Thin Lizzy 2011: So nah am "Original" wie nie!
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Es gibt Musiker, die mit ihren unzähligen mitreißenden Songs ganze Heerscharen von Musikern beeinflusst haben. Einer davon ist ohne Zweifel der legendäre Thin Lizzy-Sänger, -Songwriter und -Bassist Phil Lynott, dessen Todestag sich am 4. Januar 2011 zum 25. gejährt hat. Aus diesem Anlass war es dem Urgestein und Gralshüter Scott Gorham (Gitarre) ein großes Anliegen, das alte Schlachtschiff (wieder einmal) zu reformieren und dabei einige Besetzungswechsel vorzunehmen. Traurigerweise verstarb am 6. Februar auch noch Phil Lynotts großer Freund, Bandkumpel und Weggefährte Gary Moore. Das bei vielen Rockfans nicht unumstrittene Experiment „Thin Lizzy featuring Scott Gorham & John Sykes“, das im Jahr 2000 mit einigen Live-Auftritten und der coolen Live-CD One Night Only begann und zwischenzeitlich ziemlich an Zugkraft verloren hatte, wurde gründlich runderneuert.
Am Gesang und an der dritten Gitarre ist kein Geringerer als der ehamalige The Almighty-Frontmann Ricky Warwick angetreten, der den mittlerweile ausgestiegenen John Sykes (Gitarre, Gesang) ersetzt. An der zweiten Gitarre ist nun neben Scott Gorham Vivian Camphell (ex-Dio, Def Leppard) beigetreten, mit Basser Marco Mendoza (ex-Whitesnake, ex-Blue Murder) ist ein alter Bekannter zurückgekehrt. Das Quintett komplettieren der Original Thin Lizzy-Schlagzeuger Brian Downey (yeah!) und Darren Wharton (Keyboard, Gesang), der bereits bei früheren Lizzy-Scheiben mitgespielt hat und bei der One Night Only-Tour zur Livetruppe zählte. Von daher war ich sehr gespannt, wie sich diese Live-Formation präsentiert.
Als wir am LKA ankommen (ca. 19.30 Uhr) ertönt bereits Live-Musik aus den Türen. Etwas erstaunt gehen wir schnell rein und bekommen gerade noch den letzten Song der Vorband The Supersuckers mit. Wir sind sehr erstaunt, dass das Konzert schon so bald beginnt. Ein Security-Mann meint, dass dies wegen der anschließenden Ü-30-Party der Fall ist, da sollen die Rockfans dann schon zeitig draußen sein. In der Umbaupause schauen wir uns am Merchandise-Stand um, bei dem es Bootlegs, T-Shirts (ca. 25 Euro plus X) und ein sehr schönes Tourbuch zu kaufen gibt. Das Publikum besteht zum größten Teil aus Altrockern, jedoch auch aus sehr vielen jungen Fans mit T-Shirts von Bands, bei denen man nicht erwartet hätte, dass die sich für Thin Lizzy begeistern.
Fast genau um 20 Uhr geht das Licht aus und Thin Lizzy betreten unter großem Jubel die Bühne und legen gleich amtlich mit dem passenden Opener „Are You Ready“ los. Der Sound ist etwas undifferenziert, der Bass etwas zu schwammig. Das ändert sich leider erst nach einer gewissen Zeit. Die Jungs machen einen topfitten Eindruck, was mich gerade bei Ur-Mitglied Brian Downey, der die 60 Jahre mittlerweile auch überschritten haben müsste, doch sehr erstaunt. Der Gute trommelt wie zu besten Zeiten und beweist einmal mehr, dass er einer der größten Schlagzeuger überhaupt ist. Die Bühne ist ziemlich beeindruckend gestaltet und seit langem sind Thin Lizzy wieder mit dem Original-Thin Lizzy-Leuchtschrifthintergrund unterwegs.
