Candlemass
The Door To Doom
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Info |
Musikrichtung:
(Doom) Metal
VÖ: 22.02.2019
(Napalm)
Gesamtspielzeit: 48:49
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Die Tür zum Doom hatten Candlemass ja bereits mit ihrem legendären Debütalbum Epicus Doomicus Metallicus aufgestoßen und durchschritten. Auf selbigem sang gasthalber ein Mann namens Johan Längquist, den Schweden-Metal-Experten von einer Combo namens Jonah Quizz kannten. Zum festen Einstieg bei Candlemass durchringen konnte er sich damals nicht, und statt dessen erschien Bandkopf Leif Edling der Messias in Gestalt eines gewissen italienischstämmigen Sängers, der dann die folgenden Meisterwerke veredeln sollte. Etliche Jahrzehnte und so manchen Besetzungswechsel am Mikrofon später trat Längquist gelegentlich wieder mit der Band auf, hauptsächlich bei speziellen Gigs, die sich intensiv, bisweilen sogar als Gesamtaufführung dem Material des genannten Debütalbums widmeten. Und nun ist er auch auf The Door To Doom zu hören, diesmal offenbar nicht nur sessionmäßig, sondern als festes Bandmitglied, Mats Levén ersetzend, der damit in der Diskographie der Band „nur“ auf zwei EPs, aber auf kein volles Album kommt, zumindest nicht als Leadsänger – das Booklet der neuen Scheibe erwähnt, dass er Backing Vocals eingesungen hat, zusammen mit zwei anderen alten Bekannten, nämlich Jennie-Ann Smith von Avatarium und Stefan Berggren von Memory Garden.
Zu beantworten sind bei der Analyse hauptsächlich zwei Fragen. Die erste besitzt den Hintergrund, dass sich Candlemass auf ihren seit den Frühneunzigern erschienenen Alben gelegentlich etwas vom durch sie selbst erfundenen Epic Doom entfernt hatten, und somit ist interessant, ob sie die Rückkehr ihres Ur-Sängers auch zum Anlaß nehmen, wieder vollständig in den alten Stil einzuschwenken. Die Antwort ist: Nein, sie tun es nicht. Der bombastische Einleitungspart des Openers „Splendor Demon Majesty“ läßt diese Option durchaus noch offen, aber dann entwickelt sich der Song eher in Richtung mittelschnellen düsteren Power Metals. Nun ist das allerdings nichts, was Candlemass früher nicht auch schon getan hätten, nicht zuletzt als Albumopener, und taugt daher noch nicht für eine Gegenargumentation, zumal Edling als alter Songwritinghase natürlich genau weiß, was er tut, und den Tempowechsel bei 2:48 könnte man in jedes Lehrbuch übernehmen. Aber schon Song 2, „Under The Ocean“, macht klar, dass wir keine konsequente Rückbesinnung auf die Debüttage zu hören bekommen, sondern auch andere Bandphasen durchscheinen. In diesem Falle ist es das selbstbetitelte Abstrakt-Algebra-Album, das mit den psychedelisch angehauchten Keyboards durchschimmert, die aber wiederum auch eine Klangfarbe einbringen, die der Edling-Experte schon von The Doomsday Kingdoms „The Silence“ kennt. Wer hier Keyboards spielt, verrät das Booklet, das für andere Songs die Gasttaster genau zuordnet, nicht. Dafür kommt im folgenden „Astorolus – The Great Octopus“ der prominenteste Gast der ganzen Scheibe zum Einsatz: Im dreiteiligen Solo spielt Tony Iommi die ersten beiden Sektionen und tut das in einer Weise, dass man ohne diese personelle Information gar nicht auf die Idee käme, hier sei jemand anders als Stamm-Leadgitarrist Lars Johansson am Werk – Iommi spielt weder so wie auf den alten Black-Sabbath-Alben noch so wie auf den traditionsmetallischer orientierten seit 1980, die allgemein als großer Fortschritt in seiner Soloarbeit gelten. Der Song selbst bietet über weite Strecken klassischen Candlemass-Doom – aber eben nur über weite Strecken: Drei Jahrzehnte früher hätte sich Edling den schnelleren Part im Mittelteil wahrscheinlich gespart, reinen Doom aus der Nummer gemacht und damit einen größeren Treffer gelandet als mit der Fassung hier. Erstaunlicherweise haben die Schweden damit trotzdem eine Grammy-Nominierung eingesackt – angesichts der auch hier nicht unterschrittenen Grundqualität natürlich trotzdem verständlich. Freilich ertappt man sich immer wieder bei dem Gedanken, dass man aus bestimmten Ideen vielleicht doch hätte zwei Songs machen sollen, etwa aus „Death’s Wheel“, der quasi aus einem klassischen Candlemass-Doomer und einer experimentelleren Power-Metal-Nummer zusammengesetzt ist, was hier übrigens auch auf das Hauptsolo zutrifft: Anfangs klassisch Candlemass, wie nur irgendwas klassisch Candlemass sein kann, kommt alsbald wieder ein psychedelisch anmutendes Keyboard im Hintergrund dazu, das Erinnerungen an Abstrakt Algebra weckt und dessen Urheber im Booklet abermals anonym bleibt. „Black Trinity“ hebt mit ultrafinsterem Riffing an, das die Option offenläßt, Candlemass