Musik an sich


Artikel
VAN CANTO – Ein frischer Wind in Sachen Metal oder gar ein aufkommender Sturm?



Info
Gesprächspartner: Van Canto (Stefan Schmidt)

Zeit: 20.03.2007

Interview: Telefon

Stil: A Capella Metal

Internet:
http://www.vancanto.de

Innovationen im Metalbereich, ganz speziell in Sachen melodischer Powermetal europäischer Prägung, findet man heute leider viel zu selten. Lieber wird bereits Bestehendes und Durchgekautes bis zum Erbrechen neu aufgekocht. Wie schön, dass es auch heute noch Bands gibt, die sich ganz selbstbewusst aus dem Fenster lehnen und auch mal das eine oder andere ungewöhnliche Hirngespinst in die Tat umsetzen. Das Sextett VAN CANTO gehört sicherlich zu dieser Spezies. Aber anstatt ihre Musik mit den wildesten instrumentalen Kapriolen oder mit exotischen Instrumenten und Effekten aufzupeppen, ging diese Band einen Schritt in eine ganz andere Richtung. „A Capella“ hieß das Stichwort. Also der Verzicht auf Instrumente und eine Beschränkung auf die menschliche Stimme und ihre Möglichkeiten. Lediglich das Schlagzeug durfte seinen Platz behalten um einen echten metallischen Wumms zu erzielen.
Klingt verrückt? Ist es vielleicht auch. Aber es funktioniert. Und das sehr gut! Der beste Beweis dafür ist das erste VAN CANTO-Album namens A storm to come. Eine CD voller melodischer und bombastischer Songs, die jedem gefallen sollten, der auch Bands wie Blind Guardian oder Nightwish zu seinen Favoriten zählt. Aber beileibe nicht nur denen. Um mehr über das neue Ding „A Capella Metal“ zu erfahren schnappten wir uns Stefan Schmidt, den Macher hinter VAN CANTO. Hier also etwas Licht ins Dunkel:






MAS:
Hallo Stefan! In meinem Review zu
A storm to come habe ich schon versucht euren A Capella Metal etwas zu beschreiben. Aber bevor wir diese Fragen klären, könntest Du Dich und Deine Bandkameraden bitte kurz vorstellen?

Stefan:
Wir sind Van Canto. Soweit wir wissen die erste A Capella Metalband der Welt. Wir bestehen aus vier Sängern, einer Sängerin und einem Drummer. Uns gibt es seit 2006. Gestartet sind wir eigentlich zuerst als Studioprojekt. Wir haben Ende 2006 die Aufnahmen zu unserem ersten Album A storm to come abgeschlossen und haben danach so viele gute Reaktionen eingeheimst, dass wir uns entschlossen haben, das Ganze als richtige Band durchzuziehen und Konzerte zu spielen.

MAS:
Ihr seid ja nicht erst seit gestern musikalisch aktiv. Dich dürften z.B. noch einige als Frontmann von Jester’s Funeral kennen. Wo habt ihr sonst noch so euer Unwesen getrieben?


Stefan:
Also Jester’s Funeral ist meine Ex-Band. Mit dem Ingo habe ich schon in unseren Jugendjahren zusammen in einer Band gespielt. Die Inga ist bei Fading Starlight aktiv. Eine Band die ich über das Label kennen gelernt habe, bei dem auch Jester’s Funeral unter Vertrag standen. Der Drummer Dennis und der Sänger Dennis kommen beide aus Duisburg und waren vorher bei Synasthasia – eine Power/Thrash Metalband, mit der ich früher schon öfter zusammen gespielt hatte. Und Ross ist von der Progmetalband Deadly Sin bzw. der Nu Metalband The Display aus dem Paderborner Raum. Ihn habe ich damals auf einem Fading Starlight-Konzet kennen gelernt. Und so sind die losen Kontakte mit den jetzigen Bandmitgliedern entstanden.

MAS:
Du bist ja so was wie der Initiator und Leiter hinter dem Ganzen. Ist die Idee zu dieser A Capella-Geschichte auch auf Deinem Mist gewachsen?


