Wieder ein Trio-Abend: Dätcha Mandala und Love’n’Joy im Jenaer Kulturbahnhof
Haben Dätcha Mandala eine Klausel in ihren Konzertverträgen, dass sie immer nur mit anderen Trios auf die Bühne steigen wollen? Von ihren vier Kulturbahnhof-Gigs hat der Rezensent drei gesehen, und immer stand ein Trio vor ihnen auf der Bühne – sie selbst agieren ja bekanntlich auch zu dritt. An diesem frühlingshaften Abend sind Love’n’Joy als Support dabei, deren Bandname in einem paradoxen Widerspruch zur derzeitigen Lage vieler Menschen in ihrer ukrainischen Heimat steht und die seit Mai 2022 permanent auf Tour sind, wo sie die Gelegenheit nutzen, im Rahmen des Projektes „Musicians Defend Ukraine“ Hilfsgelder für an der Front stehende Musiker und deren Angehörige zu sammeln. Rein musikalisch gibt es allerdings in der Tat deutlich mehr Liebe und Freude, wenngleich das Trio nun nicht in Funpunk-Areale ausschlägt und sich auch von Plattitüden über die Zweisamkeit fernhält, wie man sie im Schlager zuhauf findet. Statt dessen bekommen wir mit „That Shines Above“ und „Animals“ zunächst zwei Songs indieangehauchten Rocks vorgesetzt, bevor sich drei Dinge ereignen. Zum einen traut sich besonders der Gitarrist mehr und mehr in effektgeladene Gefilde, zum zweiten werden die Arrangements immer weiter aufgebrochen und geben Raum für so manche ausführlichere Instrumentalexkursion, und zum dritten verändert sich das Klangbild. Die ersten beiden Songs sind die klarsten, die der Rezensent je im Kulturbahnhof gehört hat, trotzdem aber problemlosen Energietransport ermöglichend – ab Song 3, „Cosmo“, wird der Sound etwas lauter und verliert damit diese kristallene Klarheit, wenngleich auch weiterhin alles durchhörbar bleibt, was man hören muß. Und da offenbaren sich doch etliche gute Ideen seitens der Songwritingfraktion, die freilich auch durch das unbestreitbare Können des Trios befeuert werden. Das betrifft auch den Gesang, wobei sich nicht selten zweistimmige Passagen in historischer Blumenkind-Manier finden, deren zweite Stimme der Drummer beisteuert, und zwar an einem Mikrofon, das in einer Höhe hängt, wie man es von Lemmy kannte. Sein Kit wiederum ist recht spartanisch bestückt, aber das macht nichts – er legt einen grundsoliden Beat in allen benötigten Varianten vor und gönnt sich hier und da auch Ausflüge in komplexere Welten, wobei der flotte Setcloser, die schnelle Version von „Raving Referee“, das Gegenteil erfordert, nämlich die Simulation eines Dancefloor-Beats auf einem echten Drumkit. Nicht nur da zuckt das Tanzbein vieler Anwesender recht heftig – die Stimmung ist durchgehend positiv, man freut sich gemeinsam mit der Band, dass Wladimir Putin seitens des Internationalen Strafgerichtshofes jetzt offiziell als Verbrecher eingestuft wird, und dass blau-gelbe Bänder am Mikroständer vor dem Gitarristen hängen, ist natürlich ebensowenig ein Zufall wie die nicht seltene Wahl dieser Farben bei der Bühnenbeleuchtung. Aber auch jenseits politischer Sympathien kann man die Musik des Trios problemlos gut finden, und auch die noch recht jungen Musiker sind schon öfter in Jena aktiv gewesen, dreimal insgesamt nämlich und an diesem Abend zum zweiten Mal im Kulturbahnhof. Sie dürften gerne wiederkommen – am liebsten dann aber ohne den eingangs genannten Sammelzweck, der sich hoffentlich irgendwann mal als nicht mehr nötig erweist. Setlist Love’n’Joy: That Shines Above Animals Cosmo Raving Referee Brut Come About Spirit Yesterday Raving Referee (fast) Dätcha Mandala sind Verschiebungen von Konzerten bereits gewöhnt – schon der 2019er Jena-Gig hatte eigentlich im Frühjahr stattfinden sollen, mußte aber mit der gesamten Tour in den Herbst verlegt werden, in eine Zeit, als noch niemand in Mitteleuropa ein gewisses Virus auf dem Schirm hatte, das dann ab 2020 eine schwierige Situation nach der anderen für den Livemusikbetrieb auftürmte, so dass auch die drei Franzosen nicht so agieren konnten, wie sie gewollt hätten. Aber nun sind sie endlich wieder da, und