Erlebach, P. H. (Guillon)
Lieder
FEINHEIT
Wohl selten passten Coverbild und Album derart stimmig zueinander: So bis in die Haarspitz fein gearbeitet wie jenes Renaissance-Portrait des Malers Pollaiuolo Antonio erscheinen auch die Stücke aus Philipp Heinrich Erlebachs (1657-1714) Arien-Sammlung "Harmonische Freude Musicalischer Freunde". Erlebachs Instrumentalmusik und seine Kantaten haben in den vergangenen Jahren zunehmend Aufmerksamkeit erfahren und die Erkenntnis wachsen lassen, dass man es bei ihm keineswegs mit einem mitteldeutschen Provinzkomponisten zu tun hat, sondern mit einer echten musikalischen Größe seiner Zeit. Um so bedauerlicher, dass ein Großteil seiner Werke verlorengegangen ist.
Wenig Beachtung gefunden haben in dem wenigen, was überliefert ist, bislang Erlebachs 1697 und 1710 im Druck erschienene Sammlungen "Moralisch- und Politischer Arien nebst zugehörigen Ritornellen", die in ihren insgesamt 75 Nummern textlich viel Weltschmerz und Betrachtung der Vergänglichkeit und Vergeblichkeit beinhalten. Die Bezeichnung "Aria" trifft ihren Charakter übrigens deutlich besser als der Album-Titel "Lieder", denn mit strophisch schlichten, eingängigen und instrumental lediglich begleitend untermalten Stücken hat man es hier weit weniger zu tun als mit veritablen, teils kantaten-, teils opernhaft ariosen Vokalwerken von zum Teil beachtlichem Ausmaß. Die Gesangslinie ist nicht rein melodisch geprägt, sondern von virtuosen Melismen und Verzierungen durchzogen, ausdrucksstark im Affekt und umrankt von einer teils durchaus komplexen, die Vokallinie umspielenden, aufgreifenden und durchwirkenden Instrumentalbegleitung.
Countertenor und Ensembleleiter Damien Guillon hat aus diesen Sammlungen echte Perlen ausgewählt und versieht die Vokalpartie so hingebungsvoll wie ausdrucksstark, dabei aber stets mit kammermusikalischer Intensität und Intimität. Seine Stimme verfügt jederzeit und in allen Lagen über die notwendige Süße im Ton. Die Affekte werden differenziert gestaltet und nicht plakativ ausgestellt. Die Balance zum Orchesterklang ist perfekt und das Ensemble Le Banquet Céleste präsentiert sich als ebenbürtiger Partner. In zwei eingeschobenen Triosonaten kann es seine Qualitäten noch einmal besonders ausspielen, indem es diese wahrhaftig zum Tanzen bringt.
Ein Album, das nach einer stillen Stunde am Abend verlangt, diese dann aber in überraschender Weise veredelt. Anleitung zum Umgang mit Shit-Storms inklusive (Track Nr. 2).
Sven Kerkhoff
Trackliste |
1 Seine Not recht überlegen 08:03
2 Des Tadlers Stich verlache ich 06:24
3 Liebe in Abwesenheit grünet durch Beständigkeit 10:00
4-8 Sonata quinta
9 Wer sich der Himmel übergeben 05:45
10 An Jammer und Beschwerlichkeit, da fehlt es hier zu keiner Zeit 07:37
11 Auf des Kreuzes Finsternis folgt die Sonne ganz gewiss 03:14
12-18 Sonata seconda
19 Ich finde schlecht Freud bei Unempfindlichkeit 04:08
20 Die Zeit verkehret, was uns beschweret 05:49 |
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Besetzung |
Le Banquet Céleste
Damien Guillon: Countertenor & Ltg.
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