Stefan:
Ja das kann man so sagen. Ich hatte die Idee etwas Gesangsorientiertes zu machen schon länger im Hinterkopf. Ich hatte auch schon vor zwei/drei Jahren im Studio probiert mit Stimmen etwas zu machen und rumzuschneiden um zu sehen wie das klingen könnte. Richtig konkret wurde es dann, als sich Jester’s Funeral Anfang 2006 aufgelöst haben. Da hatte ich den Kopf frei für so etwas. Ich bin auch ziemlich schnell an diese Sache ran und kam dann auch ziemlich flott zu dem Entschluss, dieses mit mehreren Sängern umzusetzen. Dass im Endeffekt so etwas wie jetzt dabei herauskommt, hätte ich damals noch nicht wirklich gedacht. Der Gedanke war einfach, so etwas für mich selbst und die Leute die mitmachen zum Spaß zu machen.

MAS:
Das klingt zuerst einmal nach einer Art ungewöhnlicher Spaßidee.


Stefan:
Zumindest ist es nichts, was schon im Vornherein als etwas geplant war, dass voll abgehen soll. Ich wollte einfach mal meine Kreativität ausleben und auch etwas im musikalischen Bereich zu machen. Es sollte etwas im eher traditionellen/True Metalbereich sein, was mir jetzt kompositorisch mehr liegt, als das was wir mit Jester’s Funeral am Ende gemacht haben. Das war zwar auch klasse und ich stehe absolut dazu, aber die Melodien und das Bombastische haben mir dabei etwas gefehlt. Und es war natürlich ideal so etwas jetzt hier auszuprobieren.

MAS:
Wie lange hast Du dann so für Dich an dem Konzept gearbeitet und dann später deine Mitmusiker für ein richtiges Projekt gesucht?


Stefan:
Den ersten Song, „Lifetime“, habe ich bereits im Dezember 2005 geschrieben. Dieser war auch noch mit Gitarren und allem Drum und Dran als Jester’s Funeral-Song beabsichtig. Wobei es damals schon klar war, dass es von der Melodieführung nicht ganz zu dem restlichen Material passen würde. Im Februar 2006 haben wir uns als Jester’s Funeral aufgelöst. Von März bis Juni habe ich die restlichen Songs geschrieben und auch schon angefangen diese mit Ingas, Dennis’ und meinen Stimmen aufzunehmen. Dann kam das Schlagzeug dazu. Der Ross kam im Juni zu uns. Und im August waren wir mit den Aufnahmen für A storm to come komplett durch. Also innerhalb von einem dreiviertel Jahr von der ersten Songidee zum fertigen Album.

MAS:
Wo hast Du dann Deine Bandkollegen gefunden? Erst einmal den Freundeskreis nach geeigneten und willigen Kandidaten abgeklappert?


Stefan:
Den Ingo kenne ich bereits seit wir 12/13 Jahre alt sind. Das war ziemlich schnell klar, weil ich mit ihm früher in der Schule schon immer Songs zusammen gesungen habe. Die Inga ist meine Freundin. Von daher lag das auf der Hand. Alle Leute die am Ende mitmachten waren jeweils meine ersten Ideen. Dennis von Synasthasia hat mich einfach auf den paar Gigs die ich gesehen habe so weggeblasen, dass es damals schon klar war, dass ich irgendwann einmal mit ihm etwas machen will. Als ich dann an einen Sänger gedacht habe, der eine Stimme hat welche stark genug wäre um Leadstimme zu sein, aber trotzdem nicht ständig im Vordergrund stehen muss, dachte ich sofort an ihn. In der Richtung kam ich auch ziemlich schnell auf Ross. Es war einfach so, dass ich sie alle von unseren gemeinsamen Konzerten und Aktivitäten im Hinterkopf hatte. Und so kam einfach Eines zum Anderen und war auch nicht lange geplant. Ich habe sie gefragt und alle wollten sofort dabei mitmachen.

MAS:
Dann kann man ja bei Van Canto von einer echten Traumbesetzung sprechen.


