Geminiani, F. (Schneider)
Der Zauberwald
|
|
Info |
Musikrichtung:
Barock
VÖ: 01.05.2004
Capriccio / Delta Music (CD DDD (AD: 2003) / Best. nr. 67081)
Gesamtspielzeit: 58:10
Internet:
Capriccio
|
|
|
ZAUBERHAFT: GEMINIANI AN DER SCHWELLE ZUM ROKOKO
Francesco Geminiani (1687-1762) hat es seinen Mitmenschen nicht immer leicht gemacht: Im Orchester und als Konzertmeister zeigte er sich eigenwillig, gut dotierte Posten lehnte er mangels Anpassungsbereitschaft ab und seine Liebe zum Gemäldehandel brachte ihn mehrfach in finanzielle Schwierigkeiten. Eigenwillig sind, bei aller Nähe zu Corelli, auch seine Concerti grossi. Das Konzert op. 7 Nr. 6 beispielsweise scheint mehr eine Ansammlung lose verbundener musikalischer Sinneinheiten zu sein, die zudem häufig auf einzelne, nationale Stilelemente zurückgreifen, ohne diese miteinander zu verschmelzen. Es entsteht eine Art "Panorama der Möglichkeiten". Wahrhaft kühn in Bezug auf die Harmonik und in der Subjektivität der Tonsprache ist das Affetuoso in diesem Konzert zu nennen, in welchem Streicher und Fagott sich die fast schwärmerisch-romantisch wirkenden musikalischen Bälle zuspielen.
Nicht weniger kurios ist auch das Konzert op. 7 Nr. 4, in dem breite Passagen allein dem Concertino aus Soloviolinen, Flöten und Basso continuo anvertraut sind, während das Orchester erst nach 51 Takten einfällt. Der Schlußsatz mutet in seiner Satztechnik und Gestaltung hingegen fast provozierend antiquiert an.
Das erstaunlichste Werk auf der CD ist aber mit Sicherheit "Der Zauberwald". Geminiani schrieb das Stück, als die Phase seiner großen Orchesterwerke bereits vorbei war. 1754 diente die Musik als Untermalung für eine Ballettpantomime, wenig später arbeitete Geminiani sie zu einem zweiteiligen Orchesterkonzert um. Es handelt sich um eine frühe Form von Programmusik. Dem Ballett lagen zwei Episoden aus Torquato Tassos fantatsischer Kreuzfahrererzählung "Gerusalemme liberata" (Das befreite Jerusalem) zugrunde; aus dieser Quelle haben sich viele Komponisten und Librettisten vorher und nachher bedient (man denke an Monterverdis "Combatimente di Tancredi e Clorinda", an die Armida-Vertonungen durch Gluck, Haydn und Rossini oder an Händels "Rinaldo"). In den hier zugrundeliegenden Kapiteln spielt die Handlung in einem verwunschenen Wald (die Übersetzung "Zauberwald" erscheint etwas euphemistisch - "Hexenwald" wäre wohl treffender). Tapfere Ritter, Liebeshändel, fromme Männer, Nymphen und Hexen bevölkern die Szene. Nicht immer ist herauszuhören, was Geminiani musikalisch nachzuzeichnen versucht, denn manches Mal scheint ihm das Evozieren von Stimmungen wichtiger gewesen zu sein, als eine Nachvertonung des dramatischen Geschehens. Nichtsdestotrotz gibt es u.a. Feuer, Sturm, Regen und das Fällen eines Baumes zu hören. Das alles geschieht unter dem geschickten Einsatz einer üppigen Orchesterbesetzung mit Trompete, Flöten, Hörnern, Fagotten und Streichern. Die Musik ist extrem vielgestaltig und kurzweilig. Von barocker Klangpracht bis zu zärtlich-verspielter Rokoko-Tändelei reicht das Spektrum der 22 kurzen Instrumentalsätze.
Was das erfahrene Ensemble La Stagione Frankfurt aus diesen Preziosen macht, kann sich wahrlich hören lassen. Unter seinem Leiter Michael Schneider rauscht mal ein breiter Klang auf, mal flüstert und säuselt es zurückhaltend. Stets ist das Spiel akzentuiert, immer sind die Einsätze messerscharf. Auch in den Solopassagen präsentieren sich alle Musiker auf allerhöchstem Niveau. Dabei gelingt der Balanceakt zwischen lebendigem Musizieren und kultiviertem Klang perfekt. Geminiani wird uns so als ein seinem Zeitgenossen Händel ebenbürtiger, bisweilen sogar originellerer Komponist vorgestellt, dessen Werke man sich noch öfter so geistreich und engagiert vorgetragen wünschen würde. Das Klangbild der Aufnahme ist ausgewogen und gut gestaffelt. Im Beiheft finden sich aufschlußreiche Anmerkungen und Überlegungen des Ensembleleiters.
Sven Kerkhoff
Trackliste |
1-6 Concerto grosso op. 7 Nr. 6 B-Dur 7-28 Der Zauberwald (The Enchanted Forest) 29-31 Concerto grosso op. 7 Nr. 4 d-moll
|
|
|
|
|
Besetzung |
La Stagione Frankfurt
Ltg. Micheal Schneider
|
|
|
|