Bartok, B. (Tetzlaff / Andsnes)
Violin-Sonaten
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Info |
Musikrichtung:
Kammermusik
VÖ: 14.05.2004
Virgin Classics / EMI CD (AD 2003) / Best. Nr. 7243 5 45668 2 0
Gesamtspielzeit: 78:43
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DIE WAHRE MODERNE
Verblüffend: Verglichen mit der zeitgenössischen Kammermusik von Helmut Lachenmann, Luigi Nono (Assai) und Fabian Müller (Capriccio), die ich ebenfalls in der aktuellen MAS-Ausgabe vorstelle, scheinen mir die Werke von Bela Bartók auf dieser CD eigentlich die radikaleren und (zeitlos) moderneren zu sein. Bei Lachenmann und Nono gibt es zwar die avancierten Klänge bzw. Klangfarben in neuartiger formaler Organisation zu hören. Aber wie es Bartok gelingt, „nur“ mit den klassischen Mitteln Melodie, Harmonie und Rhythmus eine Musik zu schreiben, die zugleich höchst ausdrucksvoll, gestalthaft und abstrakt ist und dabei noch so ganz nebenbei in ganz unerhörte Klangregionen vordringt, das ist wirklich erstaunlich. Dabei verschmilzt er Atonalität à la Schönberg und Debussysche Pentatonik auf höchst originelle Weise mit den Ergebnissen seiner eigenen musikethnologischen Forschung. Die Rumänische und ungarische Volksmusik wird von Bartok allerdings nicht einfach dekorativ assimiliert, sondern als aufregend moderne, wahrhaft „neue“ Musik vorgestellt. Fabian Müllers postmoderner Stilpluralismus gibt sich dagegen viel harmonischer und versöhnlicher. Bei Bartok steht das „Material“ dagegen immer unter Hochspannung, selbst in den langsamen Sätzen.
Dass diese Musik 60 bzw. 90 Jahre nach ihrer Entstehung so aufregend unverbraucht daherkommt, verdankt sich aber auch den beiden Interpreten, dem Violinisten Christian Tetzlaff und dem Pianisten Leif Ove Andsnes, seit 10 Jahren ein eingespieltes und zu recht hochgelobtes Team. Die gestalterische Intelligenz in den beiden Violinsonaten macht aus dieser mal wilden und eruptiven, dann wieder ätherisch verklärten Musik eine akustische Achterbahnfahrt, wobei sich Tetzlaffs Strenge und Andsnes Gelassenheit aufs beste ergänzen. Beide Solisten versagen sich (und dem Hörer) selbst da, wo es möglich wäre, eine gefällige „volksmusikantische“ Zurichtung der Stücke und akzentuieren dagegen die Modernität Bartóks. Ein Höchstmaß an klanglicher Differenzierung und strukturelle Klarheit halten sich dabei die Waage. Nicht weniger stringent und überzeugend gerät Tetzlaff die Sonate für Solo-Violine, die das Bachsche Vorbild in die Musiksprache des 20. Jahrhunderts überführt (und an formaler und klanglicher Komplexität noch zu übertreffen sucht).
Georg Henkel
Trackliste |
01-03 Violinsonate Nr. 1 04-05 Violinsonate Nr. 2 06-09 Sonate für Solo-Violine
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Besetzung |
Christian Tetzlaff, Violine Leif Ove Andsnes, Klavier
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