Von Marschmusik bis Prog-Rock – seit 160 Jahren beschäftigt John Brown die Fantasie amerikanischer Künstler
Norbert ist nicht nur unser Chef-Redakteur. Er schreibt gelegentlich auch für andere Publikationen. Das folgende Manuskript erschien anlässlich des 220. Geburtstags des amerikanischen Abolitionisten John Brown in leicht redigierter Form in der Ausgabe 18/2020 vom 3. Mai 2020 in „die Kirche – Evangelische Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg und die schlesische Oberlausitz“. Norbert ist mehr oder weniger im Rahmen seines Engagements in der Partnerschaftsarbeit zwischen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz und der Penn Central Conference der United Church in Christ auf das Thema gestoßen. „John Browns Body lies a-mouldring in the Grave” ist mit seinem mitreißenden Refrain „Glory, Glory, Hallelujah!” ein echter Ohrwurm, den wir häufig in der Jugendgruppe zur Gitarre geschmettert haben. Über die Frage, ob dieser John Brown eine historische Person war, habe ich mir nie Gedanken gemacht. Von daher war ich mehr als überrascht, als ich bei einem Ausflug in den Norden des Bundesstaates New York in North Elba seine Farm und sein Grab entdeckte. Sie liegen im Schatten der Sprungschanzen von Lake Placid, die für die olympischen Winterspiele 1980 errichtet wurden und die bewaldeten Hügel der Adirondacks noch heute futuristisch wirkend überragen.
Brown hat das bescheidene Anwesen, heute ein Museum, 1855 erworben. Viel Zeit hat er dort allerdings nicht verbracht. Noch im selben Jahr ging er nach Kansas, wo sechs seiner Söhne lebten, um sich militanten Abolitionisten anzuschließen. Insgesamt hatte John Brown 18 Kinder, davon 13 mit seiner zweiten Frau, die mit einigen Kindern bis 1863 in North Elba blieb.
Im Rahmen der als „Bleeding Kansas“ bekannt gewordenen Auseinandersetzungen, die als Vorstufe des Sezessionskriegs gelten, war Brown 1856 mitverantwortlich für das Pottawatomie-Massaker, bei dem fünf Sklavereibefürworter entführt und mit Schwertern brutal hingerichtet wurden, ein Racheakt, obwohl sie mit dem Mord an einem Sklavereigegner selber nichts zu tun hatten. Geboren wurde John Brown am 9. Mai 1800 in Connecticut. Geschäftlich mehrfach gescheitert ging er 1849 in das offiziell am 13. Dezember 1849 gegründete North Elba, um dort einer Gemeinde freier Afroamerikaner zu helfen, die versuchten das bislang öde und unerschlossene Land zu bewirtschaften. Bereits in Neuengland hatte Brown gegen die Sklaverei gekämpft und sich in der so genannten Underground Railroad engagiert, einem Netzwerk, das Sklaven bei der Flucht aus den Südstaaten in den sicheren Norden der USA und nach Kanada unterstütze. Browns tief religiöser Vater hatte ihm beigebracht in der Sklaverei eine Sünde gegen Gott zu sehen. Im amerikanisch-britischen Krieg von 1812 hatte er die Brutalität der Sklavenhalter aus erster Hand beobachten können. Berühmt wurde Brown für einen Überfall am 16. Oktober 1859 auf ein Waffenlager der US-Armee in Harpers Ferry, gut 100 Kilometer nordwestlich von Washington. Brown wollte mit den Waffen eine Sklavenarmee ausstatten, um den ganzen Süden zu befreien. Der schlecht geplante Überfall ging schief. Mehrere seiner Männer wurden erschossen, darunter zwei seiner Söhne. Brown selber wurde gefangen genommen, verurteilt und am 2. Dezember im nahe gelegenen Charles Town wegen Hochverrats gehängt. Die Überführung seines Leichnams zu seiner Farm geriet zum sechstägigen Triumphzug mit Stationen unter anderem in Philadelphia und New York.
Am 8. Dezember wurde John Brown beigesetzt. Heute liegen auf dem kleinen Friedhof bei seiner Farm zwölf Personen. 1899 wurden sein Sohn Owen und neun weitere an Harpers Ferry Beteiligte hierher umgebettet. Bereits 1882 war sein Sohn Watson überführt worden. Seine Leiche war für medizinische Forschungen benutzt worden und befand sich seit 1862 in Martinsville, Indiana.
Trotz der militärisch nicht nur sinn- und erfolglosen, sondern darüber hinaus ethisch-moralisch mehr als fragwürdigen Aktionen ist John Brown zur Symbolfigur des weißen Widerstands gegen die Sklaverei geworden. Malcolm X hat in seiner Autobiographie auf die Frage, ob er bereit sei einen Weißen in seine Organisation aufzunehmen, geantwortet: „John Brown, wenn er noch leben würde, vielleicht.“ Bis heute beschäftigt John Brown die Fantasie der Amerikaner. „John Browns Body” wurde im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) zum beliebtesten Marschlied der Unionsarmeen. Die Rockband Kansas benutzte 1974 einen Ausschnitt eines Gemäldes von 1939, das Brown mit der Bibel in der einen und einem Gewehr in der anderen Hand zeigt, als LP-Cover. Johnny Cash hat ihn 1985 in der Fernsehserie North and South (deutsch: Fackeln im Sturm) verkörpert. Russell Banks (John Brown, mein Vater, 1998) und James McBride (Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford, 2013) haben die Geschichte von John Brown literarisch weitergesponnen. Norbert von Fransecky |
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