Max Plänck
Kill The Pain
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Auf einen Bandnamen wie Max Plänck muß man als Metalband auch erstmal kommen. Klar, der offensichtliche Namenspatron Max Planck war Physiker und hatte in dieser Eigenschaft ab und zu auch mit Metallen zu tun, aber so richtig belastbar erscheint diese Theorie nicht. Im Booklet der vorliegenden CD lernen wir die gesamte Geschichte: Rod Freemans vorherige Band Four On The Floor hatte sich aufgelöst, und er stellte eine neue zusammen, aber auch nach längerer Suche fanden er und seine Gattin Colleen McCormick keinen passenden Namen. Zu dieser Zeit kam ein alter Freund zu Besuch, der nur „The Druid“ genannt wurde und den tatsächlich eine Art magische Aura umwehte. Rod gab ihm einen Lexikonband und trug ihm auf, eine beliebige Seite aufzuschlagen und dort auf einen Eintrag zu tippen. Gesagt, getan – es war der Eintrag für den genannten Physiker, und dessen Name wurde noch mit einem Heavy-Metal-Umlaut versehen und fungierte fortan als Bandname. Aufgrund der Singularität der Ereignisse braucht jetzt also niemand nachzuforschen, ob es vielleicht auch noch Bands namens Älbert Einstein oder Robert Öppenheimer gibt ...
Da die Erstbesetzung von Max Plänck nicht so richtig zum Laufen kam, übernahm Rods Frau den Baß, und ein Jugendlicher namens Eddie Forcier setzte sich hinters Schlagzeug und wurde zudem Zweitsänger neben dem gitarrespielenden Rod. In dieser Triobesetzung nahm die Band ein acht Songs umfassendes Demo namens Kill The Pain auf, das zwar zu einem Samplerbeitrag und einer Split-Single führte, die in Port Townsend im US-Staat Washington ansässige Truppe aber ebensowenig entscheidend vorwärtsbrachte wie einige weitere Aufnahmen in einer um einen Zweitgitarristen erweiterten Besetzung. So löste sich die Formation in den Spätachtzigern auf, zumal sich auch das Ehepaar Freeman/McCormick trennte.
Im Rahmen der „Red-White-Heävy“-Serie des Stormspell-Labels liegt mittlerweile auch Kill The Pain in versilberter Form vor, so dass eine Handvoll Underground-Freaks das Material näher begutachten kann. Eigenartigerweise kommt es einem allerdings so vor, als würde man zwei Bands hören, obwohl das Material in nur einer Studiosession eingespielt wurde. Die ersten fünf Songs bieten kauzig-polternden Metal, dem man einige Wurzeln in den Siebzigern anhört und der in den Mittachtzigern völlig außerhalb jeder Mode stand, wie die wenigen Formationen, die sich einer vergleichbaren Stilistik befleißigten, leidvoll erfahren mußten: geliebt von einer kleinen Fanschar, belächelt vom Gros der Metalwelt. Als Paradebeispiel können hier sicherlich Manilla Road dienen, die erst viel später wenigstens etwas weiter reichende Anerkennung erfuhren, während ähnlichen Käuzen wie Brocas Helm der Kultstatus genügen müßte. Jahrzehnte später machten Bands wie The Lord Weird Slough Feg diesen Stil salonfähig, heute gibt es auch etliche junge Formationen wie Road Warrior oder Lynx, die sich an derartigen Sounds orientieren – und wer bei dieser Aufzählung eine Gänsehaut bekommen hat, der kann auch Kill The Pain bedenkenlos verhaften und sich in der ersten Hälfte des Werks seine Leib- und Magenspeise servieren lassen. Auffällig ist, dass Freeman in dieser Zeit noch als einziger Gitarrist agierte, aber trotzdem einiges an doppelläufigen Leads eingebaut hat, wenn auch nicht mit klassisch durchgerifften Melodien, was dann live tatsächlich nur noch sehr schwer umsetzbar gewesen wäre. Dafür wirbelt Forcier recht intensiv auf seinem Drumkit hin und her und widmet sich mit besonderer Liebe der Beckenarbeit, während er in diesen Songs eher wenig mit geradlinigem Four-on-the-floor-Beat am Hut hat. Aber deshalb heißt die Band ja auch nicht mehr so wie Rods Vorgängertruppe. Ein wenig aus dem Rahmen fällt „Northwind“ an Position 5, das wie eine metallisierte Version eines Songs aus der Uli-Jon-Roth-Phase der Scorpions anmutet – und ist es eigentlich Zufall, dass Freeman mit seiner Liebe zu bestimmten Kopfbedeckungen auch noch ein bißchen wie Roth aussieht? (Ausgenommen von dieser Theorie wird freilich das Bild auf der Inlaycard, wo Freeman einen historischen Ritterhelm trägt – nach dem Ende der Bandkarriere ist er übrigens Geschichtslehrer geworden ...)
