Koskinen, A. (Ahonen, J.)

Fuga Indiana


Info
Musikrichtung: Neue Musik / Klavier

VÖ: 07.06.2024

(Alpha / Naxos / CD / DDD / 2023 / Alpha 1042)

Gesamtspielzeit: 57:55



OST-WESTLICHE FUSION

Indische Fugen? Tatsächlich fusioniert der finnische Komponist Arto Koskinen, Jahrgang 1947, in seinem über zwei Jahrzehnte entstandenen Zyklus „Fuga Indiana“ die quart-, quint- und oktavbasierten nordindischen Ragas mit westeuropäischer Kontrapunktik: Fuge, Kanon, Imitation. Und als sei das noch nicht genug, wird dieser Musik zusätzliche Energie aus dem afroamerikanischen Jazz und Blues injeziert. Neben den Ragas nennt Koskinen unter anderem Jimi Hendrix und John Coltrane sowie die Fugen des späten Beethoven und von Schostakowitsch als Inspiration.

Voilà: Präludien und Fugen in barocker Manier gehen mit modaler Exotik, Blue-Notes und moderner Rhythmik eine attraktive zeit- und raumübergreifende Melange ein, die improvisiert wirkt, selbst wenn sie sehr genau konstruiert ist. Die Rhythmisierung der Stücke – im Grunde ein komponiertes Rubato – sorgt für Spontaneität und Lebendigkeit. Dabei wirkt diese mäandernde Musik mangels funktionstonaler Spannungen in sich ruhend auch da, wo der Komponist ein schnelleres Tempo und schärfere Akzente vorsieht.

Meist beginnen die Stücke wie die großen Raga-Aufführungen mit der langsamen Entwicklung der Basismelodie, die in kreisförmigen Motivfortspinnungen auf der Quinte, Quarte oder Oktave weiter entfaltet wird. Gegen Ende dann beschleunigt und verdichtet sich das Ganze vor allem in den Fugen zu einem virtuos-affirmativen Schluss, bevor das Stück die Ruhe des Anfangs zurücksinkt. In dieser Hinsicht ähneln sich die Stücke, sind aber in der jeweiligen "Farbe" und der Gestaltung der Details durchaus unterschiedlich. Aufgrund der modalen Harmonik erinnern sie auch an Mittelalterliches, z. B. die Notre-Dame Organa des 12. und 13. Jahrhunderts. Auch Quasi-Volksmusikalisches gibt es zu entdecken, dann wieder fühlt man in eine archaische Piano-Lounge versetzt – die modale Grundierung der Musik eröffnet vielerlei Assoziationen. Was den Umfang angeht, verbleiben Koskinens Stücke aber anders als die ausladenden Raga-Improvisationen Indiens aber im westlichen Rahmen, dauern sie doch meist zwischen zwei und fünf Minuten.

Koskinens Landsmann, der Pianist Joonas Ahonen, widmet sich diesen Miniaturen mit einem samtigen und lyrischen Grundton, der vor allem dem meditativen Momentum dieser Musik gerecht wird. Vielleicht wirkt manches dadurch aber auch "smoother" als nötigt. Dennoch: Angesichts der aktuellen Tendenz der sogenannten "Neuen Klassik", die Musik marktkonform auf allerschlichteste Muster zu reduzieren und damit die immer gleichen postminimalistischen Klangtapeten zu produzieren, wirkt Koskinens eingängiger, aber nicht banaler Fusion-Stil reflektiert und durchaus erfrischend.



Georg Henkel



Besetzung

Joonas Ahonen, Klavier


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