Messiaen, O. (Gimeno, G. – Toronto Symphony Orchestra)
Turangalîla-Sinfonie
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Info |
Musikrichtung:
Neue Musik / Orchester
VÖ: 02.02.2024
(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2023 / HMM 905336)
Gesamtspielzeit: 73:00
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SPEEDDATING MIT MESSIAEN
Die 1948 uraufgeführte monumentale „Turangalîla-Sinfonie“ ist ein orchestrales Hauptwerk von Olivier Messiaen: ein schwelgerischer, auch wollüstiger Rausch, der bereits die Postmoderne vorwegzunehmen scheint, bevor die musikalische Nachkriegsmoderne überhaupt richtig begonnen hat.
Neben einem großen sinfonischen Apparat mit riesigem Schlagwerk gibt es umfangreiche und sehr anspruchsvolle solistische Partien für Klavier und ein Ondes Martenot, einen Vorgänger des späteren Synthesizers, dessen elektroakustisches Flöten und Rauschen wie von einem anderen Planeten anmutet. Eine Reihe von mitunter plakativen, aber charakteristischen Themen hält den Riesenbau zusammen.
Der Klangfarben-Ekstatiker und Rhythmiker Messiaen hat daraus ein gewaltiges zehnteiliges Tonpoem über die Spielarten der Liebe komponiert, das von der Legende um Tristan und Isolde inspiriert ist. Liebe und Tod liegen dort ja nahe beieinander, aber anders als z. B. bei Wagner fehlt Messiaens Werk die tragische Dimension. Am Ende triumphieren eine übermenschliche Freude und eine Liebe, die ins Kosmische und auf das Göttliche hin überschritten wird.
Anlässlich des 100. Geburtstag des Toronto Symphony Orchestras hat sich Dirigent Gustavo Gimeno mit seinen Musiker:innen dieses Werkes angenommen. Mit 73 Minuten ist dies eine der schnellsten Versionen (die durchschnittliche Dauer tendiert gegen 80 Minuten). Zusammen mit der höhenbetonten klanglichen Gewichtung ist diese sportive Schnelligkeit gewissermaßen das „Markenzeichen“ dieser Interpretation, mit allen Vor- und Nachteilen:
Zu den Vorteilen gehört gewiss das brillante Spiel des Orchesters, das ein sehr hohes technische Niveau demonstriert und nicht mit Brio und Verve geizt. Der Gesamteindruck hat, durchaus passend, etwas Chromblitzendes und Diamanthartes. Erfreuen kann man sich am präsenten Klang des Ondes Martenot (Nathalie Forget) und am Feuerwerk des Klavierspiels (Marc-André Hamelin).
Gimeno zeigt ein hervorragendes Gespür für die komplexen Strukturen dieser Musik: Die Präzision im rhythmischen Getümmel ist bewunderungswürdig, insbesondere im jubilierenden Maximum-Overdrive des 5. Satzes. Auch überzeugen die abstrakteren „Turangalîla“ I bis IV übertitelten Sätze durch die ausgewogene Balance, die spannungsreichen Verläufe und das Klangfarbenfinish. Und der langsame zentrale 6. Satz driftet nicht ins Süßliche ab.
Doch können sich die tieferen Register im Rausch der Leidenschaften nicht so recht entfalten und bleiben auch aufnahmetechnisch blass. Dies betrifft vor allem jene Momente, in denen das gravitätische „Statuen“- oder wuchtige Akkord-Thema eine Rolle spielen.
So hört man bei diesem orchestralen Liebesakt viel „Kopf“, aber relativ wenig „Körper“. Es fehlten das von Messiean bewusst einkomponierte Pathos und jene Monumentalität, in denen sich die Abgründe von Liebe und ungezähmter Leidenschaft verkörpern.
Weniger Tempo in den äußeren Sätzen und dafür mehr Wucht und Volumen in den tieferen Registern wären hier wünschenswert gewesen!
Georg Henkel
Besetzung |
Marc-André Hamelin, Klavier
Nathalie Forget, Ondes Martenot
Toronto Symphony Orchestra
Gustavo Gimeno, Leitung
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