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Hier zirpt nichts! Neue CD's mit Cembalomusik



SKELLETIERTER KLANG!?

Der Klang eines Cembalos erinnere an zwei Skelette, die auf einem Wellblechdach Unzucht treiben, ließ sich einmal ein Musikwissenschaftler vernehmen. Meines Wissens gibt es keine pikantere Attacke gegen das berühmt-berüchtigte Tasteninstrument. Viele werden wahrscheinlich sofort an den zirpigen Klang denken, der dem Miss-Marple-Thema in den bekannten Filmen die unverwechselbare altjüngferliche Farbe verleiht. Zu hören ist hier allerdings kein barockes Originalinstrument, sondern eine moderner Variante des späten 19. Jahrhundert, eine Art Kreuzung aus gussstahlgepanzertem Konzertflügel und kielbewehrter Cembalomechanik. Was vermeintlich fortschrittlichem Denken entsprungen ist, produziert in Wirklichkeit jenen nadelspitzen Nähmaschinenklang, der einem ganz schnell auf die Nerven geht. Auch die elektrische Verstärkung und diverse Effektregister können daran wenig ändern. Dass sich das Cembalo unter diesen Bedingungen dennoch eine Nische im Konzertbetrieb erobern konnte, verdankt sich vor allem der russischen Cembalistin Wanda Landoswska (1879-1959), die die akustischen Defizite durch feuriges Spiel kompensiert hat.
Heute hört man die Hybrid-Instrumente nur noch selten. Abgesehen von Werken des 20. Jahrhunderts, die mit der drögen Klanglichkeit moderner Cembali rechnen, wird älteres Repertoire heute von nahezu allen Interpreten auf restaurierten historischen Instrumenten oder authentischen Nachbauten gespielt. Diese besitzen wegen der vergleichsweise leichten Bauart eine sehr viel vollere und farbigere Klanglichkeit, benötigen auch keine Verstärkung. Dass Cembalo nicht gleich Cembalo ist und der Klang der Instrumente je nach Alter, Werkstatt bzw. Herkunftsland variiert wie der Geschmack von gutem Wein, davon kann man sich bei jeder neuen Produktion überzeugen.

Gleich fünf neue Aufnahmen treten hier zum Hörvergleich an. An den Manualen die Vertreter/innen der älteren und jüngeren Cembalo-Elite, auf den Pulten liegen Noten von J. S. Bach, William Byrd und Domenico Scarlatti.

ALTE UND NEUE INTERPRETENELITE


Die erfolg- und folgenreiche Renaissance des Cembalos wäre ohne Gustav Leonhardt undenkbar. Seit den 50er Jahren hat er sich um die Reaktivierung der kostbaren Originale bzw. den Einsatz authentischer Nachbauten bemüht. Ihm vor allem ist es zu verdanken, dass Cembalomusik nicht mehr automatisch mit seelenlosem Geratter gleichsetzt wird. Der Altmeister präsentiert ein elegantes Programm überwiegend mit Tanzsätzen von William Byrd (Alpha 073 / Note 1). Die Stücke werden auf dem wohlklingenden Nachbau eines Claviorganums Lodewijk Theewes von 1579 interpretiert, wobei in diesem Fall nur der Cembaloteil des Kombiinstruments zum Einsatz kommt.
Wie so oft gelingt es Leonhardt, Spannung und Entspannung in ein schlichtweg ideales Verhältnis zu bringen. Seine Virtuosität ist niemals aufdringlich, die Tempi sehr natürlich. Alles fließt gelassen und frei, klingt aber zu keinem Augenblick monoton oder rhythmisch geglättet. Byrds Musik, deren verspieltes Rankenwerk sich aus kleinen Motivzellen heraus entwickelt, kann sich so als gleichsam zeitlos moderne Kunst entfalten.


