AC/DC und Accept live in Stuttgart - 1:0 für Australien
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AC/DC-Konzerte sind mittlerweile eine kostspielige Angelegenheit. Die Ticketpreise sind enorm – bis zu 85 Euro für die reguläre Karte und die Spielorte sind meist riesige Stadien oder Plätze. Aufgrund der Tatsache, dass ich bei Ebay günstigere Karten bekommen habe (70 Euro pro Stück), Accept als Vorband bestätigt wurden und dies wohl die letzte AC/DC-Tour ist, habe ich mich kurzfristig entschlossen, trotzdem hinzugehen. Als ich in Stuttgart ankomme, gestaltet sich die Parkplatzsuche etwas schwierig, aber in dem Parkhaus Nähe Stadion kommt man gut unter. Ich war noch nie vorher bei einem Konzert am Wasen und bin deshalb sehr gespannt, wie die Bühne und das Gelände aussehen. Als ich dort ankomme, bin ich erstmal platt. Der Platz ist riesengroß und die Bühne ewig weit weg. In einem Stadion sind mehr als die Hälfte der Leute auf den Rängen - hier sind sage und schreibe 100.000 Leute auf einem quadratischen Feld direkt vor der Bühne. Die Bühne ist sehr niedrig und leider auch die Leinwände. Vor allem kleinere Leute wie ich sehen da relativ wenig bis gar nix. Ich befürchte bereits jetzt das Schlimmste.
Bereits um 19 Uhr beginnt die Teutonen-Institution ACCEPT mit dem Intro von „Metal Heart“ und dann geht’s auch schon los. Hier kommt ein weiteres Problem: Die Lautstärke. Aus irgendeinem Grund ist nur die Boxenreihe direkt vor der Bühne angeschaltet - die beiden anderen Boxenreihen mitten im Publikum bleiben aus. Was soll diese Aktion? Ich meine: Man hört die Musik. Aber etwa in der Lautstärke, in der ein Rockfan zuhause Musik hört. Ich hoffe während „Metal Heart“ inständig, dass sich das ändert, doch leider vergeblich. Accept, eine Band die einen guten und druckvollen Sound braucht wird hier in Zimmerlautstärke präsentiert. Was für eine Frechheit! Ein Großteil der Leute, die Accept sehen wollten, schüttelt ungläubig den Kopf. Ich seh nix, hör nix - was soll die Scheiße? Da kann ich eigentlich gleich wieder gehen. Ein paar mal stelle ich mich auf Zehenspitzen und sehe, wie sich Peter Baltes, Wolf Hoffmann, Stefan Schwarzmann, Hermann Frank und der neue Sänger Mark Tornillo spielfreudig und agil präsentieren, wie eh und je. Das was man hört, klingt jedenfalls absolut geil! Peter Baltes rennt wie ein Irrer auf der Bühne herum und die Band freut sich sichtlich, wieder zusammen aufzutreten. Leider bleibt die Stimmung aufgrund des beschissenen Sounds komplett auf der Strecke. Hätten die Leute im hinteren Bereich mitgeklatscht, hätte man gar nichts mehr gehört. Man muss sich die Szenerie vorstellen: Die Jungs spielen „Princess Of The Dawn“ und fast keiner singt mit - weil man es fast nicht hört! Eine derartig bizarre Situation auf einem Konzert habe ich noch nie erlebt. Accept werden unter großen Beifall der vorderen Reihen verabschiedet und ich bin jetzt schon ziemlich angepisst. Was soll das? Sieht so „value for money“ aus? Na dann vielen Dank. Ich hoffe inständig, dass sie wenigstens bei AC/DC die komplette Anlage anschalten - sonst wird das Konzert ein absoluter Flop!
Setlist Accept:
Metal Heart
Living For Tonite
Restless And Wild
London Leatherboys
Breaker
Teutonic Terror
Bulletproof
Up To The Limit
Princess Of The Dawn
I'm A Rebel
Balls To The Wall
Nach einer kurzen Umbaupause beginnen AC/DC pünktlich um 20.30 Uhr. Auf der Videoleinwand wird Angus Young präsentiert, der im Schuljungenkostüm und mit Teufelshörnern einen Zug - den „Rock’n’Roll Train“ - anheizt. Zwei heiße Ladies halten ihn davon ab und er vergisst, den Zug zu stoppen. Rechtzeitig bremsen ist leider nicht mehr drin und so fährt der Zug mitten in die Bühne und AC/DC starten mit „Rock’n’Roll Train“ den Klassikerabend. Übrigens: Hier ist der Sound astrein, es sind sämtliche Boxen aktiviert und auch das Licht funktioniert. Trotzdem sieht man aufgrund der niedrigen Bühne von AC/DC auf der Bühne fast nichts - man muss sich wirklich an den Leinwänden orientieren. Brian Johnson präsentiert sich stimmlich in bester Verfassung und kämpft sich wacker durch die Songs. Nach fast jedem Song röhrt er ziemlich heißer ins Publikum, was seinen Gesang jedoch nicht negativ beeinflusst. Die Rhythmussektion mit Superbassist Cliff Williams, dem unermüdlichen Phil Rudd und dem unverwüstlichen Malcolm Young, bereitet den Klangteppich, den der nicht älter werdende Angus Young für seine Gitarrenexzesse braucht. Und wie sich der wieder aufführt, ist wirklich ganz großes Kino. Ich hab AC/DC zuletzt 2003 als Vorband der Rolling Stones auf dem Hockenheimring gesehen und damals waren sie ebenfalls sehr stark. Aber im Vergleich zu heute scheint Angus noch eine Schippe drauf zu legen. Ständig in Bewegung schießt er wie von einer Tarantel gestochen von einer Bühnenseite auf die nächste und ich frage mich tatsächlich, ob er dieses hohe Tempo wirklich durchhält.
