Musik an sich


Reviews
Buxtehude, D. (Wilson)

Wacht! Euch zum Streit (Das jüngste Gericht)


Info
Musikrichtung: Oratorium

VÖ: 26.05.2006

Sony Classical / Sony BMG (2 SACD hybrid (AD: 18.-21.10.2005) / Best.nr. 82876782652)

Gesamtspielzeit: 130:37

Internet:

Musica Fiata

Sony Classical



DAS WELTGERICHT IN OPERNFORM

Wenn man Bach in Leipzig einst vorwarf, seine Musik sei zu opernhaft ("Behüte Gott, ihr Kinder! Ist es doch, als ob man in einer Opera Comedie wäre!" soll der Ausruf einer Zuhörerin bei der Matthäus-Passion gewesen sein), so hätte Buxtehude (1637-1707) sich diesen Vorwurf nur allzu gern gefallen lassen. Mit dem wohl Buxtehude zuzuordnenden Oratorium "Das jüngste Gericht", dem einzigen überlieferten Oratorium des Komponisten, wollte er das Ende der Zeiten "auff der Operen Art" darstellen. Die drei Akte dürften vermutlich im Rahmen der Lübecker Abendmusiken auf drei Sonntage verteilt aufgeführt worden sein. Diese von Buxtehude selbst initiierten Abendmusiken waren ein überregional bedeutsamer Publikumsmagnet, zogen dabei aber v.a. auch ein eher durchschnittlich gebildetes Publikum an.
Buxtehude wusste dies zu berücksichtigen, denn komplexe Strukturen und eine vertrackte Kontrapunktik, wie man sie sonst bei ihm findet, sucht man hier vergeblich. Vielmehr ist die musikalische Umsetzung fast schlicht, wenngleich vorliegend reich instrumentiert, manchmal sogar deftig und über weite Strecken strophisch angelegt.

Die Thematik des Weltgerichts wird dabei textlich nicht in äußerlich dramatischer Weise vermittelt, sondern als innerer Konflikt. Die drei Laster Hoffart, Stolz und Leichtfertigkeit versuchen im ersten Teil mit ihren Verlockungen den Menschen und lassen sich auch von der "Göttlichen Stimme" kaum in die Schranken weisen. In den folgenden Akten wird sodann das Wesen und Schicksal der guten und der bösen Seele vorgestellt - natürlich ergeht es letzterer im Gericht so übel, dass ihr Untergang für den Zuhörer Mahnung und Belustigung zugleich ist.

Es ist tatsächlich erstaunlich, mit welch "weltlichen" Mitteln Buxtehude hier das geistliche Thema umsetzt. Keineswegs andächtig-erbaulich werden die Konflikte zwischen Gut und Böse gemalt, sondern ganz lebensnah und volkstümlich - da werden die zuerst noch strahlenden Töne der geldgierig-bösen Seele dann plötzlich auch einmal ziemlich schräg und falsch.
Das Orchester nimmt diesen derben Ansatz in Roland Wilsons Interpretation klarer auf, als die Sänger. Mit Viola da Gamba, Cornetto, Dulcian und Chiterrone wird zudem für klangfarbliche Abwechslung gesorgt. Die Vokalsolisten lehnen sich hingegen noch sehr eng an unsere heutige Vorstellung von geistlicher Musik an und wagen es nur selten, theatralisch und auch einmal mit Mut zur Hässlichkeit an die Sache heranzugehen. Dadurch hätte das Werk gewiss mehr Spannung erhalten, die über die nach drei Akten doch auffallende musikalische Schlichtheit der Komposition hinweggeholfen hätte.
Besonders erwähnt zu werden verdienen jedoch Cornelia Samuelis (Sopran), die der "Guten Seele" eine Stimme voller Reinheit und kindlicher Freude verleiht, sowie Wolf Mathias Friedrich. Mit seinem profunden Bass verkörpert er die "Göttliche Stimme" zugleich imposant und differenziert.

Trotz gewisser Einschränkungen hat Roland Wilson mit dieser Rekonstruktion und Einspielung des Oratoriums bereits einen gewichtigen, zugleich überraschenden und informativen Beitrag zum bevorstehenden Buxtehude-Jahr geleistet, der ein neues Licht auf den Komponisten wirft. Das mag ihm 2007 erstmal einer nachmachen.



Sven Kerkhoff



Besetzung

La Capella Ducale
Musica Fiata

Ltg. Roland Wilson


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>