Pandas, Sterne, Pharaonen: Black-Metal-Abend im Leipziger Bandhaus mit Eïs, Maahes und Vorga
Black Metal erfreut sich in Leipzig und Umgebung markanter Beliebtheit – der Rezensent ist spät dran, weil sein vorgelagerter Termin länger gedauert hat als geplant, und so weit vorn in der Saarländer Straße hat er sein Auto noch nie parken müssen. Dementsprechend voll ist’s im Bandhauskeller schon beim ersten Support Vorga, deren hintere zwei Setdrittel der Rezensent noch mitbekommt. Das um eingesampelte Keyboards klangbereicherte Quartett spielt recht abwechslungsreichen, teils atmosphärisch angehauchten Black Metal und bemüht sich um eine distanzierte Atmosphäre – Ansagen gibt es nur zwei, nämlich vor und nach dem Closer „Starless Sky“, und beide werden ohrenhörlich in Englisch gekreischt, ansonsten geht die Musik mit irgendwelchen Tönen auch zwischen den Songs durch. Die sind teils eher tempobetont, im hinteren Setteil aber eher midtempolastig bis fast am Doom kratzend, und ein paar eher überraschende Wendungen mischen sich in den sonst recht konventionellen Sound, der wenig beinhaltet, was die mittelfrühen Dimmu Borgir vor ihrer Orchesterphase nicht auch schon gemacht hätten. Auch der Gesang gebärdet sich komplett kreischend, der Vokalist spielt auch noch eine der beiden Gitarren, und alle Saitenspieler haben originelle Corpsepaints aufgetragen, der Basser kommt darüber hinaus aber auch noch mit Tarnanzug und Sturmhaube daher, und Debatten über Blackfacing sollte man hier nicht führen und über das freundlich blau leuchtende große Pentagramm auf der Bühne auch nicht. „Starless Sky“ zeigt sich nochmal überwiegend speedlastig, beinhaltet aber auch ein ausgedehntes grooviges Break, und hätte man hier keinen Black Metal mit gewünschter Distanzwirkung am Start, die Hinleitung zu diesem Break wäre fast mitklatschkompatibel. Dem international zusammengesetzten Quartett wird insgesamt durchaus mehr als freundlicher Applaus zuteil, zumal der Sound gegen Ende hin auch für Genreverhältnisse relativ klar wird. Dass dieser Gig kein Black-Metal-Abend von der Stange ist, verdeutlicht die Wahl der ersten Umbaupausenmusik: Pink Floyd erklingen da nämlich, beginnend mit „Shine On You Crazy Diamond“, und später kommt u.a. auch noch „High Hopes“. Kirchenglocken wie in letzterem besitzen auf einem Black-Metal-Gig bekanntlich Seltenheitswert. Maahes versuchen die Distanziertheit des Genres zumindest ansatzweise rüberzubringen, aber das schaffen sie nicht, und das aus vier Gründen. Zum einen befassen sie sich nicht mit Tod und Teufel, sondern mit altägyptischer Mythologie. Zum zweiten ist ihr Black Metal viel zu untrve, um als Grund für gepflegte Misanthropie durchzugehen. Zum dritten legen die beiden Frontleute eine amtliche Rock’n’Roll-Show auf die Bühne und verbringen viel Zeit, in klassischer Heldenmetalmanier auf den Monitorboxen zu stehen und zu posen. Zum vierten versucht der Bassist in die Ansagen mit zwar klarer Stimme, aber appellierendem Tonfall wenigstens etwas Distanz zu legen, aber sein sympathischer bayrischer Akzent verhindert wirkungsvoll das Aufkommen irgendwelcher Anflüge in dieser Richtung, was er irgendwann selber einsieht, den appellierenden Tonfall etwas mildert und seine Ansage vor dem Setcloser letztlich mit „Es hat uns unheimlich Spaß gemach, heute hier zu spielen“ ausstaffiert – und Spaß dürfte man als trve Black-Metal-Band ja eigentlich gar nicht haben. Summa summarum sind hier also keine Ideologen am Start, auch wenn die Verkleidung der beiden Frontleute, ein Mix aus Mumie und Obdachlosem, eher unfreiwillig lustig anmutet – der Drummer hingegen trägt stilecht eine Anubis-Maske. Von der Setlist her konzentrieren sich die nur noch drei Niederbayern (2015 bei der Bandgründung sollen’s noch fünf gewesen sein) einerseits auf ihr aktuelles Album, das den Titel Reincarnation trägt, packen aber mit „The Magic Slave“ oder „The Keeper Of Secrets“ auch schon Material ihres kommenden Werkes aus, wobei erstgenannte Nummer sehr bombastisch daherkommt und das Tempo bisweilen bis zum Doom herunterschraubt, während letztere lange Zeit auf einen breit gelagerten Dreiertakt setzt und auch im weiteren Verlauf recht komplex daherkommt. Schon die alten Nummern aber atmeten viel Classic-Metal-Geist, wozu die teils frenetischen Gitarrensoli