Stefan:
Das kann man so sagen. Auf jeden Fall sind wir nicht zusammengecastet. Ich finde es sehr lustig, wenn wir Emails oder Einträge ins Gästebuch bekommen in denen sich Leute darüber beschweren, dass wir sowieso nur wieder eine Idee von irgendeiner großen Plattenfirma wären und wir auch noch die Dreistigkeit besäßen, auf die Homepage zu schreiben, dass wir uns schon ganz lange kennen.

MAS:
Kamt ihr euch nicht irgendwie etwas komisch vor, als ihr das erste Mal zusammen in einem Raum standet und euch die Rakkatakkas entgegengeschleudert habt? Der eine oder andere schiefe Blick von unabhängigen Zusehern wäre euch bestimmt sicher gewesen.


Stefan:
Ja gut am Anfang gab’s keine Unabhängigen (lacht). Als ich es für mich ausprobiert habe, fand ich es auch etwas komisch. Und auch als ich es den potentiellen Mitstreitern vorgespielt habe, waren die Reaktionen immer irgendwo zwischen genial und bescheuert. Also war es von Anfang an klar, dass es eine Sache ist, die funktionieren kann oder total daneben geht und als Gag anstatt ernsthafter Musik angesehen wird. Das wussten wir als wir angefangen haben definitiv noch nicht, dass es so klappen könnte.

MAS:
Also weder verrückt noch genial, sondern verrückt-genial!


Stefan:
(lacht) Das hast Du jetzt schön positiv ausgedrückt. Da lasse ich mich gerne darauf ein.

MAS:
Bei A Capella denkt man meistens an viel Stimmen-Uffta und Beat Box um die Rhythmen zu erzeugen. Ihr habt aber einen Drummer in euren Reihen. Habt ihr auch mal versucht nur mit den Stimmen einen ähnlichen Wumms erzeugen?


Stefan:
Ich hatte es mal probiert, das klang dann entweder so dancemäßig oder eben sehr technisch. Ich habe ganz am Anfang probiert wirklich die einzelnen Instrumenten eines Schlagzeugs aufzunehmen und dann irgendwie zu samplen um damit ein Schlagzeug zu programmieren. Aber damit kannst Du dann keinen melodischen Metal machen. Eher noch etwas tougheres. Für das was wir machen, was schon sehr handgemacht ist, muss es dann wirklich eine echter Schlagzeuger sein, damit es auch was mit echtem Metal zu tun hat.

MAS:
Wenn man diese Stimmen jetzt sampelt hat das schon wieder so etwas Unnatürliches. Da kann ich mir schon vorstellen, dass dies nicht wirklich zu dieser intensiven und melodischen Art von Musik gepasst hätte.


Stefan:
Im Endeffekt kann das auch jeder, irgendetwas aufnehmen und dann aneinander hängen. Aber so wie wir es jetzt arrangiert haben ist auch möglich, dass wir das Ganze live aufführen können. Und das war auch wichtig für uns.

MAS:
Wie entsteht eigentlich ein Van Canto-Song? Derart Melodieverliebtes kann man doch sicher nicht auf einer E-Gitarre schreiben?


Stefan:
Das ist auch komplett auf dem Klavier entstanden. Was die Akkorde betrifft, auf dem Piano und dann eine Gesangsmelodie dazugelegt. Und danach eben mehrere Stimmen darauf. Also teilweise auch ganz schulbuchmäßig wie man es lernen würde, wenn man einen mehrstimmigen Satz schreibt. Teilweise wurde dann eher nachgedacht „was würde jetzt die Gitarre spielen“ und das dann auf die einzelnen Stimmen gelegt. Im Endeffekt immer das was am besten klingt für den jeweiligen Teil.

MAS:
Hast Du Dich auch von anderen A Capella-Acts wie z.B. den Wise Guys inspirieren lassen oder gingst Du rein nach metallischen Gesichtspunkten vor?