Ein Highlight jagt das andere. „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ wird von Brian Johnson als „special song for Stuttgart“ präsentiert und kommt beim Publikum super an. „Thunderstruck“ schlägt in die gleiche Kerbe und Stuttgart steht komplett Kopf. Zufälligerweise spielt an diesem Abend die australische Fußballnationalmannschaft gegen die Deutsche - es ist WM in Südafrika. Immer wieder geht während des Konzerts eine Jubelarie durchs Publikum. Deutschland besiegt Australien an diesem Tag mit 4:0 und ein Großteil der Fans wird über SMS informiert. „Black Ice“, der Titelsong des neuesten Albums ist der Schwachpunkt des kompletten Konzerts und nimmt den Schwung vollständig raus. „The Jack“, ohne den wahrscheinlich kein AC/DC-Konzert ablaufen kann, bietet den Rahmen für Angus’ obligatorische Striptease-Show. Das Publikum frisst ihm förmlich aus der Hand und ich finde, dass der Song für die Aktion sehr gut passt. „Hells Bells“ kommt anschließend und Brian turnt wie ein Verrückter auf der Glocke herum. „Shoot To Thrill“, ein weiterer Publikumsliebling, hält die Stimmung am Siedepunkt und das anschließende „War Machine“ vom neuen Album wird mit coolen Videosequenzen unterstützt. Es werden keine Bomben abgeworfen, sondern Gitarren. Am Schluss des Songs kracht die AC/DC-Glocke auf ein Schlachtschiff - eine klare Ansage gegen Kriegstreiber aller Nationen.
Nun folgt Klassiker auf Klassiker. „High Voltage“ präsentiert die Band unglaublich wuchtig und „You Shook Me All Night Long“ wird erwartungsgemäß vom Publikum förmlich herbeigesehnt - und entsprechend abgefeiert. Bei „Whole Lotta Rosie“ lässt sich Bon Scotts ehemalige übergroße Gespielin auf dem Rock’N’Roll Train, der bereits auf der Bühne steht, nieder, was ziemlich cool aussieht. „Let There Be Rock“ ist für mich das Highlight des Konzerts. Das liegt an Angus Young. Was der hier während des Songs bringt, ist absolut unfassbar. Er spielt hier ein schweißtreibendes Solo nach dem andern und holt das letzte aus sich heraus. Dabei hechtet er permanent auf der Bühne herum und ich frage mich ernsthaft, wo er die Energie hernimmt. Bei den Solos wirkt er komplett abwesend, versunken in seiner Welt. Das ist für mich das Faszinierende - wie jemand so in seiner Musik aufgehen kann. Allein dieser Song zeigt, dass diese Band noch immer die Power hat, die sie über die ganzen Jahre ausgezeichnet hat. Als Zugaben werden noch „Highway To Hell“ und natürlich „For Those About To Rock“ gespielt. Bei diesem Song bin ich ein bisschen enttäuscht, dass die Kanonen zwar aus allen Rohren feuern, jedoch fast nicht zu hören sind. Nach dem Konzert gibt es viel Applaus von den Fans und die Australier verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind.
Das Konzert war absolut geil, Angus Young allein war das Eintrittsgeld wert. Die größte Enttäuschung an diesem Abend ist das Festivalgelände und der Sound. Der Wasen ist für Konzerte in dieser Größenordnung völlig untauglich. Es wäre gegangen, wenn die Bühne wesentlich höher wäre und die Videoleinwände ebenfalls höher aufgehängt worden wären. So aber bleibt das Gefühl, zwar beim Konzert einer Band gewesen zu sein, sie aber selbst auf der Bühne fast gar nicht gesehen zu haben, sondern nur auf den Videoleinwänden - und das nicht richtig gut. Und was Accept angeht: Ich finde es eine absolute Frechheit, dass man eine Band mit einem solchen Legendenstatus mit so einem beschissenen Sound förmlich verarscht. Außerdem ist es ein Schlag in die Fresse eines jeden Accept-Fans, der sich seine Band live anschauen wollte. So was kann man doch nicht machen, Leute! Derjenige, der für den Sound verantwortlich war, gehört jedenfalls ordentlich abgewatscht! Bitte fass nie wieder ein Mischpult an!
Setlist AC/DC:
Rock’n’Roll Train
Hell Ain't a Bad Place to Be
Back in Black
Big Jack
Dirty Deeds Done Dirt Cheap
Shot Down in Flames
Thunderstruck
Black Ice
The Jack
Hells Bells
Shoot to Thrill
War Machine
High Voltage
You Shook Me All Night Long
T.N.T.
Whole Lotta Rosie
Let There Be Rock
Highway to Hell
For Those About to Rock (We Salute You)
Stefan Graßl
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