Musik an sich


Reviews
Scarlatti, D. (Huangci, C.)

Klaviersonaten


Info
Musikrichtung: Barock Klavier

VÖ: 10.04.2015

(Berlin Classics / Edel / CD DDD / 2013 / Best. Nr. 0300603BC)

Gesamtspielzeit: 130:45



MIT FINGESPTZENGEFÜHL

Wer sich mit den 555 Klaviersonaten Domenico Scarlattis beschäftigt, hat die Qual der Wahl, wenn er nicht gerade eine Gesamteinspielung vorlegen möchte. Die Pianistin Claire Huangci hat für ihre Auswahl eine elegante Lösung gefunden: Sie fügt einen Teil ihrer Auswahl zu umfangreicheren barocken Tanz-Suiten (CD 1) und den anderen Teil zu klassischen dreisätzigen Sonaten zusammen. Tonartiliche Bezüge waren dabei ebenso leitend wie der jeweilige Charakter der Musik. Scarlatti hat ohne Rücksicht auf geltende Geschmacks- und Stilvorgaben einen ganz eigenen Kosmos zwischen Barock, Rokoko und Frühklassik geschaffen, bei der ihn höfische Eleganz ebenso inspiriert hat, wie die Volksmusik Spaniens, die er auf kongeniale Weise in seine Musik eingeschmolzen hat (oder war es umgekehrt?).

Der Klang, der von wild gezupften und geschlagenen Gitarrensaiten ebenso wie von frentischen Ryhthmen, Tänzen und einem imaginären Lokalkolorit bestimmt ist, ist so speziell, dass man Scarlattis Musik sofort erkennt. Er hat das gefunden, was nicht jedem Komponisten gegeben ist: einen eigenen Sound. Einen Sound, der dazu noch ausgesprochen zugänglich und ohrwurmend ist und sehr von den exotischen Farben der spanischen Folklore profitiert. Der Nachteil ist, dass man bei einem übermäßigen Konsum irgendwann nicht mehr weiß, ob man immer noch das erste Stück hört oder ...

Diese Gefahr besteht bei Claire Huangci allerdings kaum: Sie hat eine Sammlung mit sehr unterschiedlichen Kompositionen zusammengestellt, die sie durch ihre sehr stilsichere und flexible Darstellung zum Funkeln bringt. Historische Instrumente, v. a. das Cembalo und das frühe Fortepiano, eigenen sich naturgemäß für diese diffizile Musik besonders, können aber den Eindruck der "Eintönigkeit" auch verstärken. Huangci spielt auf einem Yamaha-Klavier, das ihr alle gestalterischen Möglichkeiten bietet. Dominiert auf der ersten, barock inspirierten CD vor allem bei den hochvirtuosen Preziosen ein eher dem Cembalo entlehnter trocken-pointilistischer Ton (der bei den langsamen "Tänzen" aber angemessen lyrisch wird), herrscht auf der zweiten, "klassischen" Auswahl ein weicherer, sanglicherer Ton vor (bei einer gleichen Genauigkeit und Klarheit des Anschlags).

So kann sie die Janusgesichtigkeit von Scarlattis Musik sehr schön herausarbeiten: Er ist ein barocker und ein klassischer Meister. Seine Musk steht an einer Epochenschwelle und es ist dem Interpreten aufgegeben, die eine oder andere Dimension in der Musik zu entdecken.

Die irrwitzigen Tonrepetitionen, die die „Sonate K 435" zu Beginn der D-Dur-Suite auszeichnen, bewältigt Huangci mit der gleichen natürlichen Spielkunst wie sie die delikaten, weitgespannten melodischen Bögen der „Sonate K 32" oder den zauberhaft ätherischen Pontilismus der „Sonate K 490" in der gleichen Suite mit dem jeweils erforderlichen Fingespitzengefühl meistert. Sie ist bei Scarlatti auf dem modernen Flügel ganz zu Hause und der Komponist dürfte ihr seine Zustimmung zu diesem Projekt wohl kaum verweigert haben.

Die Klangtechnik bildet Huangcis Intentionen optimal ab.



Georg Henkel



Trackliste
CD 1
01-22 "Suiten G-Dur, g-Moll und D-Dur" 66:33

CD 2
01-17 "Sonaten E-Dur, F-Dur, a-Moll, D-Dur, G-Dur" 64:12
Besetzung

Claire Huangci, Klavier (Yamaha)


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