Stefan:
Als Inspiration beim Songwriting würde ich jetzt keine A Capella-Band nennen. Ich würde auch solche Songs schreiben, wenn ich sie für eine normale Band instrumentieren würde. Da kämen dann eben noch Streicher und eine starke Rhythmusgitarre dazu, um einen ähnlich bombastischen Effekt zu bekommen. Die Wise Guys als Inspiration nur dahingehend, dass ich sie sehr gut finde und ich mir so etwas gerne anhöre. Sie klingen aber doch sehr pop- und familienorientiert. Also sehr nett und für Metal schon zu brav. Aber aus dieser Richtung kam dann schon die Idee einmal so etwas Ähnliches im Metalbereich zu probieren. Aber direkt vom Songwriting her gibt es hier keine Parallelen.

MAS:
Wie verliefen die Aufnahmen zu
A storm to come? Gab es den irgendwelche Probleme, gerade beim Mischen der Stimmen mit den Drums?

Stefan:
Nachdem ich auch Produzent der Platte bin, kann ich nur immer bei so Fragen antworten, das es genauso geworden ist wie ich es gern wollte. Aber ich habe jetzt schon unterschiedliche Rückmeldungen gehört, positive wie auch negative. Also Probleme gab es nicht, es lief genau so wie ich es beabsichtigt hatte. Ob man es jetzt noch irgendwie besser machen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das Problem bei so einer Sache ist natürlich, dass man sich nicht einfach mal ein paar Referenzbands anhören kann. Wenn ich jetzt mit einer normalen Truemetalkapelle ins Studio gehe, höre ich mir einfach die neue Manowar an (gemeint ist sicher nicht die 2007er Ausgabe - Anm.d.Red.), dann höre ich mir noch eine Blind Guardian an. Und dann habe ich schon ein paar Hinweise wie man das vom Sound her machen kann. Aber bei unserem Sound gibt es einfach keine vergleichbare Platte. Und so waren die Aufnahmen einfach sehr spannend. Die Sänger haben alle mit einem Klavierbacking nacheinander eingesungen. Ich habe die Akkorde auf dem Klavier gedrückt und jeder Sänger hat dazu die Akkorde gesungen. Und dazu ein programmiertes Schlagzeug, welches den Takt vorgegeben hat, damit wenigsten ein bisschen Metalfeeling aufkam. Nachdem dann drei Sänger eingesungen hatten, wurde das Schlagzeug komplett aufgenommen. Am Ende kamen noch Ross und Ingo mit den Rhythmusstimmen dazu.

MAS:
Es war sicher nicht einfach so viele Musiker mit ihren ganzen Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. Wie wirkte sich das auf den Entstehungsprozess aus?


Stefan:
Wir haben das Ganze an Wochenenden durchgezogen. Dadurch dass das alles Leute sind, die nicht zum ersten Mal im Studio standen, sondern mit ihren Bands schon Studioerfahrung hatten, lief das für eine neu gegründete Band schon auf einem ziemlich professionellen Niveau ab. Es hat jetzt keiner länger als ein Wochenende gebraucht um drei oder vier Lieder einzusingen. Jeder kam zweimal zu mir ins Studio und das war es das auch schon. Es war eigentlich kein großes Problem. Klar, wenn wir jetzt eine Band wären bei der alle aus einem Ort kommen, hätten wir das Ganze auch in eine Woche aufnehmen können. So hat es halt drei oder vier Monate gedauert. Es war aber nie viel Stress. Wir hatten ja keinen Zeitpunkt und keine Plattenfirma die auf etwas wartet. Wir hatten auch noch gar nichts von der Band angekündigt. So hätten wir uns auch zwei Jahre Zeit lassen können. Von daher ging’s doch ganz flott.


MAS:
Wie wichtig sind eigentlich die Texte für Dich und von was handeln sie? Speziell die Bezeichnung „Musik für Helden“ lässt schon etwas ein wenig klischeehaftes vermuten.