Als John Sykes noch mit an Bord war wurde oft kritisiert, dass immer die gleichen Songs gespielt werden (stimmt) und teilweise wortwörtlich immer die gleichen Ansagen (stimmt auch) vom Stapel gelassen werden. Mein Bruder hat einmal sogar sehr verärgert behauptet, dass die doch eh bloß das One Night Only-Album als Playback laufen lassen würden. Das kann man an dem heutigen Abend definitiv nicht sagen! Ricky Warwick, ein Frontmann mit Format und Ausstrahlung agiert sehr spontan und animiert das Publikum sehr gut. Und seine Stimme ist wirklich über jeden Zweifel erhaben. Er kommt verdammt nah an Phil Lynotts Stimme hin und hat dabei jedoch auch eine gehörige Portion Eigenständigkeit mitgebracht. Auch von der Songauswahl ist hier alles optimal ausgerichtet. Es werden Perlen wie „Do Anything You Want To“, „Dancing In The Moonlight“ oder die Über-Ballade „Wild One” ausgepackt, die absolut mitreißend gespielt werden.
Die Spielfreude merkt man der Band zu jeder Sekunde an. Vivian Camphell blüht förmlich auf, singt sogar im Wechsel mit Darren Wharton bei „Still In Love With You“ und die beiden machen sehr überzeugend den Eindruck, dass dies für sie eine Tour ist, die sie zu großen Teilen aus Leidenschaft und Begeisterung durchziehen. Dies stachelt auch den unermüdlichen Scott Gorham an, der sich die Gitarrenarbeit mit Vivian Camphell teilt und dem man ansieht, dass er es genießt, mit Mr. Camphell zu spielen. Derartig gut gelaunt hab ich Scott schon lange nicht mehr live gesehen. Beim Song „Angel Of Death“, den ich schon immer mal live hören wollte, hat Darren Wharton seine große Stunde. Der sehr düster gehaltene Song zeigt einmal mehr die Vielseitigkeit und Genialität von Phil Lynott. Ein Wahnsinnssong von einer wahnsinnig coolen Band vorgetragen! Auch die Tatsache, dass der Gassenhauer „Whiskey In The Jar“ endlich wieder einmal live gespielt wird zeigt, dass die Band sich nicht dreinreden lässt und ihr Ding aus Respekt vor Phil durchzieht.
Der Abend vergeht wie im Flug und bei dem wuchtigen „Emerald“ und dem kurz darauf gespielten „Sha-La-La“ zeigt Brian Downey seine ganze Klasse. Souverän zockt er im Mittelteil des Songs ein kurzweiliges Schlagzeugsolo herunter, wofür das Stuttgarter Publikum begeistert applaudiert. Der Doppelschlag „Cowboy Song“ und „The Boys Are Back In Town“ beendet den regulären Set. Der Zugabenblock besteht aus dem coolen „Killer On The Loose“, „Rosalie“, einem überragenden und hinreißenden „The Rocker“ und natürlich „Black Rose“, das wie einige andere Songs auch an diesem Abend dem kürzlich verstorbenen ehemaligen Thin Lizzy-Gitarristen Gary Moore und Phil Lynott gewidmet werden. Das Stuttgarter Publikum ist begeistert und die Band bekommt den verdienten Applaus. Unter den Gästen sind einige prominente einheimische Rocker, darunter Matt Sinner (Sinner, Primal Fear) und Andre Hilgers (Rage).
Mir hat das Konzert ebenfalls sehr gut gefallen, diese Besetzung hat auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung. Vor allem die Tatsache, dass Brian Downey wieder mit an Bord ist, ist für mich das eigentliche Highlight. Außerdem klingt der Live-Sound wieder mehr nach den Original-Thin Lizzy aus den glorreichen 70ern. Der etwas metallische Einschlag, der durch John Sykes und Tommy Aldridge bei den letzten Tourneen oft zu hören war, ist komplett vom Tisch. Froh, dabei gewesen zu sein fahren wir wieder zurück nach Hause. Für Fans, welche die Songs dieser Band mögen und die diese legendären Lieder wieder einmal live mit herausragenden Musikern hören wollen, ist diese Tour ein absolutes Muss!
Setlist:
Are You Ready
Waiting For An Alibi
Jailbreak
Do Anything You Want To
Don't Believe A Word
Dancing in the Moonlight
Massacre
Angel of Death
Still In Love With You
Whiskey in the Jar
Emerald
Wild One
Sha-La-La (inkl. Schlagzeugsolo Brian Downey)
Cowboy Song
The Boys Are Back In Town
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Killer On The Loose
Rosalie
The Rocker
Black Rose
Stefan Graßl
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