Castaldi – Kapsberger – Hafis u. a. (Celeste Sirene)
Gol o Bolbol. Alte Musik aus Persien und Europa
ZAUBER DES ORNAMENTS
An die gemeinsamen Wurzeln von westlicher und östlicher Musik führt diese CD mit Werken italienischer und persischer Meister. Sie beschwört den Zauber des Ornaments, das Ende 15. Jahrhundert in die abendländische Musik Einzug gehalten hat. Es waren sephardische Juden, die im Zuge der Rekatholisierung Spaniens ihre Heimat verlassen mussten und ihre orientalisch geprägte Gesangskunst mitausgefeilten Verzierungen in Europa verbreiteten.
Ende des 16. Jahrhunderts entwickelten sich daraus die ersten notierten Koloraturen. Auch wenn diese inzwischen zu den Ganz- und Halbtonschritten des westlichen Tonsystems konvertiert waren, bereicherten sie doch die einstimmige Vokalmusik des Frühbarock durch neuartige Ausdrucksmöglichkeiten. Die Musik des 17. Jahrhunderts hat bei aller Kunstfertigkeit etwas Archaisches bewahrt. Anders als bei den sinfonischen Serail-Träumen des 18. Jahrhunderts wirken ihre „Orientalismen“ ungezähmt. Vielleicht verträgt sie sich auch darum so gut mit den Zeugnissen persischer Kunstmusik, die auf dieser Platte zu hören sind.
Dem Ensemble Celeste Sirene und seinen Gästen gelingt es, die Verwandtschaft hörbar zu machen, ohne die jeweiligen Eigenarten einem weltmusikalischen Einheitsklang zu opfern. Harfenist und Tenor Niels Badenhop demonstriert gleich mit dem eröffenden Amore Vincitore von Bellerofonte Castaldi, wie man der Alten Musik Europas mit Fantasie und Witz beikommen kann. Gekonnt wird eine stilvolle vokale Travestie inklusive Pfeifen, Rotzen und Fisteln für die Ausmalung eines tragikomischen Liebesdramas eingesetzt. Für orientalische Farben sorgt das omnipräsente Schlagzeug (Nora Thiele/Rusbe Torkshvand-Nezhad), das unter anderem Marin Marais kerniges Gambenstück Persischer Marsch veredelt (Christiane Gerhardt/Tilman Muthesius, Gambe). Die Gambe mit ihrem der menschlichen Stimme nahen Klang übernimmt auch sonst eine wichtige Rolle in diesem musikalischen Ost-West-Dialog.
Lyrik aus der Feder des mittelalterlichen persischen Sufis Hafis ist locker in das Programm eingestreut und ergänzt die oft improvisierten Stücke für Santur, das persische Hackbrett (Manouchehr Fouladvand/Rusbe Torkshvand-Nezhad). Es klingt obertonreicher und metallischer als seine westeuropäischen Verwandten. Verstärkt wird das Ensemble des „alten Europa“ durch Laute und Chitarrone (Daniel Kurz).
Das Ganze ergibt ein ausgesprochen kurzweiliges Programm. Schön, dass uns Herr Cavalli, der Gründer des gleichnamigen Labels, an musikalischen Entdeckungen wie dieser teilhaben lässt.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Bellerofonte Castaldi (1580–1649, Modena): Amore Vincitore |
2 |
Girolamo Kapsberger (1575–1661, Rom): Colascione, Arpeggiata |
3 |
Hafis (1325–1390, Shiraz): “Des Morgens…” |
4 |
Marin Marais (1656–1728, Paris): Marche Persane |
5 |
Vincenzio Calestani (1. Hälfte 17. Jh., Florenz): O Luci Belle |
6 |
von Saba (*1900) aufgezeichnet: Charmesrab Dashty |
7 |
Charles Dollé (1.Hälfte 18. Jh., Paris): La Weymar |
8 |
Antonio Sartorio (1620–1681, Venedig): Luci Belle |
9 |
Manouchehr Fouladvand (*1948): Khorush |
10 |
Antoine Forqueray (1672–1745, Paris): Carillon de Passy |
11 |
Manouchehr Fouladvand (*1948): Improvisation Dashty |
12 |
von Saba (*1900) aufgezeichnet: Be yade Gosashteh |
13 |
Stefano Landi (1585–1639, Rom): T’amai gran tempo |
14 |
Hafis (1325–1390, Shiraz): “Gestern sprach…” auf Improvisation |
15 |
von Saba (*1900) aufgezeichnet: Oshagh Radif |
16 |
anonym Spanien: Kalata |
17 |
Alessandro Grandi (? –1630, Bergamo): Ridete meco |
18 |
anonym 1492: Folia |
19 |
Hafis (1325 –1390, Shiraz): “Hörst du das Wort” |
20 |
von Mahjoubi (*1902) aufgezeichnet: Pishdaramad |
21 |
Marin Marais (1656 –1728, Paris): Prélude en Harpèg |
22 |
Giovanni F. Sances (um 1600–1679, Rom/Wien): Accenti queruli |
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Besetzung |
Celeste Sirene
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