Stefan:
(lacht) Auf jeden Fall! Also ich schreibe die Texte, würde mir aber nie auf die Fahne schreiben ein großer literarischer Künstler zu sein. Es sind sehr persönliche Texte. Die kann man erst mal so stehen lassen wie sie sind. Was mir immer bei Texten gefällt, ist wenn sie so bildhaft beschrieben sind, dass man sich etwas für die jetzige Situation herausziehen kann. Ich sage mal, wenn das in Klischees reingeht die so deutlich zu Tage treten wie es zum Beispiel bei Manowar der Fall ist, finde ich das zwar lustig, kann mit den Texten an sich aber nichts anfangen und mir vorstellen wie ich jetzt dem „false Metal“ den Tod bringe und gleichzeitig meine Fahne in den Wind halte. Aber bei so Bands wie Blind Guardian zum Beispiel, bei denen man jetzt auch nicht sagen kann, er singt genau über dies und jenes, aber es sind einfach Bilder die im Kopf entstehen und Stimmungen die mit bestimmten Worten und Klangfarben erzeugt werden und einem die Möglichkeit geben sich selbst dort wiederzufinden, das ist genau das was mir zusagt. Und die Bezeichnung Helden-Metal geht eigentlich mehr oder weniger darum, dass ziemlich viele Textpassagen darauf abzielen zu sagen, „Ja ich mach jetzt mein Ding und so will ich das. Und das zeige ich der Welt.“ Was jetzt der jeweilige Hörer dabei für sich herauszieht, auf welche Lebenssituation er dies jetzt für sich passend anwenden kann, ist in den Texten völlig offen gelassen. Ich möchte damit nicht Bestimmtes aussagen und keinen bekehren, sondern möchte damit einfach eine positive Stimmung erzeugen.

MAS:
Also nicht so platt Manowar-like? Dann bin ich ja beruhigt. Sonst hättet ihr ja etwas aus dem Soundtrack von „Conan der Barbar“ als Intro verwenden müssen und nicht die Titelmelodie von dem tollen „Ronja die Räubertochter“.


Stefan:
Ja ich nehm’ das mal als Inspiration für das nächste Album. (lacht) Soundtracks finde ich je eh stark. So etwas wie der Ronja Räubertochter-Song passt natürlich wie die Faust aufs Auge, da das Original bereits ein Chor ist. Also wenn ich mir manche Melodien aus dem Gladiator-Soundtrack zum Beispiel anhöre, würde mir es schon gefallen wenn wir das eventuell mal umsetzen könnten.

MAS:
Da gäbe es sicherlich einiges an Material in diesem Bereich das sich dafür eignen würde.


Stefan:
Auf jeden Fall. Solange wir noch die einzige Band sind, haben wir noch für Hundert Jahre Material (lacht).

MAS:
Aber wie das bei Pionieren so ist, werden Nachahmer wohl nicht lange auf sich warten lassen.


Stefan:
Da gehen wir auch mal davon aus.

MAS:
Von der Sache ist das sicher auch etwas einfacher für die meisten umzusetzen, als etwas ähnlich Ausgefallenes wie Apokalyptica, weil es an derartigen Instrumenten nicht so viele Musiker gibt.


Stefan:
Es mag sein, dass die Umsetzung mit Streichern vielleicht eine etwas höhere Würde ist. Wobei das vorher mit A Capella auch noch keiner gemacht hat. Also wenn es so einfach wäre, wäre sicher schon jemand darauf gekommen. Also dieser Apokalyptica-Vergleich kam auch schon sehr oft. Manchmal ärgert mich das auch ein bisschen. Ich habe jetzt auch Apokalyptica-Platten zu Hause, aber ich finde jetzt die Idee verzerrte Saiteninstrumente, also E-Gitarren, mit anderen Saiteninstrumenten, in dem Falle Cellos, zu imitieren jetzt nicht ganz so abgefahren. Die haben teilweise die selben Stimmungen genommen wie sie die Gitarren spielen und benutzen selbst auch Tonabnehmer in den Cellos. Da liegt jetzt der Innovationsgedanke für mich, ohne das jetzt schmälern zu wollen, nicht so hoch. Und da würde ich jetzt schon beanspruchen wollen, dass in der Umsetzung des A Capellas, das Ganze über die Klangfarben des Gesangs zu machen, schon noch ein wenig mehr Arbeit liegt. Und vielleicht sogar ein bisschen mehr Mut. Denn wir bekommen auch von genügend Stellen gesagt, dass das irgendwie total bescheuert ist was wir machen und dass wir das lieber sein lassen sollten.

