Accept: In Geiselwind wird Solinger Stahl heiß geschmiedet!
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Wahrlich nicht viele Rockfans hätten gedacht, dass die Herren Baltes, Hoffmann und Co. nach der triumphalen Rückkehr auf internationale Bühnen diesen Einstand mit einem dermaßen guten Album wie Blood Of The Nations feiern können. Das Album verkauft sich wie geschnittenes Brot und das meiner Meinung nach völlig zurecht. Da macht es nur Sinn, dieses Album weltweit zu promoten. Da Geiselwind von Nürnberg gerade mal knappe 70 km entfernt ist, fällt die Wahl auf diesen eher exotischen Konzertort. Als ich in Geiselwind ankomme, stehe ich erstmal - wie viele - vor einer Tankstelle. Die dortige Mitarbeiterin beantwortet freundlich wohl zum 100sten mal die Frage, wo denn das Konzert stattfindet. Die Halle sieht man nicht sofort, davor steht ein Hotel mit einem amtlichen Empfangsbereich. In der Halle angekommen, muss ich erst einmal staunen: Was für eine supercoole Halle! Es gibt verschiedenste Bereiche, in denen man sich aufhalten kann. Eine überdimensionale Bar, in der man fast gar nicht auf seine Getränke warten muss, ausreichen Toiletten, erhöhte Emporen rund um die ganze Halle, auf die einfach jeder drauf darf, ohne Probleme mit der Security zu bekommen. Es gibt deftiges fränkisches Essen, einen Bierbankbereich und das Allerbeste: Die Halle in der vorderen Hälfte direkt vor der Bühne besteht aus einer abgesenkten Ebene. Folge: Wenn kleinere Leute im Publikum sind, können die einfach in den hinteren Bereich wechseln! Da hat mal echt jemand mitgedacht.
Die Vorband HELLRIDE spielt bereits. Erst nach etwas längerem Hinhören fällt mir auf, dass sie soeben Iron Maidens „Hallowed Be Thy Name“ akustisch runterzocken. Es hört sich echt nicht schlecht an. Der letzte Song ist Motörheads „Ace Of Spades“, der beim Publikum natürlich gut ankommt. Die Band besteht aus einem Sänger und zwei Gitarristen, die mit Akustikgitarre ausgestattet sind. Diese Musik vor einem Metal-Publikum zu präsentieren, erfordert Mut!
Die zweite Band besteht aus den Schweden von STEELWING. Der Fünfer, der mit reichlich Rauch und einem amtlichen Intro die Bühne betritt, zeigt von Anfang an, was Sache ist: Klassischer Metal im Stile der 80er Jahre. Dies zeigt sich im Posing der Band, in den Songs und vor allem auch in den Outfits. Vor allem bei dem Sänger hab ich oft den Eindruck, den jungen Bruce Dickinson vor mir zu haben. Die Songs sind gut gespielt, wenn auch nicht unbedingt mein Stil. Der Sänger singt phänomenal, peitscht das Publikum nach vorne und rennt pausenlos auf der Bühne herum. Die Band bekommt verdientermaßen viel Applaus und hat insgesamt einen sehr guten Eindruck hinterlassen.
Nun wird’s immer spannender. Der Platz vor der Bühne wird voll, aber nicht gequetscht voll, man hat noch genügend Platz. Die Umbaupause dauert ungefähr 30 Minuten, inklusive Soundcheck des riesigen Drumsets von Ausnahmeschlagzeuger Stefan Schwarzmann. Der Bühnenhintergrund ist blutrot gehalten mit Accept-Schriftzug und einigen Raketen. Das Intro des neuen Albums ertönt und ACCEPT betreten unter ohrenbetäubendem Jubel die Bühne von Geiselwind. Sie lassen sich nicht lange bitten und legen gleich mit „Teutonic Terror“ los. Der Song kommt gut an und es wird gleich ein weiterer Song vom neuen Album („Bucket Full Of Hate“) nachgeschoben, der mit seinem Mitsing-Part das Publikum anstachelt. Der Sound ist klar, nicht zu laut und man kann alle Instrumente gut heraushören. Mark Tornillo singt brachial wie einst Udo Dirkschneider und unterstreicht die Songs mit seinen Bewegungen und seiner Mimik. Mit „Starlight“ wird’s klassisch und man merkt sofort, dass die alten Songs dem Publikum wesentlich geläufiger sind. Die Band strotzt geradezu vor Spiellaune und vor allem die beiden Urgesteine Wolf Hoffmann und Peter Baltes liefern sich einen richtigen Wettstreit auf der Bühne. Beide sind an ihren Instrumenten absolute Könner, was sich am Besten in einem Bass/Gitarrensolo-Kampf zwischen den beiden zeigt. Dabei beweist vor allem Peter Baltes, dass er ein völlig unterbewerteter Bassist ist und mittlerweile zu einem der ganz Großen gehört.
Der Doppelschlag „Breaker“ und „Restless And Wild“ verfehlt seine Wirkung nicht und das Geiselwinder Publikum frisst der Band förmlich aus der Hand. Mark Tornillo fügt sich perfekt in die Band ein, ohne seinen Vorgänger auch nur ansatzweise kopieren zu wollen. Ich denke, dass gerade dies ihn umso sympathischer macht. Es gibt kein einziges „Bring Back Udo“-Plakat oder ähnliches. Wozu auch? Die Band Accept als auch Udo Dirkschneider haben sich entschieden, ihr jeweiliges Ding durchzuziehen und das ist okay so. Es spricht umso mehr für den fairen Umgang untereinander, dass sich kein rechtlicher Wettstreit wie bei anderen Bands (Pink Floyd, Supertramp oder Black Sabbath) abspielt und jeder die Songs spielen kann, die er möchte.
