Chopin, F. (Chaplin)
Nocturnes
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Info |
Musikrichtung:
Romantik Klavier
VÖ: 26.03.2010
(Zig Zag / Harmonia Mundi 2 CD / DDD / 2009 / Best. Nr. ZZT 100203.2)
Gesamtspielzeit: 121:15
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LUZIDE GETRÄUMT
Die Welle der alten und neuen Chopin-Aufnahmen rollte schon im vergangenen Jahr in Gestalt diverser Einzelveröffentlichungen und prall gefüllter Boxen an. Jetzt, zum 200. Geburtstag, bräuchte man ein Dutzend Ohren, um die Masse an Neuerscheinungen durchzuhören und die Spreu vom Weizen zu trennen. Zwar setzen sich auch bei diesem erzromantischen Repertoire die historischen Flügel mit ihren gedämpfteren Farben mehr und mehr durch. Aber sollte man darum grundsätzlich auf den Klang eines großen, modernen Konzertflügels verzichten? Nicht, wenn das Ergebnis so klingt wie bei François Chaplin. Er widmet sich einer Gesamteinspielung der Nocturnes, die er, wissend um die Gefahr solcher ‚Monographien‘, in intelligenter programmatischer Anordnung präsentiert, so dass sich die elegische Schönheit der Stücke nicht neutralisiert.
Die Aufnahmetechnik ist ausgezeichnet, der Klang ist voll, warm und sonor, um nicht zu sagen opulent, dabei stets klar. Schon auf dem ersten Ton von Op. 48, einem tiefen oktavierten C, gleitet der Hörer auf das Sanfteste in mitternachtsblaue Tiefen. Freilich sollte man sich von dieser Sanftheit nicht täuschen lassen, dafür hat der Klang auch einfach zu viel Substanz. Chaplin ergeht sich nicht bloß in zärtelnden Anmutungen und beleuchtet Chopins Nachtstücke auch nicht durchgängig mit dem immer gleichen weichzeichnenden Mondlicht.
Vielmehr arbeitet sehr bewusst mit dem Klang und seinem Volumen, den Texturen und einer schier unendlichen Farbpalette, so dass er Chopin eben auch (und ganz zu recht) als frühen Impressionisten identifiziert (Chaplins Gesamteinspielung der Werke Claude Debussys lohnt eine nähere Beschäftigung (Box mit 6 CDs, Label: Arion)). Das feinst abgestufte Wechselspiel von Licht und Schatten ist ein Genuss. Weder verleugnet die Musik bei Chaplin ihre dunklen, schwerblütigen und beunruhigenden Seiten noch unterschlägt der Pianist die verbindlichen, gelösten, lichten Momente – es ist alles da. Chaplins klare Zeichnung der Gesten und Verläufe verbindet sich mit einem belcantischen Rubato, das die Musik spannungsvoll in der Schwebe hält und zugleich in ihrer Struktur transparent werden lässt: die Kunst der freien, atmenden Phrasierung und der subtilen, konstruktiven Zäsur.
Eine geradezu sonambule Atmosphäre kann so entstehen, die sich aber nicht im Ungefähren verliert: die Klarheit des Irrealen. Mitunter spürt man, wie viel pianistische Arbeit in den Details steckt und dass Chaplin keine Setzung einfach aus den Fingern schüttelt. Dieser Künstler ist bei den Nachtstücken eben ein luzider Träumer.
Georg Henkel
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Besetzung |
François Chaplin, Konzertflügel von Yamaha
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