ebenso ihr Scherflein beitragen wie der Einstieg von „Medusa“, den auch eine beliebige Traditionsmetalband nicht wesentlich anders gestaltet hätte. Der Gesang, hauptsächlich vom Bassisten mit gelegentlicher Unterstützung durch den Gitarristen, bleibt im Kreisch-Bereich, in „Medusa“ mit beeindruckend langen Schreien und mit etwas psychotischem Gelächter ausstaffiert, während in „Apocalypse“ der Gitarrist in gotisch-dunklen Klargesang abdriftet. „Master Of Black Arts“, viel breite Epik mit etwas Geknüppel kombinierend, beendet einen durchaus unterhaltsamen Set, bei für Genreverhältnisse ebenfalls relativ klarem Sound übrigens. Eïs lagen zwei Jahre lang auf selbigem, sind aber seit 2021 in veränderter Besetzung wieder aktiv – neben Bandkopf Alboîn und dem auch schon ein Jahrzehnt an Bord befindlichen Hauptgitarristen Abarus musizieren zwei Neulinge an der zweiten Gitarre bzw. am Drumkit. Musikstilistisch fällt das Quartett zwar auch in den Black Metal, lyrisch aber ganz und gar nicht, und Distanz zum Publikum aufzubauen versuchen die Ostwestfalen auch gar nicht erst: Sie kleiden sich ganz normal, Gesichtsbemalung gibt es auch keine, und Alboîn hält seine Ansagen in ganz normalem Tonfall, verkündet seine Freude über die positiven Resonanzen, macht mit der Problemansage „Scheiße, hat jemand ’nen Flaschenöffner?“ klar, dass hier keine Kunstfiguren agieren, sondern Menschen, und singt zwar kreischig, aber dabei so, dass man so einiges von dem, was er uns mitteilt, sogar in der Livesituation verstehen kann – im Black Metal bekanntlich eine Seltenheit. Schon „Ein letztes Menetekel“, der Opener des immer noch aktuellsten Full-Length-Albums Bannstein aus dem Jahr 2015, gießt quasi alles von Epik bis Geknüppel in ein intelligent arrangiertes großes Ganzes, und die noch folgenden fünf Songs plus eine Zugabe variieren diesbezüglich, ohne aus dem Rahmen zu fallen, aber auch ohne vorhersehbar zu werden. Der Titeltrack des Galeere-Albums führt in Zeiten zurück, als die Band noch Geïst hieß (man mußte sich umbenennen, da eine Kölner Band namens Geist mit rechtlichen Schritten drohte und das Trema auf dem i offenbar nicht als genügende Abgrenzung ansah), und „Ein Palimpsest von Patina“ gar noch weiter – es handelt sich um eine Neueinspielung des Titeltracks des Geïst-Debüts, die justament als Single und erstes aktuelles Eïs-Tondokument seit der Revitalisierung erschienen ist. Der Song erlebt an diesem Abend seine erste Livedarbietung seit reichlich zwölf Jahren, und er besitzt alle Tugenden, die man an den Kompositionen der Band so schätzen kann, wobei die symmetrische Anlage auffällt: knüppeliger Anfang, dann eher doomig, melodiedurchwirktes Midtempo mit einem kurzen Cleangesangseinwurf, dann wieder Doom und als Finale nochmal Geknüppel. „Über den Bannstein“ sagt Alboîn mit dem alten, aber immer wieder wirkungsvollen Witz an, jetzt komme etwas Langsames – die erste Songhälfte macht aber mächtig Tempo, erst die zweite baut auch etwas epische Breite ein. Die beiden letzten Songs des regulären Sets stammen vom 2012er Wetterkreuz-Album: „Bei den Sternen“ bleibt recht verhalten, „Mann aus Stein“ zieht nochmal alle Register und fügt neue hinzu – das Break, das aus der epischen Breite ins Geknüppel überleitet, gerät fast reggaelastig, spätere Breaks gewinnen immer mehr an Eindringlichkeit, und vor dem letzten vokalen Ausbruch „Ich bin der Mann aus Stein!“ wechselt der Sänger auch nochmal in appellierendes Shouten. Wem sechs Songs für einen Headlinerset zu kurz anmuten, der verkennt, dass die Kompositionen Alboîns allesamt an der Zehn-Minuten-Marke kratzen – und es wird natürlich auch eine Zugabe eingefordert und mit „Stillstand und Heimkehr“, Titeltrack der 2018er EP, auch gewährt, abermals lange doomig und mit markantem Speedfinale samt erneuter appellierender Sequenzen. Dank eines abermals ziemlich guten, lediglich die Bassdrums einen Deut vorschmecken lassenden Soundgewandes kann man die Eïs-Kompositionen in angemessener Weise nachvollziehen, und das letzte Detail macht endgültig klar, dass das hier ein ungewöhnlicher Black-Metal-Gig war: Auf der Rückseite der Setlist findet sich ein Ausdruck einer wissenschaftlichen Abhandlung über die Genetik des Großen Panda. Roland Ludwig |
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