Die Band packt neben unverzichtbaren Hymnen wie „Neon Nights“, „Son Of A Bitch“ und „Up To The Limit“ auch selten live gespielte Nummern wie „Aiming High“, „Bulletproof“ oder die Perle „Losers And Winners“ aus. Das Publikum kommt nicht einmal zu einer Verschnaufpause. Wie die Ramones ballern Accept einen Song nach dem anderen raus ohne viel Ansagen und Firlefanz. Als absolute Granaten entpuppen sich einmal mehr „Metal Heart“ und „Princess Of The Dawn“, bei dem viel mitgesungen wird und dies natürlich auch der Band gefällt. Die fünf auf der Bühne freuen sich wie Schneekönige über den triumphalen Empfang. Die Zeit verfliegt wie im Flug und mit einem furiosen „Burning“ wird der reguläre Set auch schon beendet. Nach dem „Heidi Heido Heida“-Intro kommt folglicherweise „Fast As A Shark“ und spätestens das gibt sämtlichen anwesenden den Rest. Der Soloteil in der Mitte des Songs ist ganz großes Kino und Hermann Frank zockt souverän mit Wolf Hoffmann eines der geilsten Solos der Metal-Geschichte runter. „Pandemic“ leitet über zu „Balls To The Wall“ und hier holt Mark Tornillo noch das letzte aus seinen Stimmbändern und aus dem Geiselwinder Publikum heraus. Nach zwei Stunden ist jedoch leider Schluss und zum Klassiker-Outro „Bound To Fail“ verlassen Accept unter großem Beifall des Publikums die Bühne. Überall um mich herum lauter glückliche Gesichter. Viele sind froh, diese Band überhaupt noch einmal live in einer Halle gesehen zu haben. Hinter mir steht ein Fan im Objection Overruled-Tourshirt, der das Konzert förmlich zelebriert und während der zwei Stunden völlig in seiner eigenen Welt ist. Mir geht’s nicht viel anders und ich hab am nächsten Tag erhebliche Kopfschmerzen aufgrund von zu viel Headbanging.
Nach dem Konzert hole ich meine Jacke und möchte mir noch ein Tourplakat für sage und schreibe 2 Euro kaufen. Als ich am Merchandise-Stand ankomme sehe ich einen kleinen Typen, der fleißig Autogramme schreibt. Es ist Mark Tornillo, der Sänger von Accept! Äußerst sympathisch und geduldig wie ein Maultier unterschreibt er alles, was man ihm vor den Stift hält. Er sieht von der Nähe einem gewissen Dustin Hoffmann nicht unbedingt unähnlich. Peter Baltes kommt auch noch aus der Umkleide und gibt Autogramme wie etwas später Wolf Hoffmann. Am Geduldigsten und freundlichsten sind auf jeden Fall die beiden gebürtigen Franken Hermann Frank und Stefan Schwarzmann. Stefan Schwarzmann ist dann später noch an der Bar zu finden und unterhält sich völlig ohne Starallüren mit jedem, der sich mit ihm unterhalten will. Er erzählt, dass das spanische Publikum lauter als die eigene PA-Anlage auf der Bühne war. Hermann Frank scheint die Gutmütigkeit in Person zu sein und unterschreibt immer bei dem zuerst, der am längsten wartet - so ähnlich wie beim Metzger! Unglaublich, so was hab ich echt noch nie erlebt.
Fazit: Das Konzert hat sich auf jeden Fall gelohnt und der Eintrittspreis ist mit 28,50 Euro auf jeden Fall gerechtfertigt. Den Umgang, den Accept mit ihren Fans pflegen, ist jedoch meiner Ansicht nach unbezahlbar und äußerst vorbildlich. Wenn man bedenkt, welchen Status die Jungs national und international haben, ist es umso schöner, dass sie sich noch zu solchen Aktionen bewegen lassen. Was die Setlist betrifft: Im Vorfeld war ein Interview von Wolf Hoffmann zu lesen mit der Info, dass die Setlist an jedem Abend umgestellt wird. Oftmals ist das nur eine bloße Behauptung, bei Accept jedoch stimmt diese Aussage zu 100 %! Im Vergleich zu Osnabrück oder Pratteln wurden in Geiselwind wieder andere Songs gespielt. Mark Tornillo ist eine sehr gute Wahl für den Sängerposten bei Accept, da er stimmlich und von seiner Bühnenpräsenz sehr gut rüberkommt. Was ich etwas schade finde: In der Band befinden sich vier Deutsche, es findet jedoch nicht einmal eine direkte Kommunikation mit dem Publikum statt. Das fehlt ein bisschen, war die Band doch so viele Jahre nicht live unterwegs. Es wurde geradezu so getan, als seien Accept jedes Jahr in Geiselwind live zu sehen. Auch sollte von den Songs her zumindest eine Ballade, z. B. „Winter Dreams“ dabei sein, um dem Publikum zumindest eine kurze Verschnaufpause zu lassen. Ansonsten: Alles richtig gemacht!
Setlist:
Teutonic Terror
Bucket Full Of Hate
Starlight
Love Child
Breaker
Restless And Wild
Son Of A Bitch
Metal Heart
Neon Knights
Bulletproof
Losers And Winners
Aiming High
Princess Of The Dawn
No Shelter
New World Comin'
Burning
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Fast As A Shark
Pandemic
Balls To The Wall
Stefan Graßl
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