Verglichen mit Leonhardts Ausgewogenheit agieren der Italiener Fabio Bonizzoni und der Franzose Christophe Rousset auf ganz unterschiedliche Weise extremer.
Bonizzoni versucht eine Neudeutung von J. S. Bachs Goldbergvariationen (Glossa GCD P 1508 / Note 1), indem er durch eine subtile Phrasierung und Agogik und insgesamt eher verhaltene Tempi neue Bezüge zwischen den einzelnen Stücken herstellt. Dadurch, dass er den Spannungsbogen mitunter über das Ende einer Variationen hinüber zu nächsten führt, schafft der Interpret veränderte Schwerpunkte. Das funktioniert jedoch nur bedingt, weil sich die kontrastreiche Musik dem Konzept widersetzt: Die Angleichung führt schließlich zur Gleichmacherei, die unterschiedlichen Charaktere werden unkenntlich. Gegen die gepflegte Langeweile, die sich bald einstellt, hilft auch nicht die eine oder andere freie Verzierung.


Christophe Rousset markiert da gewissermaßen den entgegengesetzten Pol. Auf zwei CDs legt er eine Gesamteinspielung des Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach (Ambrosie 9977 / Note 1) vor. Darin finden sich neben einigen Stücken zweifelhafter Herkunft zahlreiche Präludien und Fantasien, die Vater Bach später verändert in andere Sammlungen übernahm. Es ist eine echte Schule des Cembalospiels, die Rousset hier mit beeindruckender Virtuosität inszeniert. Die Rasanz, mit der er manche der griffigen Präludien auf der ersten Platte hinlegt, reißt zunächst mit, ermüdet auf Dauer aber durch eine gewisse Routine. Das gerät hier dann doch mehr zur "Etüde" als zu einer ausdrucksvollen Musik. Auch die Reize des Cembalos werden nicht immer gebührend ausgespielt: Die Frühfassung des berühmten C-Dur-Präludiums, mit der der 1. Band des Wohltemperierten Klavier eröffnet wird, klingt einfach zu beiläufig – dabei ist sie für die Klangeigenschaften des Cembalos doch maßgeschneidert.


Roussets Kollegin Blandine Rannou, die ihre Einspielungen für Zig-Zag-Territories mit Bachs Toccaten Zig-Zag Territories ZZT 050501 / Note 1) fortsetzt, hat mich da im Ganzen viel mehr überzeugt. Wie Rousset, so spielt auch sie auf einem in jedem Register wohlklingenden französischen Instrument, das sich in diesem Fall durch ein kräftiges, bronzefarbenes Timbre auszeichnet. Rannous Einspielungen kennzeichnen zum einen Stilgefühl, zum andern ein Instinkt für die verborgene Modernität dieser Cembalo-Fanatasien: das Fragmentarische, „Collagenhafte“, Verspielte. Feine Nuancierungen durchziehen ihr Spiel und entlocken der dankbaren, jugendfrischen Musik des angehenden Meisterkomponisten eine Fülle von Farben und Stimmungen.


Dass Pierre Hantaï sich im Textheft zu seiner zweiten Auswahl aus den 550 Sonaten Domenico Scarlattis (Mirare 9920 / Note 1) ausdrücklich von einer Gesamteinspielung distanziert, mag man angesichts der Quantität der Musik vielleicht begrüßen, angesichts der Qualität der Interpretation jedoch bedauern. Für das Obsessive und Dämonische der Musik nämlich hat Hantaï das richtige Gespür und vor allen Dingen die nötige Fingerfertigkeit. Dazu kommt ein Instrument italienischer Bauart, das sich durch kernige Resonanzen auszeichnet. Manche Basssaite schnarrt wie ein Fagott oder eine Maultrommel; die hohen Register dagegen glühen, wo es sein muss, wie flüssiges Messing. Das passt ausgezeichnet zur exotisch-archaischen Färbung der meisten Stücke, in denen Scarlatti der spanischen Folklore und dem spanischen Temperament huldigt wie kaum ein Komponist vor ihm. Empfehlenswert.


Georg Henkel



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