MAS:
Um noch mal zu den Helden zurückzukommen, das passt natürlich zum letzten Titel auf der CD. Eine Coverversion der Metalheroes Metallica in Form von
„Battery“. Wolltest Du damit den Beweis antreten, dass Van Canto auch im härteren Gewand funktionieren?

Stefan:
So ist es. Das kann ich ganz offen und ehrlich zugeben. Es ist natürlich einfacher, wenn man das mit einem Song macht den man schon kennt, als wenn man sich unsere Songs jetzt in einem anderen Gewand vorstellen müsste. „Battery“ kennt einfach jeder. Und ich habe schon den Eindruck, dass unsere Version vom Härtegrad, besonders wenn man es laut hört, mit einer normalen Instrumentierung mithalten kann. Was ich halt schön finde, ist dass man den Vergleich zu der Version die Metallica mit dem Orchester aufnahmen hat. Hier merkt man eben, dass man einen guten Song nicht kaputt machen kann, da er eben ein guter Song ist. Einen guten Song kann man auch auf der Akustikgitarre spielen und er funktioniert einfach.

MAS:
Zum Vertrieb für
A storm to come wurde extra das kleine Label General Schalplatten von Dir gegründet. Hast Du nicht versucht das Ganze bei einem professionellen Label unter Dach und Fach zu bringen?

Stefan:
Also mit A storm to come haben wir absolut kein Label kontaktiert. Denn zu dem Zeitpunkt als wir anfingen, wussten wir ja noch gar nicht ob das jetzt nur ein Spaßprojekt für uns wird oder etwas Ernsthaftes. Als es dann soweit war, war da soviel Arbeit drin, dass ich gar keine Lust hatte damit noch groß Hausieren zu gehen. Wobei ich ja weis wie das bei Labels so läuft. Die bekommen soviel Anfragen, dass man teilweise nicht mal eine Antwort bekommt. Das sollte man sich auch nicht zu Herzen nehmen, sondern damit erklären, dass der Markt im Metal einfach übersättigt ist. Deswegen hatten wir uns gedacht, dass die Idee als solche originell genug ist, dass man dafür keine große Plattenfirma braucht um speziell die Presse darauf aufmerksam zu machen. Meistens sitzen in den Undergroundkonstruktionen, wie zum Beispiel Fanzines wie ihr es auch seid, noch Leute die sich wirklich noch um die Musik kümmern. Bevor man das jetzt auf einer zu kommerziellen Basis anfängt und sich unzählige Absagen von Labels einhandelt, probieren wir es einfach anders herum und machen es vorerst mal selbst und warten, dass die Labels von selbst kommen. Ich denke, dass wir die zweite Platte, so wie es momentan aussieht, unter anderen Voraussetzungen machen können. Es hat schon seine Auswirkungen auf Plattenfirmen wenn man eine Platte macht die gut ankommt.

MAS:
Ihr werdet seitens der Internetpresse auf einer regelrechten Welle der Begeisterung getragen. Gab es denn bis jetzt auch einige negative Stimmen, z.B. von den Betonköpfen der Metal-Sitte?