Ab „Enter Into The Rock“ an Position 6 wandelt sich das stilistische Bild. Der Siebenminüter koppelt das bisherige midtempolastige Gepolter mit geradlinigen Speedpassagen, die viel besser in das musikalische Bild der Mittachtziger passen, wenngleich Max Plänck natürlich auch damit keinen Spitzenplatz in der vorwärtsdrängenden Bewegung einnehmen konnten und das vermutlich auch nicht wollten, zumal man speziell der Leadarbeit nach wie vor den historischen Bezug anmerkt. Außerdem singt hier jemand markante Backings unter dem Refrain und macht diesen damit sehr eingängig. Außer Forcier könnte das freilich auch McCormick sein, die auf einem der Fotos im Booklet gleichfalls hinter einem Mikrofon zu finden ist. Die dicke Überraschung kommt allerdings mit „Starscream“ – eine reinrassige Speednummer mit einem völlig anderen Gesang, der Udo Dirkschneider zum Verwechseln ähnlich klingt und immer kurz davor steht, sich zu überschlagen. Dieser Song landete auf dem Metal Meltdown-Sampler und vermittelte denjenigen, die sich anhand seines Stils ins sonstige Schaffen der Combo vorarbeiteten, einen doch etwas irreführenden Eindruck, denn zumindest auf der CD bleibt er einzigartig. In „Fucked Up“ singt wieder derjenige Mensch, der schon in den ersten Songs am Mikrofon stand, und ähnlich wie „Enter Into The Rock“ amalgamiert auch diese Nummer den kauzigen mit dem geradlinigen Stil und mündet in einer nicht ganz eindeutig entschlüsselbaren Geräuschkulisse, ehe nochmal kurz das Hauptthema angespielt wird, aber dann eine etwas einfallslose Ausblendung erfährt – das hätte man spannender lösen können. Die Split-Single mit den gleichfalls im US-Nordwesten beheimateten Kil d‘ Kor enthielt genau diesen Song, blieb aber ein Sammlerstück ohne große Verbreitung.
Der erwähnte Re-Release von Stormspell Records ergänzt das Programm noch um „H-Factor“, offenkundig einen der im Booklet erwähnten Proberaummitschnitte – um ein Überbleibsel der Quartettaufnahmen dürfte es sich nicht handeln, da nur eine Gitarre zu hören ist. Hier landen wir nun wieder im kauzigen Gepolter, das im Mittelteil eine Art Ansprache an ein virtuelles Publikum enthält und seine Wurzeln in den Siebzigern weder verleugnen kann noch will. Im Finale bringen sich die beiden Kinder des Ehepaars Freeman/McCormick, Taura und Spencer, zu Gehör – die Aufnahmen fanden, wenn die strukturelle Herkunftsvermutung stimmt, im heimischen Wohnzimmer statt, das zugleich als Proberaum diente.
Zwischenzeitlich sind noch drei weitere Songs, „Remnants“, „Conquest“ und „Lampshade“, in einen veröffentlichungsreifen Zustand gebracht worden, so dass ein 2021er LP-Re-Release materialseitig den knapp 40 Minuten noch einiges draufgibt. Aber egal in welcher Form: Wer auf den beschriebenen kauzigen Metal-Substil steht und nicht gleich vor Schreck umfällt, wenn plötzlich ein Stilbruch wie „Starscream“ kommt, findet hier ein hübsches Schätzchen zur Erweiterung der heimischen Kollektion – und falls man sowohl Metaller als auch Physiker ist, gehört eine Combo mit dem Namen Max Plänck wohl zum Pflichtprogramm.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Roar | 3:24 |
2 | Predator Love | 3:24 |
3 | Dogs Of War | 3:00 |
4 | Everywhere Is Nowhere | 3:27 |
5 | Northwind | 5:16 |
6 | Enter Into The Rock | 7:15 |
7 | Starscream | 3:41 |
8 | Fucked Up | 3:32 |
9 | H-Factor | 5:59 |
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Besetzung |
Rod Freeman (Voc, Git)
Colleen McCormick (B)
Eddie Forcier (Dr, Voc)
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