wanderten in den Funeral Doom ab, bevor sich geradliniger zäher Power Metal entwickelt, der in den Rhythmusverschiebungen des Refrains allerdings schon anzudeuten scheint, was dann im Solo passiert: Candlemass goes Sepultura, mit Gastpercussionist Michael Blair. Da wird noch der eine oder andere Durchlauf vonnöten sein, bis klar ist, ob dieses Experiment als gelungen anzusehen ist oder nicht. „House Of Doom“ kennt man schon als Titeltrack der von Levén eingesungenen Vorgänger-EP – trotz des hier leicht abweichenden instrumentalen Soundgewandes dürfte allerdings trotzdem davon auszugehen sein, dass es sich um eine komplette Neueinspielung handelt und Längquist nicht einfach nur eine neue Gesangslinie über die von der EP übernommenen Instrumentalparts gelegt hat. Zu hören bekommen wir nach dem schicksalhaften Glockenintro jedenfalls eine strophenseitig recht flotte Nummer, die in einen angestoppten und orchestrierten Refrain mündet, wobei die orchestralen Elemente in der ersten Solohälfte nochmal wiederkehren, diesmal ergänzt um markante Orgelprinzipalklänge, deren Urheber seltsamerweise erneut nicht genannt wird. Eigentümlicherweise kommen die Glockenschläge im doomigen Outro nicht durchgängig auf die Zählzeit, sondern lagern etliche Male knapp dahinter, ohne dass sich ein rationaler Grund dafür ausmachen läßt – und noch eigentümlicher ist der Umstand, dass sie in der EP-Version noch durchgängig exakt auf den Zählzeiten lagen. Mit „The Omega Circle“ schließt abermals angedüsterter und temposeitig durchaus vielseitiger Power Metal die knapp 49 Minuten Musik ab, wobei nach dem eigentlichen Songende und ein paar Sekunden Pause nochmal ein klassischer Candlemass-Doompart instrumental für eine Minute durchgespielt wird – das ist offenbar der Teil, wo Andreas „Habo“ Johansson trommelt, den man auch schon von The Doomsday Kingdom kennt.
Die zweite zu beantwortende Frage ist: Wie schlägt sich Längquist? Man hat natürlich noch seine diversen Vorgänger im Kopf und auch seine Leistung auf dem Debütalbum, wo er klare und ausschweifende Melodielinien sang, wenngleich ohne den operatischen Touch, den dann Messiah Marcolin einbrachte. Der Rezensent hat keines der unter Längquists Mitwirkung bestrittenen Konzerte miterlebt, kann also nur anhand der vorliegenden konservierten Leistung urteilen – und war anfangs erschrocken, was der Mann hier abliefert. Er wirkt in den härteren Passagen angestrengt, der Stimmumfang hat entweder stark abgenommen, oder Edling hat ihm eher unanspruchsvolle Melodielinien serviert. Als ein kleiner Wendepunkt erweist sich allerdings „Bridge Of The Blind“ an Position 4, eine Ballade, in der Längquist klar singt – und das kann er immer noch so gut wie damals, wenngleich eine Oktave tiefer, aber dafür ausdrucksstark, bedarfsweise auch zerbrechlich. Ähnliche Qualitäten führt er auch in den analog strukturierten Passagen von „The Omega Circle“ ins Feld, und in den drei dazwischenliegenden Songs wirkt es auch irgendwie so, als gewinne der Sänger an Souveränität. Mit Alleskönner Levén mitzuhalten fällt ihm allerdings durchaus nicht leicht, aber vielleicht entwickelt er noch einen interessanten „Altersstil“, der dann auch durch entsprechende Anforderungen Edlings gefördert wird.
In der Gesamtbetrachtung bleibt festzuhalten, dass The Door To Doom, obwohl auch das Artwork einen Fingerzeig in Richtung Epicus Doomicus Metallicus zuläßt, die musikalische Rückbesinnung nur in geringerem Maße vornimmt, als mancher Altanhänger vielleicht erhofft hatte. Statt dessen erinnert das Album kurioserweise am stärksten an das selbstbetitelte The-Doomsday-Kingdom-Werk, zumal sich hier und da auch die Stimmfärbungen der Sänger ein wenig ähneln – und Marcus Jidell, Gitarrist bei TDK und früher auch schon mal kurz bei Candlemass die Saiten gezupft habend, tritt hier als Produzent in Erscheinung und hat stilistisch vermutlich auch die eine oder andere Spur hinterlassen. Wer die TDK-Scheibe mochte, macht mit The Door To Doom jedenfalls nichts verkehrt, wohingegen Retro-Fanatiker gewisse Vorsicht walten lassen sollten, obwohl die grundsätzliche Qualität des Werkes natürlich trotzdem positiv stimmt.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Splendor Demon Majesty | 5:29 |
2 | Under The Ocean | 6:13 |
3 | Astorolus - The Great Octopus | 6:42 |
4 | Bridge Of The Blind | 3:44 |
5 | Death’s Wheel | 6:51 |
6 | Black Trinity | 6:05 |
7 | House Of Doom | 6:27 |
8 | The Omega Circle | 7:17 |
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Besetzung |
Johan Längquist (Voc)
Lars Johansson (Git)
Mappe Björkman (Git)
Leif Edling (B)
Jan Lindh (Dr)
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