Naïssam Jalal & Rhythms Of Resistence
Un Autre Monde
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Bei Naïssam Jalal handelt es sich um eine in Paris geborene Flötistin mit syrischer Abstammung. Als sie siebzehn Jahre alt war, soll sie ein Album von John Coltrane sehr beeinflusst haben - "Olé". Ferner begab sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln nach Syrien und nahm dort Musikunterricht und spielte mit dortigen Musikern zusammen. Insofern kann man sich ihre Musik als eine Mischung von Folk und Jazz vorstellen, im Rahmen einer weltmusikalischen Anschauung. Die Jazz-Elemente sind jedoch noch ausgeweitet worden hin zur Fusion-Bewegung des Genres. Wesentlichen Anteil an der jazzigen Ausrichtung hat der Saxofonist Mehdi Chaïb, der neben klarem Jazz-Spiel mit sehr kraftvoller Note und expressivem Ausdruck stets auch arabische Elemente einfliessen läßt.
Mit Un Autre Monde (eine andere Welt) stellt die Künstlerin nun ein Doppel-Album vor, wobei es sich bei der zweiten CD um die Vorstellung eines Konzertes handelt, aufgenommen im Februar 2020 im "Théatre du Champ au Roy" in Guincamp und im "L'Asphodèle" in Questembert, beides in Frankreich. Die Studioeinspielung der ersten CD stammt aus dem Juni 2020, im Midilive Studio in Villetaneuse entstanden.
Begleitet wird die Flötistin, die ferner Nay spielt und auch singt, vom Ensemble Rhythms Of Resistence. In den Liner Notes weist die Protagonistin unter anderem darauf hin, dass es ihr nicht unbedingt leicht fiel, neue Songs zu schreiben. Hierbei verweist sie auf die teils unhaltbaren Zustände in der heutigen Welt, voller Gewalt, voller Unruhe, und mit dem Wunsch verbunden, dieses ändern zu müssen, den Kampf um das Überleben entschieden anzugehen und uns nach und nach eine bessere Welt zu schaffen. So wollte sie auch mit ihrer Musik neue Gebiete erkunden, ohne den eingeschlagenen Pfad zu verlassen. So schließt sie in den Liner Notes ab: "Un Autre Monde, to bring a little light into our daily lives. And to rekindle the hope that this other world could be the world of tomorrow."
Nun, dieser Ansatz, eine weltumfassende und Hoffnung erweckende Musik zu schaffen, scheint mir gelungen. Denn die Frische, die Zeichen von Aufbruch und Neuorientierung, dies alles schwingt mit in der großen lyrischen und kreativen Ausgestaltung. So atmet das Ganze die Freiheit, die sich die Menschheit sicher wünscht und drückt dieses kraftvoll und sehr schwungvoll aus. Dabei sind die Kompositionen äußerst ausgereift und ansprechend. Die Musiker verstehen es, die Einzelkomponenten zu einem stimmigen und authentisch wirkenden Ganzen umzusetzen. Die emotionale Kraft der Folk-Elemente, der kraftvolle Druck der Fusion-Elemente und die Freiheit des Jazz finden hier eine stimmige Gemeinsamkeit, die wie aus einem Guss verbindend wirkt. Ich denke jedoch, dass an Pop und Rock orientierte Hörer/innen sich eher abwenden könnten, aber alle Folk/Weltmusik/Jazz-Fans sollten aufhorchen, denn hier wird etwas Spannendes geboten, durchtränkt von großer Spiritualität bisweilen.
Alle Musiker sind hervorragende Könner auf ihren Instrumenten, von den Solisten bis zur treibenden Rhythm Section, es ist sehr mitreissend. Ist die Musik der Studio-Einspielung bereits auf ihre Weise faszinierend, so gilt das gleichermassen für die Liveaufnahmen. Begleitet wird die Band vom National Orchestra of Bretagne, mit voller Ausstattung, von Violinen, Bratschen, Celli, Flöten, Oboen und Blech- und Holzbläsern. Durch diese orchestralen Arrangements wird den Songs nur ein wenig von der freien Leichtigkeit der Studio-Aufnahmen genommen, haben die Bandmitglieder doch noch genügend Spielraum zur Entfaltung. Das Orchester stellt man trefflich zur Schau auf dem mit 11:18 Minuten längsten Titel, "Almot Wala Almazala". Ganz bedächtig, drohnenhaft, mit dem führenden Flötenspiel, sehr orientalisch klingend, startet der Song geheimnisvoll. Naïssam Jalal wird dann eins mit der Flöte und bringt ihre Stimme mit ins Spiel. Es wird ganz leise, bei 5:44 setzt dann das Orchester mächtig ein und läßt die Stimmung treiben, das gleicht einem Soundtrack für einen mystischen Film, "Geheimnisse unter Wasser", "Das Ende der Welt", so etwas fällt mir ein, bis dann die Flöte Hoffnung bringt, romantisch, ganz zart und schön untermalt. Wiederum Stille, erneuter Ansatz bei 8:40, eine volle Breitseite aller Beteiligter bringt eine enorme Kraft ins Spiel, Kraft, die sich ins Freie auflöst, Free Jazzer und Avantgardisten dürften sich freuen. Das klingt wie Befreiung, das ist turbulent ohnegleichen, bis zum Schluss des Songs, grandios, dieser Abschluss!
Wolfgang Giese
Trackliste |
CD 1:
1 Buleria Sarkhat Al Ard (7:06)
2 Hymne à la noix (7:13)
3 Un sourire au cœur (4:53)
4 Un monde neuf (7:34)
5 Samaaï Al Andalus (6:35)
6 Promenade au bord du rêve (6:39)
7 D'ailleurs nous sommes d'ici (8:44)
CD 2: (live recording)
1 Paysages de notre destin (6:46)
2 Un sourire au cœur (3:30)
3 Un monde neuf (8:44)
4 Samaaï Al Andalus (7:12)
5 Almot Wala Almazala (11:18)
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Besetzung |
Naïssam Jalal (flute, nay, voice)
Mehdi Chaïb (tenor and soprano saxophone, karbab)
Karsten Hochapfel (guitar, cello)
Damien Varaillon (double bass)
Arnaud Dolmen (drums)
National Orchestra Of Bretagne, conducted by Zahia Ziouani (CD 2 only)
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