Stefan:
An Kritiken jetzt eigentlich nicht. Die meisten sind dann schon so fair, dass wenn sie eine Platte bekommen und es steht drauf „gefällt Blind Guardian- und Nightwish-Fans“, es nicht dem derbsten Black Metaller zum rezensieren geben. In Diskussionsforen geht es natürlich schon heiß her zwischen „das ist ja total genial“ und „bah, total schwul“. Das ist auch O.K. so und ich finde das auch lustiger als wenn es man allen so ein bisschen gefällt und keinem richtig. Die einzige Kritik die wirklich daneben war, kam vom Rock Hard. Die haben nämlich genau das gemacht, eine Platte nehmen und Irgendjemanden geben der definitiv mit dieser Musik nichts anfangen kann und man bei der Kritik schon vom Vornherein merkt, dass er das Ding komplett kacke findet. Dieser Jemand fand dann auch alles furchtbar, gab am Ende aber dann doch 5,5 von 10 Punkten. Da würde ich es dann wieder geiler finden einen richtigen Verriss mit 0 Punkten zu bekommen, als total runter gemacht zu werden und dann doch die Hälfte der Punkte zu bekommen.

MAS:
Im Gegensatz zu der teils extrem meinungsstarken Metalszene könnte ich mir aber vorstellen, dass eure Musik auch andere Hörerschichten ansprechen könnte die nicht im hartmetallischen Sektor zu Hause sind.


Stefan:
Also das haben wir jetzt auch gemerkt, dass sich wirklich Leute für unsere Songs interessieren, die sonst überhaupt nichts mehr Metal zu tun haben. Manche sagen zum Beispiel „ach dieses Battery, das ist ja ein ganz tolles Lied“. Die haben diesen alten Song eben noch nie gehört. Und das ist dann schon interessant, wenn man ein paar Hörer einsammeln kann, die vielleicht sonst um Metal aufgrund seiner ganzen Klischees über langhaarige Proleten einen großen Bogen machen würden. Von daher war es dann auch mal ganz gut, dass man dazu ein Gegenargument liefern kann.

MAS:
Eure Live-Premiere feiert ihr im Juli auf dem Rock Harz Festival, auf dem auch WASP und In Extremo zum Tanze aufspielen. Ich kann mir vorstellen, dass ihr schon jetzt ein wenig aufgeregt deswegen seid.


Stefan:
Ja, auf jeden Fall! Gut, Bühnenerfahrung und Gigs mit unseren anderen Bands gespielt haben wir jetzt alle schon. Aber in dieser Konstellation ist es schon etwas Besonderes. Auch im Hinblick auf die technische Herausforderungen und den Livesound auch so hinzubekommen, dass es den Leuten gefällt. Wir haben bereits mit den Proben begonnen und es sieht gut aus, würde ich sagen.

MAS:
Wie kann man sich denn später wohl einen Van Canto-Auftritt vorstellen? Fünf Menschen die mit einem donnernden Drummer im Hintergrund an ihren Mikroständern um die Wette posen?


Stefan:
Also Mikroständer würde ich nicht mal sagen. Wir haben alle die Mikros in der Hand, dann weis man wenigstens wo man die Hände hinzutun hat (lacht). Bei Jester’s Funeral war ich ja Gitarrist und Sänger. Deswegen bin ich das noch nicht so gewöhnt. Aber ansonsten weis ich von Dennis und der Inga, welche ja die Leadstimmen geben werden, dass sie performancemäßig genug rumwirbeln werden und sich die Leute wohl optisch dann auf die beiden konzentrieren. Es ist schon sehr anstrengend so einen A Capella-Gig zu spielen, auch wenn er nur 20 Minuten geht. Bei diesen ganzen Rakkatakka-Stimmen, die teilweise noch nicht mal erlauben in Ruhe zu atmen, kann ich es mir zumindest nicht leisten noch Strecken auf der Bühne zu absolvieren um Bruce Dickinson Konkurrenz zu machen. Von daher wird es wahrscheinlich eher eine Wand an Sängern, wobei zwei Stück ein wenig mehr im Vordergrund stehen. Ich weis nicht ob Du das Video gesehen hast, aber so ungefähr wird man sich das vorstellen können.

MAS:
Dieses Video zu
„The mission“ welches Du gerade angesprochen hast sieht schon recht professionell gedreht aus. So etwas ist ja normalerweise nicht ganz billig. Wie seid ihr denn zu der Sache gekommen?