sie haben diesmal eine eigene Soundfrau am Start, die es fertigbringt, ein sehr klares und doch energiegeladenes Klangbild zu erzeugen, wie man es im Kulturbahnhof auch von Stamm-Soundmann Thomas kennt und wie es 2019 leider nicht zustandegekommen war, so dass man die vielschichtigen Einfälle des Trios nicht in der wünschenswerten Klarheit wahrnehmen konnte. Das ist diesmal erfreulicherweise wieder anders und trägt entscheidend zum Beglückungsfaktor des Gigs bei. Musikalisch hat sich nichts Grundsätzliches verändert: Dätcha Mandala agieren immer noch als klassisches Siebziger-Powertrio – aber sie verfeinern ihren Sound immer weiter, addieren ein wenig mehr Psychedelik als früher, sprühen immer noch vor Energie, rücken aber noch ein wenig weiter von Led Zeppelin ab, was schon im Direktvergleich der Gigs von 2016 und 2019 aufgefallen war. Dazu paßt, dass Sänger Nicolas stimmlich seine Mixtur aus Geddy Lee und Robert Plant aktuell stärker in der Nähe des Erstgenannten ansiedelt – bisweilen so stark, dass ihn jede Rush-Coverband (gibt’s solche eigentlich?) ohne viel Federlesen verpflichten könnte. Aber der Franzose hat natürlich seine liebgewordene Angewohnheit, mit wilden Kopfbewegungen vorm Mikrofon auch für psychedelische Anflüge in seinem Gesang zu sorgen, nicht aufgegeben, und solche Ideen war man von Herrn Weinrib ja eher nicht gewöhnt. Vokale Unterstützung kommt gelegentlich auch von den beiden Mitmusikern, und dass die beiden, nein, alle drei auch hochgradig fit in bezug auf die Frage sind, was sie mit ihren Instrumenten anzustellen haben, dürfte ja allgemein bekannt sein. Zwar geraten einige Nummern gerade in der ersten Sethälfte bisweilen einen Tick geradliniger, als man das bisher von den Franzosen gewohnt war, aber hier und da ziehen sie auch da schon richtig vom Leder, was sie in der zweiten Sethälfte dann noch deutlich verstärkt tun. An strukturellen Auffälligkeiten ist natürlich wieder eine Ballade zu vermelden, lange Zeit von Nicolas allein bestritten, ehe sich seine Kollegen hinzugesellen. Mundharmonika-Einsatz in „Mojoy“ gibt es selbstredend auch wieder, und die Soundfrau bekommt sogar ein eigenes kurzes Lied gewidmet, dessen Text aus ihrem Namen besteht und dessen Bluesrock-Touch nicht dahingehend mißverstanden werden sollte, sie würde etwa Grund zum Kummer bereiten. Noch eine weitere Frau darf sich der Ehre erfreuen, von Dätcha Mandala besungen zu werden, allerdings bekommt sie es nicht mehr live mit: „Janis“ heißt mit Nachnamen natürlich Joplin, und der ihr gewidmete Song bietet zugleich die Gelegenheit, auch das Publikum in die Sangesaktivitäten einzubeziehen. Das tun die Anwesenden mit Freude, und die Stimmung im Saal ist prima, so dass es nicht weiter schwerfällt, das Trio noch zu einer Zugabe zu überreden. Man einigt sich mit Nicolas auf „twice one song“ (der Franzose hat diesmal übrigens keinen Zettel mit seinen deutschen Ansagen dabei, sondern ein kleines Notizbuch, aus dem er zur allgemeinen Erheiterung vorliest, wenn er nicht doch ins Englische überwechselt), und da die Anwesenden nach diesen beiden Songs immer noch keine Ruhe geben, legen Dätcha Mandala schließlich außerplanmäßig auch noch das von einigen Enthusiasten geforderte „War Pigs“-Cover nach, obwohl sie es nach eigener Aussage schon länger nicht mehr gespielt haben. Macht nichts – ihre Fassung überzeugt auch in diesem Zustand, an die eigenartig zusammengestellten Textzeilen hat man sich ja mittlerweile gewöhnt, und die Spielfreude bricht sich ein letztes Mal in gewohntem Maß Bahn, bevor der Gig unwiderruflich endet und die drei Südwestfranzosen ein weiteres Mal unter Beweis gestellt haben, dass sie zu den stärksten Liveacts dieses Planeten gehören. Setlist Dätcha Mandala: Stick It Out EhtBup Koda Anahata Have You Seen The Light? Missing Blues Janis Sick Machine Julieta Om Nama Shivaya The Wanderer Helter Skelter Hit & Roll -- Born To Be A Light Pavot -- War Pigs Roland Ludwig |
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