Pulver
Kings Under The Sand
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Hey, was Neues von V.O. Pulver! Aber hoppla, ist der Schweizer Poltergeist- und Gurd-Recke in einen Jungbrunnen gefallen? Das Bandfoto auf der Inlaycard zeigt jedenfalls fünf Jungspunde, die allesamt seine Söhne sein könnten ...
Des Rätsels Lösung: Hier haben wir es nicht mit dem Schweizer und seinen Spießgesellen zu tun, sondern mit einem jungen deutschen Quintett, das nach einer selbstbetitelten EP mit Kings Under The Sand nun seinen Debüt-Longplayer vorlegt. Der Terminus „Longplayer“ ist dabei mit Vorsicht zu genießen, denn die sieben Songs plus Intro bringen es lediglich auf 36 Minuten, was nach heutigen Maßstäben ja nicht wirklich viel ist. Aber heutige Maßstäbe gelten für Pulver sowieso nicht: Sie verorten sich selbst im Metal der späten Siebziger und frühen Achtziger, und da war eine Spielzeit von 36 Minuten für eine LP normal. Besagter Stileinschätzung kann man auch grundsätzlich folgen, wobei das Ganze doch noch etwas differenzierterer Betrachtung bedarf. Zum einen atmet so manches doppelläufige Gitarren-Element einen alten NWoBHM-Spirit, wie gleich in „Phantom Hawk“ deutlich wird, das dem einminütigen Intro „Rising“ folgt, welches mit geschickt arrangierter Dramatik auf ein traditionelles Metalalbum neugierig macht. Könnte man hier auch noch frühen Euro-Metal erwarten (denke etwa an diverse Franzosenbands der Post-Trust-Ära oder auch an die frühe Benelux-Szene), so mixt „Phantom Hawk“ diese Einflüsse geschickt mit den zweistimmigen Gitarrenmotiven aus der frühen Murray/Smith-Schule, was „Blacksmith’s Lament“ in seinem flotten Mittelteil gleich noch einmal tut. Der epische Mittelteil des Titeltracks zeigt allerdings, dass Pulver bei der Gestaltung ihrer doppelläufigen Melodien nicht sklavisch an Iron Maiden kleben – schon die schräge Hinführung hätte Steve Harris nie durchgehen lassen, und auch das weitere Arrangement dieses Solos hat wenig mit Maiden zu tun, sondern erinnert eher an die eigenständigeren Arija-Nummern (natürlich nicht die, wo die großen Russen selbst die Harris-Schule zitieren). Im Intro von „Qarinah“ staunt man dann die sprichwörtlichen Bauklötze – das hätte Wladimir Cholstinin auch nicht anders arrangiert.
Was er aber anders gestaltet hätte, ist der Fortgang des Songs, und damit kommen wir zum anderen großen anzusprechenden Punkt, wenn es daran geht, den Stil von Pulver zu umreißen. In den Aschaffenburgern schlagen nämlich offenbar auch Doom-Herzen, und so darf Drummer Danny Oster des öfteren in schleppende Gefilde herunterschalten, wenngleich mit Ausnahme von „Curse Of The Pharaoh“ nie für einen kompletten Song – irgendwo baut das Quintett immer eine Midtempo-Passage ein, mitunter sogar relativ treibend wie im Titeltrack. Das Speed-Gelände meiden die Unterfranken hingegen wie der Leibhaftige das Weihwasser, und man überlegt, ob man ihnen das Prädikat „Epic Metal“ umhängen könnte oder ob man das lieber nicht tun sollte, weil man damit bestimmte Erwartungen schüren würde, die die Band weder erfüllen kann noch will. Statt dessen hören wir im Riffing bisweilen die Weiterentwicklung der Iommi-Schule durch die Maryland-Doomer, wobei Pulver auf die Beimengung psychedelischer Elemente komplett verzichten und auch dem Blues nur sehr wenig Platz einräumen – in diesem Kontext ist das, was sie tun, dann doch wieder als purer Metal anzusprechen.
Ob künftige Tonträger der Band ähnlich klingen werden, bleibt abzuwarten – seit dem Release der CD haben sich nämlich zwei markante Besetzungswechsel ereignet. Zum einen gibt es einen neuen Drummer, und der könnte durchaus andere Vorlieben haben als sein Vorgänger. Zum anderen ist auch der Platz am Mikrofon neu besetzt, und das könnte einen markanten Schwachpunkt von Kings Under The Sand beseitigen helfen. Dave Fröhlich gibt sich hörbar Mühe, landet aber leider zwischen den Stühlen: nicht richtig rauh und kratzig, aber auch kein epischer Heldengesang. Damit wirkt sein Gesang über weite Strecken eher angestrengt, und das kann hier eigentlich nicht im Sinne des Erfinders sein. Dass unter den acht Songs gleich zwei Instrumentalstücke vertreten sind, könnte darauf hindeuten, dass die Band das Problem auch erkannt hat, wobei allerdings „Alpha Omega“, das zweite Instrumental neben dem Intro, mit seinem leicht progressiven Anstrich sowieso etwas aus dem stilistischen Rahmen der CD fällt. Zugleich stellt es den einzigen Song dar, der offensiver mit nahöstlichen Melodiebögen arbeitet, die sich zum textlichen Konzept prima anböten, aber natürlich nicht zur Pflicht werden – Pulver wissen auch so, wie man interessante Songs schreibt, und in „Blacksmith’s Lament“ haben sie auch gleich das Mitsingspiel für die Konzertsituation angelegt. Und wer im Closer „Curse Of The Pharaoh“ an die Schweden Seven und ihr Einzlingswerk Break The Chains denkt, der hat ebenso ein passendes Vergleichsobjekt im Hinterkopf wie einer, der die Russen Scald oder die Weißrussen Gods Tower kennt, wenngleich beide unterm Strich einen Tick doomiger zu Werke gingen als Pulver, Seven hingegen einen Tick schneller (und sie hatten den deutlich besseren Sänger). Vielversprechende Ansätze sind auf Kings Under The Sand also da, und gut anhören läßt sich das Werk allemal, wenn man in der Lage ist, über das vokale Problem hinwegzuhören – so bleibt gespannt abzuwarten, wie ein zu erhoffender Albumzweitling klingen wird. Dass die fünf Herren auf dem Backcover anonym bleiben und auch im Booklet zwar die kompletten Texte und eine Credits-Seite, jedoch nirgends die Namen der Musiker zu finden sind, dürfte allerdings vermutlich keine Absicht gewesen sein.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Rising | 0:57 |
2 | Phantom Hawk | 4:46 |
3 | Blacksmith’s Lament | 4:02 |
4 | Kings Under The Sand | 6:02 |
5 | Qarînah | 4:10 |
6 | Warrior Castle | 5:43 |
7 | Alpha Omega | 4:08 |
8 | Curse Of The Pharaoh | 6:29 |
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Besetzung |
Dave Fröhlich (Voc)
Alex Oster (Git)
Lukas Kunkel (Git)
Gabor Eichstätter (B)
Danny Oster (Dr)
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