Stefan:
Ja, war auch nicht ganz billig, aber im Vergleich zum normalen Preis für so etwas schon. Ein Freund von mir hat seine Diplomarbeit darüber gemacht und konnte das als inhaltlichen Aufhänger dafür verwenden. Er hat sich komplett um die Regie, das Drehbuch, Schneiden und Effekte gekümmert. Das war dann schon einmal unentgeltlich, da wir sozusagen den Inhalt zu seiner Diplomarbeit geliefert haben. Was wir dann im Endeffekt bezahlen mussten, waren die Kameramänner, Beleuchter und eine Maskenbildnerin. Das Ganze ist in 13 Stunden über die Bühne gegangen. Und dann kann man sich ausrechen was das kostet. Also nichts was einen jetzt gleich in den finanziellen Ruin treibt.

MAS:
Aber in Zeiten von MySpace und YouTube kann man wenigstens dafür sorgen, dass das Ganze auch gesehen wird.


Stefan:
Ich denke, wenn man heutzutage als Band anfängt und nur denkt wie man jetzt möglichst schnell viel Geld verdienen kann, muss man entweder schon Leute kennen die genauso denken und einen in die entsprechende Position bringen oder man wird einfach sehr enttäuscht werden. Deswegen wollten wir es einfach mal so machen um ein wenig Aufruhr zu erwecken. Und so ein Video kann dazu schon beitragen. Auf YouTube wurde zum Beispiel dieses Video schon über 45.000-mal angeschaut. Ich denke, das ist schon ganz in Ordnung für eine Band die noch keiner kennt und die noch nicht live aufgetreten ist.


MAS:
Das Cover der CD stammt von dem Skandinavier Mattias Noren, der besonders für seine Arbeiten mit Evergrey oder auch Into Eternity bekannt ist. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und bist Du mit dem Endergebnis zufrieden?


Stefan:
Also völlig zufrieden! Ich war total baff wie schnell und professionell das ging. Als es um die Frage Cover ging, habe ich meinen Schrank durchgesehen und bin auf Mattias Noren gestoßen. Dann hatte ich ihn einfach unverbindlich angeschrieben und gefragt was so etwas kosten würde und ob er es sich überhaupt vorstellen kann. Ein Interesse war sofort da. Ich habe ihm auch nur ganz kurz erläutert, dass wir A Capella Metal machen, ihm einen Song zugeschickt und gesagt, dass wir gern etwas hätten bei dem klar wird welche Kraft man nur mit seiner Stimme erzeugen kann. Ich stellte mir zum Beispiel vor, dass ein Sänger einen Baum umsingt. Und eine Woche später war dann auch schon das Cover in meinem Postfach. Bis auf ein paar Kleinigkeiten war es schon perfekt. Insgesamt lief es sehr professionell. Er ist auch sehr freundlich und hat sofort alle Änderungswünsche kreativ umgesetzt. Wir waren sehr begeistert. Künstler werden ja immer als etwas schwierig bezeichnet, aber das kann man von Mattias nicht sagen.

MAS:
Der Titel der Platte,
A storm to come, passt natürlich perfekt, seit ihr doch so etwas wie der frische Wind, den der Melodic/Power Metal schon lang einmal braucht. Klingt aber auch als hättet ihr noch einiges vor. Bleibt Van Canto also kein einmaliges Projekt und dürfen wir mit einer Fortsetzung der Geschichte rechnen?

Stefan:
Jetzt definitiv, da wir nun wissen, dass da was gehen kann. Wir werden auch sehen was in Sachen Liveauftritte noch entsteht. Dass noch ein Album kommt, würde ich jetzt schon als ziemlich sicher bezeichnen. Und so war das auch mit dem Titel A storm to come gedacht, etwas anzukünden was noch großer werden kann. Ob es das noch wird, weis man natürlich im Vorfeld nie, aber wir arbeiten auf jeden Fall daran.

MAS:
Dann hat eben dieser Sturm jetzt alle Zweifel an dem Projekt Van Canto hinweggefegt. Freuen wir uns jetzt schon darauf, was noch kommen mag.


Mario Karl



 << 
Zurück zur Artikelübersicht
 >>