Tobias Wiklund

Where The Spirits Eat


Info
Musikrichtung: Modern Jazz

VÖ: 22.03.2019

(Stunt Records)

Gesamtspielzeit: 55:31

Internet:

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http://www.sundance.dk/


1986 wurde der Musiker Tobias Wiklund in Schweden geboren. Eines Tages gab es einen entscheidenden Impuls, nämlich als er von seinem Vater eine Platte von Louis Armstrong erhielt. Die Energie im Spiel der Trompete begeisterte ihn sehr. Im Alter von 20 Jahren erfolgte ein Umzug nach Kopenhagen und festigte dort seinen Ruf als guter Musiker, der unter anderem mit der Big Band des dänischen Rundfunks unterwegs war. Projekte mit Snorre Kirk, Kira Skov oder Maria Faust erweiterten seinen musikalischen Horizont.

Where The Spirits Eat ist das Debüt-Album und der Trompeter wendet sich auch seinem bevorzugten Instrument – dem Kornett – zu, es besitzt einen dunkleren Klang, liegt in etwa zwischen Trompete und Flügelhorn und wird heute nur noch selten im Jazz benutzt. Neben neun Eigenkompositionen präsentiert Wiklund zwei Stücke von Louis Armstrong, “Song Of The Vipers“ und “Weather Bird“. Mit seinem Landsmann Daniel Fredriksson am Schlagzeug und den zwei dänischen Kollegen, dem Bassisten Lasse Mørck und dem Pianisten Simon Toldam, präsentiert der Protagonist einen Jazz, der sich nicht in Schemata pressen lässt. Wiklund bevorzugt es, seine eigene Interpretation vorzustellen, mit einem Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Dabei passt er genau in jene Riege von Trompetern, die ähnlich individuell tätig waren oder sind, wie etwa Tomasz Stanko, Enrico Rava oder aktuell Avishai Cohen. Als würde ein Zug langsam in Bewegung kommen und Fahrt aufnehmen, signalisiert durch den mit Besen agierenden Drummer, startet “Where The Spirits Eat“, also mit dem Titelsong. Zum schnellen Rhythmus spielt der Pianist genau konträr schwere dunkle und langsame Akkorde, allein dieser Auftakt ist bereits faszinierend. Darüber legen sich das Kornett und der gestrichene Bass und die Musik scheint aus dem Irgendwo entstanden zu sein, in der Tat nicht greifbar, das ist eine äußerst interessante Fusion mit Aspekten, die so in dieser Form wohl noch nicht sehr häufig ausgefüllt waren.

Mit Wah-Wah und gestopft erscheint das Kornett beim zweiten Song und nach kurzer Einleitung swingt die Band gnadenlos, jedoch stets wieder unterbrochen durch Rhythmuswechsel und bestimmt von ungewöhnlichem Arrangement. Der Mann drückt der Musik auf ganz seltene Art und Weise seinen Stempel auf, solche Ausgeprägtheit von Individualismus habe ich schon lange nicht mehr zu Ohren bekommen. Die Formen und Strukturen scheinen aus dem Moment zu entstehen, und nun ist es interessant, nachzuprüfen, was man aus den festen Strukturen der beiden Armstrong-Song gemacht hat. “Song Of The Vipers“ erinnert mich an “Swing Low Sweet Chariot“ hinsichtlich der Stimmung, doch schon bald bemerkt man, dass auch hier die Ideen frei schweben über der festen Songstruktur. Um nicht missverstanden zu werden, das ist kein Free Jazz, dieser Jazz nutzt den Spielraum des Genres aus innerhalb eines Rahmens, man bricht also nicht aus, sondern benutzt das stets vorhandene Gerüst, um daraus Improvisation und Ideen spontan zu schöpfen. “Weather Bird“ ist da etwas straffer gezogen und der Ursprung dieses Songs ist eindeutig zu erkennen, bis der gestrichene Bass plötzlich eine ganz eigene kammermusikalische Note einbringt, aber nur kurz als Bonbon.

Ja, es ist Tobias Wiklund und seiner Band grandios gelungen, den Jazz noch einmal aufzumischen mit einer neuen Frische, die man eigentlich so gar nicht mehr erwartet hätte. Zwar werden Genregrenzen nicht gesprengt, alles ist und bleibt Jazz.



Wolfgang Giese



Trackliste
1 Where The Spirits Eat (3:48)
2 Dancing To The Drum Of No Conscience (7:11)
3 Song Of The Vipers (2:23)
4 Smoke (8:08)
5 The Janitor (1:16)
6 Mycket Viktig Meddelande (7:06)
7 Saved By You (4:24)
8 Beefroot Interlude (1:00)
9 Beefroot (6:07)
10 Weather Bird (2:11)
11 Waking Up On Buffalo Hill (5:42)
12 City In The Sky (6:45)
Besetzung

Tobias Wiklund (cornet)
Simon Toldam (piano)
Daniel Fredriksson (drums)
Lasse Mørck (bass)



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