zu schaffen, „die Gefühle bis zum Erschauernlassen erregen würden“ – Edita Gruberova gelang es, genau dies zu evozieren.

Die orchestrale Grundlage hierfür schuf das WDR Rundfunkorchester Köln, bei dem der junge, sehr engagierte Dirigent Andriy Yurkevych allerdings italienisches Feuer erst einmal entfachen und anfängliche Wackler bei den Einsätzen der Bläser in den Griff bekommen musste. Dann aber ließen sich die Musiker mehr und mehr mitreißen.
Lucrezias eifersüchtigen Ehemann Alfonso verkörperte Franco Vassallo, der sich schon in der Münchner Produktion bewährt hatte, und auch an diesem Abend herzhaft böse und durch ein Bassbaritonstimme mit profunder Tiefe überzeugte. Nicht gerade seinen besten Tag (so will man zumindest hoffen) hatte José Bros erwischt: Der Tenor meinte, als Lucrezias Sohn Gennaro den Raum durch Krafteinsatz füllen zu müssen, wobei es ihm aber bis zum Schluss nicht gelang, die Töne in der hohen Lage angemessen zu weiten. Es zeigte sich bei ihm durchweg ein unangenehmer Beiklang von metallischer Schärfe in den Spitzentönen, bedingt durch die enge, kehlig wirkende Tongebung. Die Wechsel in dieses Register vollzog Bros zudem mit erheblichen stimmfarblichen Brüchen. Gute Tenöre für das Belcanto-Fach sind derzeit leider weiterhin Mangelware.
Dafür gab es höchst positive Überraschungen bei den kleineren Partien: So gewann die spanische Mezzosopranistin Silvia Tro Santafé mit ihrer gleichermaßen charmanten wie glutvollen Darstellung des Orsini im Handumdrehen das Publikum. Ihr Vortrag war voller Schmelz und doch stark an Volumen, dabei differenziert und von überzeugendem Spiel begleitet. Verdient erhielt sich am Schluss mit den stärksten Beifall. In dem gelungenen Bemühen um einen zumindest „halb-szenischen“ Ansatz und damit um eine illustrierende Belebung des musikalischen Geschehens erwies sich auch der Belgier Thomas Blondelle als Gewinn für die Aufführung.
Der Chor der Kölner Oper meisterte seine wenigen Auftritte präzise und dramatisch, aufgrund zahlenmäßig starker Besetzung aber vielleicht etwas zu kraftvoll.

Wer den Abend erleben durfte, kann den kleinen Fanclub verstehen, der der Gruberova zu wirklich jedem Konzert nachreist und seine Transparente entrollt – eigentlich darf man sich keines dieser Ereignisse entgehen lassen. Um so erfreulicher, dass es der Kölner Philharmonie gelungen war, diesen vielgefragten Star zum ersten Mal seit 2003 endlich wieder für einen unvergesslichen Abend in die Metropole am Rhein zu holen.


Sven Kerkhoff



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